ETFs nutzen geniale Prozesse für die permanente Handelbarkeit. Doch nur wenige Anleger wissen genau, wie der Handel hinter den Kulissen abläuft – und wie sie zu den besten Preisen kaufen und verkaufen. Das ETF Magazin bietet einen Einblick.
23. Mai 2023. MÜNCHEN (ETF Magazin). Wer in ETFs investiert, verbringt mit der Auswahl des geeigneten Produkts typischerweise mehr Zeit als mit dem Kauf oder Verkauf an sich. Zwei Klicks bei der Online-Bank – fertig. Aber wie kommen eigentlich die Preise zustande und woran erkennt man, ob ein ETF liquide ist? Wer sorgt dafür, dass der Handel reibungslos abläuft? Und worauf sollten Anleger bei der Ausführung von ETF-Orders achten?
Neben dem ETF-Anbieter selbst spielen im Markt vor allem drei Akteure die Hauptrollen: Market Maker, Designated Sponsor und Authorized Participant oder AP. Sie übernehmen unterschiedliche, ineinandergreifende Aufgaben. Ziel ist es, dass jeder ETF mit Kauf- und Verkaufspreisen versehen ist – auch wenn nicht alle Märkte geöffnet sind oder es an der Börse einmal etwas turbulenter zugeht.
Um in Deutschland einen ETF an der Börse zu registrieren, müssen die Fondsgesellschaften mit ETF-Market-Makern Kontakt aufnehmen. Auf Xetra, der größten europäischen Börse für ETFs mit derzeit rund 2.000 gelisteten Produkten, sind insgesamt 19 Market Maker registriert. Anders als im Aktienhandel, wo sich Käufer und Verkäufer direkt an der Börse treffen und damit den Kurs einer Aktie feststellen, sorgen im ETF-Handel die Market Maker dafür, dass die ETFs jederzeit mit einem Kauf- sowie Verkaufskurs versehen sind.
Die Kurse werden täglich vor Beginn des Handels neu berechnet. Beispiel für einen DAX-ETF: Der Anbieter des ETF stellt den Market Makern in Form der sogenannten Portfolio Composition Files (PCF) die genaue Zusammensetzung des ETF zur Verfügung. Aus dieser Datei geht die tagesaktuelle Gewichtung jeder einzelnen Aktie im DAX-ETF hervor. Damit sind die Market Maker in der Lage, den exakten – beziehungsweise inneren – Wert des ETF zu berechnen.
Auf dieser Basis legen sie die Kauf- und Verkaufskurse für den ETF fest. Diese Spanne wird Spread genannt und enthält alle Kosten, die bei dem Market Maker anfallen, wenn er die unterliegenden Wertpapiere kaufen oder verkaufen muss. Ebenfalls enthalten sind eventuelle Steuern oder Gebühren auf Fremdwährungsgeschäfte sowie der Ertrag, den der Market Maker erzielen will.
Anders als ein Market Maker, der ungebunden agieren kann, muss der Designated Sponsor nach den Vorgaben der Deutschen Börse handeln. Zu beachten sind beispielsweise Grenzen für maximale Preisspannen sowie Mindestgrößen für Handelsvolumina, um eine hohe Qualität bei der Bereitstellung von Liquidität zu gewährleisten. Mindestens ein Market Maker muss sich auch als Designated Sponsor registrieren lassen, damit ein ETF an der Börse gehandelt werden kann. Zurzeit arbeiten 14 der an Xetra registrierten Market Maker auch als Designated Sponsor. Häufig sind zwei bis drei Designated Sponsoren pro ETF registriert – etwa 80 Prozent der ETFs werden von mindestens zwei betreut.
Entscheidende Funktion: Authorized Participant
Eine dritte Rolle im ETF-Handel nimmt der Authorized Participant (AP) ein. Er hat das Recht, neue ETF-Anteile bei einem Anbieter zu zeichnen oder ETF-Anteile in dem sogenannten Creation-Redemption-Prozess zurückzugeben. In der Regel, aber nicht zwangsläufig sind Market Maker und Designated Sponsoren auch AP bei den ETF-Anbietern. Einige dieser Marktteilnehmer sind Unternehmen, die sich mit ihren Handelssystemen auf das Quotieren von ETFs spezialisiert haben. Nur wenige Banken verfügen über die technologischen Voraussetzungen, um ETFs in der benötigten Präzision zu berechnen und entsprechend an den Sekundärmärkten, also den Börsen oder alternativen Handelsplätzen, zu quotieren. Die Société Générale ist einer der größten ETF-Market-Maker in Europa und agiert an allen großen europäischen Börsen.
Einzigartiger Prozess
Es gibt im ETF-Business noch einen bedeutenden Unterschied zum Handel mit Aktien und zur Geldanlage in klassischen Investmentfonds: Der ETF-Handel gewinnt seine Liquidität vor allem durch den Creation-Redemption-Prozess, mit dem fortlaufend Nachfrage und Angebot ausgeglichen werden können.
Dieser Prozess läuft im Primärmarkt ab: Wenn ein Market Maker eine Kauforder für einen ETF erhält, den er nicht selbst im Bestand hat, dann kann er die gewünschte Anzahl an ETF-Anteilen „kreieren“ und so seine Lieferverpflichtung erfüllen. In der Rolle als AP zeichnet er bei dem ETF-Anbieter neue Anteile zum Net Asset Value (NAV), also zum Gesamtwert aller im ETF enthaltenen Wertpapiere. Im Ausgleich liefert der AP dann die notwendigen Aktien mit der passenden Gewichtung an den ETF-Anbieter. Diese Aktien hat der Market Maker bereits als Hedge-Position gekauft, als er die ETFAnteile an den Anleger verkauft hat.
Im Zuge dieser „Creation“ bekommt der ETF die Aktien, die er halten muss, um den Index abzubilden, und der Market Maker erhält die ETF-Anteile, die er an den ursprünglichen Käufer an der Börse liefern muss – in der Regel innerhalb von zwei Tagen. Spiegelverkehrt läuft der Vorgang, wenn die Nachfrage sinkt und Anleger ETF-Anteile verkaufen möchten. Dann werden im Zuge der „Redemption“ ETF-Anteile gegen Dax-Aktien zurückgetauscht.
Der Creation-Redemption-Prozess erlaubt es den Market Makern jederzeit, Kauf- und Verkaufskurse für die ETFs zu stellen. Ausschlaggebend ist immer der Markt, der für den jeweiligen ETF die Grundlage bildet – seien es Dax-Aktien, Unternehmensanleihen oder bestimmte Themen, wie Digitalisierung oder Cybersicherheit. Solange dieser Markt liquide ist, wird ein Market Maker in gewöhnlichen Marktphasen Preise für einen ETF stellen, unabhängig davon, ob man an der Börse zehn, 100 oder 1.000 Stück auf der Kauf- oder Verkaufsseite sieht.
ETF-Investoren könnten auch ein Vielfaches dieser Mengen handeln, da die Market Maker in der Rolle des AP durch den beschriebenen Primärmarkt-Mechanismus stets auf den unterliegenden Wertpapiermarkt zugreifen können. Dabei ist der unterliegende Primärmarkt sogar größer als der für alle Anleger sichtbare Handel des ETF im Sekundärmarkt – ähnlich einem Eisberg, dessen größter Teil sich unter der Wasseroberfläche befindet.
Regelmäßig faire Kurse
Bei ETFs mit höheren Volumina ist in der Regel auch der Handel aktiver, da deutlich mehr Käufer und Verkäufer im Orderbuch stehen. Die Liquidität eines ETF definiert sich also nicht nur über die Anzahl der Anteile, die man an der Börse sieht. Auch ETFs mit einem geringen ausstehenden Volumen können hochliquide gehandelt werden, solange der unterliegende Markt liquide ist.
Etwas komplexer ist der Prozess bei globalen Indizes. Da nicht immer alle Märkte gleichzeitig geöffnet sind, arbeiten die Market Maker mit Annahmen. Ihre Handelsprogramme berechnen die Aktien von geschlossenen Märkten mit Werten aus anderen Informationsquellen, etwa aus Futures-Märkten, die deutlich längere Handelszeiten haben als die unterliegenden Kassa-Märkte. Dies versetzt die Market Maker in die Lage, Preise für ETFs zu stellen – auch in volatilen Marktphasen.
Dank des einzigartigen Creation-Redemption-Prozesses sind ETFs bisher stets handelbar geblieben; teilweise mit weiteren Spreads, aber immerhin handelbar. Erhebungen von ETF-Anbietern zeigen, dass während volatiler Marktphasen sogar mehr Market Maker und APs aktiv sind als in normalen Zeiten, da der Handelsumsatz typischerweise mit der Volatilität am Aktienmarkt steigt. Grundsätzlich gilt: Sind die unterliegenden Märkte liquide, werden auch die entsprechenden ETFs liquide handelbar sein.
Verschiedene Wege
Im institutionellen Bereich findet ein großer Teil des Handels – teils bis zu 80 Prozent – im Over the Counter (OTC)-Segment statt. Die Investoren gehen dabei in direkten Kontakt mit Market Makern, sehr häufig über sogenannte Request-for-Quote-Plattformen. Dabei fragt der Investor mehrere Market Maker an, die er dazu in Konkurrenz setzt, und der beste Preis erhält in der Regel den Zuschlag. Investoren können auf diese Weise ihre „Best Execution“-Vorgaben erfüllen – wobei sich „Best Execution“ nicht nur über den Preis definiert. Durch die schiere Vielfalt europäischer ETFs, zusammen mit ihren einzigartigen Liquiditäts- und Risikomerkmalen, sind verschiedene Ausführungsstrategien durch die Marktteilnehmer entwickelt worden .
Im ETF-Handel gibt es allerdings nicht „den“ besten Weg. Es ist wichtig, sich vor der Ausführung der Geschäfte über die Auswirkungen zu informieren. Vor einem Auftrag sollten sich Anleger in jedem Fall mit dem infrage kommenden ETF beschäftigen: einerseits mit dem Index, den Kosten und den Performance-Daten sowie andererseits mit der Ausführung des Geschäfts – damit nicht wertvolle Basispunkte verloren gehen, die man vorher aufwendig in der Produktanalyse erarbeitet hat.
Bei Kauf und Verkauf eines ETF können Investoren zwischen drei grundsätzlichen Ausführungsmethoden wählen – abhängig vom Ordervolumen und ihren individuellen Bedürfnissen:
Risk-Price
Agency/Algo
Net Asset Value (NAV):
von Frank Mohr, Head ETF Sales Trading bei Société Générale Corporate and Investment Banking. Mai 2023, © ETF Magazin
Der Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe des ETF Magazins, dem Fachjournal für Profis und informierte Anleger*innen.
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