Gezeitenwechsel am Anleihenmarkt? Jedenfalls preisen die Märkte eine Abkehr von der in den vergangenen Jahren herrschenden ultra-lockeren Geldpolitik ein. Kaufen ist da nicht so angesagt – es könnte ja bald attraktivere Zinsen geben.
21. Januar 2021. Frankfurt (Börse Frankfurt). Der in der kommenden Woche anstehenden Sitzung der US-Notenbank wird diesmal besonders entgegengefiebert – immerhin scheint die Fed nun doch rigoros gegen die Inflation vorgehen zu wollen. „Der Markt erwartet aufgrund der anhaltend hohen Inflation insgesamt eine deutlich restriktivere Geldpolitik der US-Notenbank“, stellt Tim Oechsner von der Steubing AG fest. Bis zu vier Zinsschritte von 0,25 Prozent gelten mittlerweile als eingepreist. „Einzelne Marktteilnehmer rechnen bei der ersten Erhöhung des Leitzinses inzwischen sogar mit einem Schritt um einen halben Prozentpunkt.“
Positive Bundrenditen erstmals seit 2019
So könnte die lange erwartete Zinswende nun wirklich da sein. Seit Jahresanfang ist die Rendite zehnjähriger US-Treasuries von 1,51 auf kurzzeitig 1,90 Prozent in dieser Woche gestiegen. Die Rendite für Bundesanleihen gleicher Laufzeit hat am Mittwoch erstmals seit 2019 wieder positives Terrain erreicht.
Am heutigen Freitagmittag liegt die Rendite der US-Staatsanleihen allerdings wieder unter 1,80 Prozent, die der Bundesanleihe bei minus 0,05 Prozent. Aktuell treiben die zunehmenden Spannungen zwischen Russland und den USA über die Lage an der Grenze zur Ukraine Anleger*innen in „sichere Häfen“. „Es war insgesamt eine volatile Woche“, fasst es Arthur Brunner von der ICF Bank zusammen.
Brunner
„Retail-Anleger spielen US-Zinsgeschichte“
Einiges an Umsätzen in beide Richtungen meldet Oechsner für bis 2031 laufende US-Staatsanleihen mit Kupon von 1,25 Prozent und Stückelung von 100 US-Dollar (US91282CCS89). „Hier spielen Retail-Anleger die US-Zinsgeschichte.“
„Insgesamt halten sich Anleger in Erwartung steigender Zinsen zurück“, berichtet Brunner. Eine neue zehnjährige Griechenland-Anleihe mit Kupon von 1,75 Prozent (GR0124038721) fand diese Woche aber noch viele Interessenten: Einem Angebot von 3 Milliarden Euro stand eine Nachfrage von 15 Milliarden Euro gegenüber. „Letzten Sommer war die Nachfrage nach neuen Griechenland-Anleihen aber noch viel höher.“
Auch Unternehmen versuchen weiter, sich noch schnell zu den immer noch vergleichsweise niedrigen Zinsen zu refinanzieren. „Die Neuemissions-Pipeline ist zu Jahresbeginn voll, sehr viele Deals treffen aber auf sehr verhaltende Investoren“, stellt Oechsner fest. „Die Käufer streiken, da sie mit steigenden Zinsen rechnen.“
Sorgenfalten bei Ekosem, leichtes Aufatmen bei Paragon
Unter weiteren Abgabedruck geraten sind Ekosem-Agrar-Anleihen (DE000A2YNR08), wie Gregor Daniel von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank erklärt. „Da macht sich der Russland/Ukraine-Konflikt bemerkbar.“ Nach positiven Meldungen zum Geschäft – vor allem der Weiterentwicklung des jungen Bereichs Milchverarbeitung – kam es zu einer kleinen Kurserholung. „Die Krise wirkt aber schwerer, der Kurs liegt weiter unter dem Niveau vor einer Woche“, stellt der Händler fest. „Ein Russland/Ukraine-Krieg würde das in Russland tätige Unternehmen schwer treffen.“
Verkäufe meldet Daniel außerdem für die bis 2026 laufende VW-Anleihe mit Kupon von 2,25 Prozent (XS1893631769), Käufe für US-Dollar-Anleihen der Provincia de Tierra del Fuego mit Kupon von 8,95 Prozent und Fälligkeit 2027, die aktuell mit 12,36 Prozent rentieren (USP91528AA03).
Deutlich erholt haben sich Papiere des Autozulieferers Paragon (DE000A2GSB86), wie Brunner meldet. Es kam ein Vorstoß vom Unternehmen, die Laufzeit der im Juli fälligen Anleihe, die zu diesem Zeitpunkt wohl nicht zurückgezahlt werden kann, zu verlängern. „Auch eine Teiltilgung ist Thema“, erklärt der Händler. Im Tief war der Kurs auf 33 Prozent gefallen, jetzt sind es 61,80 Prozent. Käufe sieht Brunner auch für Papiere der Beteiligungsgesellschaft Mutares (<NO0010872864>). „Insgesamt herrscht bezüglich der Mittelstandsanleihen aber eher Zurückhaltung wegen des Renditeanstiegs am Markt.“
„Insgesamt Zurückhaltung wegen Renditeanstieg“
Metalcorp: Anleger verunsichert
Hohe Umsätze gibt es laut Oechsner in Anleihen der Metalcorp Group S.A. (DE000A3KRAP3>, < NO0010795701>, <DE000A19MDV0>), einem weltweiten Dienstleister für Beschaffung, Produktion, Abbau und Vermarktung von Metallen und Mineralien. „Die Anleger sind sehr verunsichert. Medien berichteten, dass der Bergbaubetrieb der Bauxit-Tochtergesellschaft in Guinea gestoppt wurde.“ Metalcorp dementierte aber: Es habe zwar ein vorläufiges Verfahren gegeben, eingeleitet von einem Zulieferer, das sei aber zugunsten von Metalcorp eingestellt worden. Wettgemacht sind die Kursverluste aber noch nicht.
Käufe zu rund 94 Prozent beobachtet Oechsner außerdem für die 25 Millionen Euro schwere Anleihe des Immobilienprojektentwicklers Henri Broen mit Kupon von 7,5 Prozent und Fälligkeit 2025 (DE000A283WQ2). „Das ist ein Kandidat für ein Aktien-IPO noch in diesem Jahr.“
von: Anna-Maria Borse 21. Januar 2022, © Deutsche Börse AG