Die Änderung der Strategie verschafft der EZB mehr Spielraum für die künftige Zinspolitik. Im Handel mit Unternehmensanleihen bestimmen Lufthansa und Otto das Bild.
9. Juli 2021. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Es geht wieder abwärts mit den Renditen für Staatsanleihen. Nach minus 0,11 Prozent Ende Mai rentieren zehnjährige Bundesanleihen derzeit mit 0,30 Prozent deutlich tiefer im negativen Bereich. In der Spitze waren es gestern minus 0,34 Prozent. „Die Angst vor schnell steigenden Zinsen ist scheinbar in den Hintergrund gerückt“, meint Rainer Petz von der Oddo BHF.
Das hänge unter anderem mit der gestrigen EZB-Verkündung zusammen, künftig einen flexibleren Ansatz hinsichtlich Inflation und Zinsen anzuwenden. Dieser Schritt war erwartet worden. Bislang strebte die Notenbank Teuerungsraten unter, aber nahe 2 Prozent an. Künftig können die Währungshüter „symmetrisch“ eine Inflation von 2 Prozent oder auch mehr tolerieren, ohne an der Zinsschraube drehen zu müssen. Analysten sehen in dem Schritt ein klares Signal für eine bis auf weiteres locker bleibende Geldpolitik.
Unter Berücksichtigung der aktuellen Inflationsschätzungen sind nach Ansicht von Baader Bank-Stratege Robert Halver Zinssteigerungen im Euroraum vor 2024 ausgeschlossen. Auch einer möglichen Drosselung ihrer Anleihen-Käufe nehme die Notenbank damit Wind aus den Segeln. Zudem gebe der geplante Aufkauf sogenannter „grüner Anleihen“ zur Unterstützung des Klimaschutzes der EZB ein weiteres Alibi für die Fortsetzung der aktuellen Geldpolitik.
Federal Reserve diskutiert Exit-Strategien
Nichts Anderes mache die US-Zentralbank. Die Mitglieder des Offenmarktausschusses debattierten derzeit zwar darüber, wie und in welchen Schritten die als Konjunkturhilfe gedachten Wertpapierkäufe in Höhe von monatlich 120 Milliarden US-Dollar gedrosselt werden können. Die möglichen Szenarien werden wohl im Rahmen der kommenden Sitzung näher besprochen. Gehandelt werde aber erst, wenn substanzielle Fortschritte am Arbeitsmarkt und der Preisstabilität erreicht worden sind.
Derzeit gehen die Meinungen hinsichtlich des richtigen Timings für ein Zurückfahren der Wertpapierkäufe auseinander. Während Notenbankerin Daly laut Folker Hellmeyer von Solvecon die Verringerung der Geldspritzen bereits Ende des Jahres für möglich hält, verweise der Zentralbankchef von Atlanta auf Risiken der Delta-Variante. Ein zeitiges Zudrehen der Geldhähne werde es vermutlich nicht geben. „Erst Exit-Diskussionen, dann Exit-Pläne, irgendwann der Ausstieg“, erinnert Hellmeyer an den korrekten zeitlichen Ablauf.
Hellmeyer
Griff zu Otto und Daimler
Im Handel mit Unternehmensanleihen informiert Beate Mägerle von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank unter anderem über Interesse an einer mit jährlich 4,0 Prozent verzinsten, nachrangigen Otto-Anleihe (<XS1853998182>). Der Wert notiert aktuell um 107 Prozent. Auch ein in 2028 fälliges Daimler-Papier (DE000A169NC2) mit einem Kupon von 1,375 Prozent sei gefragt. „Bei beiden überwiegen die Käufe.“ Ansonsten mache sich die beginnende Ferienzeit zunehmend bemerkbar.
Lufthansa zapft Kapitalmarkt an
Saisonbedingt gibt es laut Petz zudem nur wenige Neuemissionen. Seit heute sei eine 500 Millionen Euro schwere, bis 2029 laufende Lufthansa-Anleihe mit einem Kupon von 3,75 Prozent handelbar. Ebenfalls eine halbe Milliarde Euro nahm die größte deutsche Airline über einen in 2024 fälligen Bond ein und zahlt Anlegern dafür jährlich 2,0 Prozent. Die Mittel dienen laut Lufthansa zur Stabilisierung der Liquidität mit dem Ziel, die Pandemiehilfen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz schnellstmöglich zurückzuzahlen.
von: Iris Merker
9. Juli 2021, © Deutsche Börse AG