War es zu früh, die „Big Techs“ abzuschreiben? Die Quartalszahlen fielen jedenfalls überraschend gut aus. Und sorgten für so manchen Kurssprung an der Börse.
4. August 2022 Frankfurt (Börse Frankfurt). Für Tech-Fans war das erste Halbjahr bitter: Um rund 30 Prozent gab der Nasdaq 100 nach auf im Tief 11.046 Punkte. Auch die großen Tech-Konzerne blieben nicht verschont: Amazon, Apple, Microsoft, Alphabet und vor allem Meta hatten kräftige Kursverluste zu verzeichnen. Doch Mitte Juni wendete sich das Blatt, aktuell steht der Nasdaq 100 wieder bei 13.216 Zählern. Jüngster Treiber: die Quartalszahlen, die – mit Ausnahmen allerdings – überraschend gut ausfielen. Die Tech-Werte melden sich zurück.
„Insgesamt sind die US-Quartalszahlen besser als erwartet“, erklärt Roland Stadler von der Baader Bank. Laut Bloomberg hatten zum 1. August 284 der insgesamt 500 S&P 500-Unternehmen ihre Zahlen präsentiert. Knapp 76 Prozent von ihnen übertrafen die Erwartungen: Die Gewinne stiegen gegenüber dem Vorjahresquartal um 6,6 Prozent, gerechnet worden war mit 4,1 Prozent. Die Umsätze legten um 12,2 Prozent zu, man war von 9,9 Prozent ausgegangen.
Tiefs längst hinter sich gelassen
Auch viele Tech-Unternehmen sorgten mit ihren Berichten für gute Laune an den Börsen, etwa Microsoft. An der Börse Frankfurt wird Microsoft (US5949181045) aktuell zu 277 Euro gehandelt, im Tief im Juni waren es 230 Euro, zu Jahresanfang allerdings noch über 300 Euro. Microsoft zeigte sich optimistisch für die Zukunft und rechnet im gerade angebrochenen neuen Geschäftsjahr mit einem Plus bei Umsatz und operativem Gewinn im zweistelligen Prozentbereich.
Die Verluste aus der ersten Jahreshälfte komplett wieder wettgemacht hat Apple, wie Stadler bemerkt, zumindest in Euro. Die Aktie (US0378331005) kostet an der Börse Frankfurt wieder 163 Euro und damit in etwa so viel wie zu Jahresanfang. Auch hier überzeugten die Quartalszahlen: Apples iPhone-Geschäft läuft gut, trotz Konjunktursorgen und Lieferengpässen.
Auch der Quartalsbericht der Google-Mutter Alphabet A (US02079K3059, US02079K1079) ließ die Kurse in die Höhe schießen. Alphabet macht zwar die Schwäche auf dem Online-Werbemarkt zu schaffen, der Quartalsgewinn ging im Jahresvergleich von 18,5 auf 16 Milliarden US-Dollar zurück. Der Umsatz stieg allerdings um 13 Prozent auf 69,7 Milliarden US-Dollar.
Die Amazon-Zahlen sorgen ebenfalls für fröhliche Gesichter: Der Online-Händler (US0231351067) steigerte den Umsatz im zweiten Quartal trotz hoher Inflation und Rezessionssorgen deutlich. Die Aktie kostet wieder 137 nach im Tief 94 Euro.
Aktiensplit bei Alphabet
Alphabet hat Mitte Juli den angekündigten Aktiensplit umgesetzt: Der Konzern teilte die hochpreisigen Anteilsscheine der Klassen A, B und C im Verhältnis 1 zu 20. Aktionäre bekamen somit für jeweils eine Aktie 19 weitere. Das verbilligt den Kurs der Alphabet-Aktie optisch deutlich. In Frankfurt kosten die Aktien daher statt über 2.000 Euro nur noch über 100 Euro, aktuell sind es 116 Euro. Der Konzern will die Aktien damit für Privatanlegerinnen und -anleger interessanter machen.
Nicht so gut sieht es hingegen bei der Facebook-Mutter Meta (US30303M1027) aus. Das Unternehmen wies im abgelaufenen Quartal den ersten Umsatzrückgang seiner Geschichte aus. Der Kurs hat sich gegenüber dem Jahresanfang fast halbiert auf aktuell 165 Euro. Auch der Anbieter der Foto-App Snap (US83304A1060) – Spezialist für den Handel an der Börse Frankfurt ist hier Oddo BHF – enttäuschte Börsianer schwer. Der Kurs fiel nach Bekanntgabe der Zahlen wie ein Stein von 16 auf unter 10 Euro.
Immer noch viele Anhänger
Gerade bei Amazon und Microsoft raten viele Banken zum Kauf, etwa Credit Suisse, Deutsche Bank, RBC Capital und Goldman Sachs. Auch Alphabet trauen viele Analysten noch Kurssteigerungen zu. Etwas gemischter fallen die Urteile bezüglich Apple aus, etwa empfehlen Deutsche Bank, JP Morgan und die UBS die Aktien; Goldman, Credit Suisse und Barclays stufen sie hingegen nur auf „Neutral“.
Nach Einschätzung von Egmond Haidt von BNP Paribas sollten Anleger zwischen Apple, Amazon, Microsoft und Alphabet auf der einen Seite und Meta auf der anderen unterscheiden. „Nach den Zahlen und den guten Ausblicken sollten die Papiere des Quartetts erst einmal weiter klettern, zumal Investoren weiter bei Growth-Aktien zugreifen sollten“, erklärt Haidt. Da spiele es auch keine große Rolle, ob das Kurs-Gewinn-Verhältnis für das eine Unternehmen größer sei als für das andere. Hingegen könne die Aktie von Meta noch eine Weile seitwärts tendieren, dann aber auch nach oben drehen. „Viele Investoren dürften Meta weiterhin als Wachstumsunternehmen betrachten, obwohl sich der Umsatzrückgang im laufenden Quartal beschleunigen soll.“
von: Anna-Maria Borse, 4. August 2022, © Deutsche Börse AG
Anna-Maria Borse ist Finanz- und Wirtschaftsredakteurin mit den Schwerpunkten Finanzmarkt/Börse und volkswirtschaftliche Themen.
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