Langer Leidensweg, Kommentar zu Tui von Heidi Rohde
Frankfurt (ots) - Die Tui-Aktionäre haben infolge der Corona-Pandemie einen
nahezu beispiellosen Leidensweg hinter sich, aber er ist noch nicht zu Ende.
Nach drei Kapitalerhöhungen im Gesamtvolumen von 2,13 Mrd. Euro, benötigt die
Tui nochmals bis zu 1,8 Mrd. Euro, um das auf Dauer ebenfalls sehr schmerzhafte
staatliche Rettungskorsett abzuwerfen. Die geplante Maßnahme ist der bisher
gewaltigste Kraftakt, denn sie geht mit einem Kapitalschnitt einher, bei dem das
Grundkapital auf ein Zehntel herabgesetzt werden soll. Diesen Verlust müssen die
Aktionäre billigend in Kauf nehmen, und zwar ohne dass sich die Tui auf den
Beistand ihres langjährigen Großaktionärs Alexej Mordaschow stützen kann. Dieser
hatte die erste der vier Kapitalerhöhungen noch dadurch abgesichert, dass er
Aktien, die nicht losgeschlagen werden konnten, übernahm. Das Paket des
russischen Milliardärs - knapp 30 % des Kapitals - ist aufgrund der Sanktionen
gegen sein Land eingefroren, so dass er nicht an der Kapitalmaßnahme teilnehmen
kann. Sein Anteil wird verwässert. Die Hauptversammlung wird für den
Tui-Vorstand daher kein Spaziergang, zumal auch der langjährige Partner Riu
nicht begeistert sein dürfte.
Ohne Zweifel ist es im Interesse des Unternehmens, die Staatshilfen mit einem
Rahmen von insgesamt 4,3 Mrd. Euro schnellstmöglich zurückzuzahlen. Denn der
Staat hat in der Coronakrise aus früheren Hilfspaketen, bei denen der
Steuerzahler viel Geld verloren hat, gelernt und seinen Beistand alles andere
als billig gewährt. Im Gegenteil: Zusätzlich zu üppigen Zinssätzen kam bei der
Tui noch eine sehr vorteilhafte Wandlungsoption hinzu. Die hohen Schulden mit
der entsprechenden Zinslast schränken die finanzielle Flexibilität des
Unternehmens für strategische Wachstumsinitiativen spürbar ein und verteuern
nicht zuletzt längerfristig auch die Refinanzierung des Unternehmens am
Kapitalmarkt.
Der Optimismus, den der Vorstand mit Blick auf den geschäftlichen Weg "zurück
zur Normalität" versprüht, wird allerdings gedämpft durch die Ankündigung, in
den kommenden Monaten nochmals auf die noch bestehende KfW-Kreditlinie, die
bisher nicht in Anspruch genommen wurde, zurückgreifen zu müssen. Immerhin saß
der Konzern Ende September auf liquiden Mitteln von 3,7 Mrd. Euro, die offenbar
schneller verbrennen, als Geld nachkommt. Dies deutet darauf hin, dass der
Konzern von einem wirklich normalen Geschäftsverlauf noch ein ganzes Stück
entfernt ist. Die Aktionäre müssen sich wohl auf eine weitere Geduldsprobe
einstellen, bis ihr langer Leidensweg tatsächlich ein Ende findet.
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