Der größte Bitcoin-Fonds der Welt kommt jetzt mit seinem ersten ETF nach Europa. Bitcoins finden sich allerdings nicht im Portfolio
18. Oktober 2022. MÜNCHEN (ETF Magazin). Selbstbewusst beschreibt Michael Sonnenshein sein Unternehmen: „Wir sind eine Gruppe aufgeweckter, schnell denkender, kluger und ethisch handelnder Menschen, die jeden Tag die Art und Weise neu gestalten möchten, wie ein Vermögensverwalter funktioniert.“ Sonnenshein ist CEO von Grayscale Investments. Gegründet 2013 in Stamford in Connecticut bei New York, beschäftigt Grayscale heute 70 Mitarbeiter und verwaltet rund 27 Milliarden US-Dollar.
Schon bei der Gründung vor neun Jahren waren Sonnenshein und seine Mitstreiter überzeugt, dass sich digitale Währungen zu einer anerkannten Anlageklasse entwickeln würden. „Damals standen wir mit unserer Meinung ziemlich allein da, aber wir hielten an unserer Überzeugung fest“, so Sonnenshein. Es sei allerdings eine Herausforderung, digitale Währungen zu kaufen, zu transferieren, sicher aufzubewahren und zu speichern. Aus diesem Grund legte Grayscale gleich nach der Gründung den Grayscale Bitcoin Trust auf, einen passiven Long-Only-Bitcoin-Fonds, der heute mit einem Volumen von rund 15 Milliarden US-Dollar der größte Bitcoin-Fonds der Welt ist. Anschließend hat man das Modell auf andere digitale Einzelwerte wie Ethereum oder Litecoin übertragen und schließlich kamen noch einige Themenfonds hinzu, etwa für Large Cap Digital Assets oder Defi Assets.
„Alle unsere Produkte folgen einem Produktlebenszyklus, der sich über mehrere Phasen erstreckt“, erklärt Sonnenshein. „Eingeführt werden sie zunächst als Privatplatzierungen für vermögende, zugelassene Investoren. Dann lassen wir sie an einer US-Börse listen, sodass jeder, der sich an der Privatplatzierung beteiligt, an einem Sekundärmarkt Liquidität erhält.“ Das mache die Produkte für institutionelle und private Anleger gleichermaßen zugänglich. In Phase drei unterwirft Grayscale seine Produkte der finanziellen Offenlegung und behördlicher Aufsicht und macht sie zu SEC-Berichtsunternehmen. „Grayscale war und wird immer ein Unternehmen sein, das um Erlaubnis bittet und nicht um Verzeihung. Ein Großteil unserer Marke und unseres Rufs beruht auf dem Aufbau guter Beziehungen zu den Aufsichtsbehörden“, versichert Sonnenshein.
Die vierte Phase soll – irgendwann – die Umwandlung der bestehenden Fonds in ETFs werden. Alle Investmentlösungen von Grayscale seien vom ersten Tag an als ETFs gedacht und in den entsprechenden rechtlichen Strukturen angelegt. Noch aber sind ETFs auf der Basis digitaler Währungen in den USA ebenso wenig möglich wie in Deutschland. Deshalb kommt Grayscale jetzt zunächst nicht mit einem Kryptofonds, sondern mit einem Aktien-ETF – der immerhin nah am Kryptothema ist. Der Grayscale-Future-of-Finance-ETF ist seit Mitte Mai in Frankfurt, London und Mailand gelistet. Statt um Kryptowerte geht es bei dem ETF um die digitale Finanzwirtschaft als Ökosystem, um das Zusammenfließen von Finanzen, Technologie und digitalen Vermögenswerten. „Das hat Auswirkungen auf die Art und Weise, wie wir arbeiten, wie wir kommunizieren, wie Werte bewegt werden, und es hat Auswirkungen auf die Ideen rund um Eigentum“, erklärt Sonnenshein. Worum es bei dem ETF im Einzelnen geht, erläutert er im Interview unten.
von Johannes Hofmann.
Der Grayscale-Chef erklärt, worum es beim Future-of-Finance-ETF gehtund welche Pläne seine Gesellschaft für das Europa-Geschäft hat.
Ihren ersten ETF bringen Sie unter der Überschrift „Digitale Finanzwirtschaft“. Ist das mehr als ein Modewort?
Auf jeden Fall. Der ETF nimmt das Ökosystem von Blockchain und digitalen Währungen als Ganzes in den Blick. Damit bieten wir Anlegerinnen und Anlegern Zugang zu Unternehmen, die für die Weiterentwicklung des Finanzsystems wichtig sind und dabei innovative Technologien einsetzen.
Was heißt das konkret?
Unternehmen, die für den ETF infrage kommen, müssen sich einem von drei Bereichen zuordnen lassen. Da sind zum einen die Financial Foundations, wie Börsen, Vermögensverwalter oder Makler, die als Treiber daran beteiligt sind, die digitale Wirtschaft zu ermöglichen. Zum anderen sind es Technology Solutions, die als Werkzeuge jene Technologie bereitstellen, um die digitale Wirtschaft durch die Verarbeitung von Daten und Transaktionen zu fördern. Und drittens schließlich gehört der Bereich Digital Asset Infrastructure dazu. Dazu zählen unter anderem die Miner für digitale Vermögenswerte und Unternehmen, die das digitale Ökosystem als Ganzes unterstützen.
Ist der ETF mit seinen 21 Aktien ausreichend diversifiziert?
Zugegeben, das Portfolio ist im Moment sehr schlank aufgestellt, aber die Begeisterung, mit der der ETF in den USA aufgenommen wurde, bestätigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Bei allen neuen Themen, wie etwa Cloud-Computing, war das investierbare Universum zu Beginn überschaubar und wurde dann im Lauf der Zeit größer.
Sie erwarten also, dass die Zahl der Portfolio-Titel steigt?
Es ist schwierig, darüber zu spekulieren, wie sich das Portfolio letztendlich entwickeln wird, aber ich gehe nicht davon aus, dass es so konzentriert bleibt, wie es heute ist. Wenn mehr und mehr dieser Unternehmen auf den Markt kommen, wird der ETF das geeignete Vehikel sein, um diese Chancen zu nutzen.
Warum kommen Sie jetzt nach Europa?
Nach den guten Erfahrungen, die wir mit dem ETF in den USA gemacht haben, bietet sich eine Übertragung auf Europa an. Wir haben den US-ETF eins zu eins übernommen, aber als UCITS-Fonds strukturiert. Wir sind der Meinung, dass die Auflegung als UCITS-Fonds die beste Voraussetzung ist, damit er in ganz Europa vertrieben werden kann. Und weil die USA in Sachen digitaler Wirtschaft schon etwas weiter sind, hoffen wir, mit dem ETF ein wenig zur Aufklärung bei diesen Themen beitragen zu können. Dazu gibt es im Moment in Europa eine wirklich überzeugende Gelegenheit.
Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?
Wir haben im Moment noch keine konkreten Pläne, wie es für uns auf dem europäischen Markt weitergehen wird. Unser Fokus liegt derzeit auf dem Grayscale-Future-of-Finance-ETF. Weil unser bisheriges Kerngeschäft stark auf digitale Vermögenswerte ausgerichtet ist, ist es allerdings grundsätzlich denkbar, dass wir künftig entsprechende Anlageprodukte nach Europa bringen.
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