Nach dem Einbruch 2020 erholt sich Indiens Wirtschaft flott. Noch kräftiger steigen Unternehmensgewinne und Aktienkurse. Mit ETFs sind auch europäische Investoren dabei.
Ein Land der Gegensätze, auf dem Sprung vom Schwellen- zum Industrieland, in vielerlei Hinsicht weit im Rückstand, in einigen Bereichen weit vorn – Indien, die Heimat hervorragender Programmierer und IT-Manager, aber auch ein Staat mit einer unfassbar schlechten Infrastruktur. Die größte Demokratie der Welt, aber auch das Land der oft, wenn nicht zu oft, geplatzten Hoffnungen. Ein Riesenstaat mit einem überforderten Gesundheitssystem, aber auch der Sitz des Impfstoff-Produzenten Bharat Biotech, der gerade nicht nur zig Millionen Impfdosen an die eigenen Landsleute verteilt, sondern ebenso viele an Menschen in anderen Staaten, vor allem in den Entwicklungs- und Schwellenländern.
Noch vor wenigen Wochen rauschte die Pandemiewelle über Indien hinweg. Ende April infizierten sich in der Spitze täglich rund 400000 Menschen neu mit dem Coronavirus. Mitte August gab es täglich „nur“ noch rund 30000 Infizierte – bei einer Gesamtbevölkerung von 1,4 Milliarden Menschen. Nicht ganz so positiv verläuft die Impfkampagne. Mitte August waren erst neun Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft. „Im besten Fall werden bis Jahresende wohl rund die Hälfte der Erwachsenen alle zwei Impfdosen erhalten haben“, fürchten die Analysten von Raiffeisen Capital Management aus Wien.
Trendwende vollzogen
Bei der indischen Wirtschaft hinterlässt das langsame Impftempo bislang jedoch kaum Spuren. Im Gegenteil: Nach dem starken pandemiebedingten Einbruch der indischen Wirtschaft von acht Prozent im Vorjahr rechnen Branchenbeobachter für dieses Jahr mit einem Plus von acht Prozent. Damit wäre Indien an der einstigen Wachstumslokomotive China vorbeigezogen. Volkswirtschaftlich überraschte das Wachstum im letzten Quartal des im März beendeten Haushaltsjahrs 2020/21 mit einem Plus von 1,6 Prozent. Die nationale Statistikbehörde hatte ein Schrumpfen um rund ein Prozent prognostiziert. Branchenbeobachter sind zuversichtlich, dass die Trendwende geschafft ist. Getragen wurde sie vor allem vom produzierenden Bereich und vom Außenhandel.
Aussicht auf satte Gewinne
Die Zuversicht spiegelt sich am Aktienmarkt wider. Der indische Aktienindex Sensex legte auf Sicht eines Jahres um 49 Prozent zu. Doch es dürfte noch mehr drin sein. Vor allem Investoren aus den Emerging Markets haben Indien aktuell im Blick. „Wir sehen uns den Markt sehr genau an und steigen derzeit vermehrt ein“, sagt Aisa Ogoshi. Die erfolgreiche Portfolio-Managerin von JPM Asset Management ist auf dem nach der Corona-Pandemie sonst stets teuer bewerteten indischen Markt auf Schnäppchenjagd.
Indien profitiert von der Erholung der Weltwirtschaft. Und das in vielen Bereichen. Etwa in der Informationstechnologie: Um durchschnittlich zehn Prozent stiegen die IT-Exporte in den vergangenen fünf Jahren. Künftig dürfte das Tempo anziehen. Gleiches gilt für Generika. Rund ein Fünftel aller Generika weltweit werden in Indien produziert. Die USA kaufen 40 Prozent ihrer Generika auf dem Subkontinent. Die Exporte dürften selbst dann noch steigen, wenn Staaten ihre Überlegungen in die Tat umsetzen, die Zulieferung systemrelevanter Produkte künftig näher an ihrem eigenen Land anzusiedeln. Die Nachfrage ist schon jetzt größer als das Angebot. Doch nicht nur im Export gibt es gute Perspektiven für indische Unternehmen. Auch in der Heimat wird der Markt immer größer, schon aufgrund der Demografie. Indien ist jung, sehr jung. Mehr als 65 Prozent aller Inder sind jünger als 35 Jahre. Und im Gegensatz zu China wächst die Bevölkerung weiterhin kräftig. In den nächsten 50 Jahren wird allein die arbeitende Bevölkerung Indiens um mindestens 30 Prozent zunehmen, schätzen die Statistiker der Vereinten Nationen.
Gleichzeitig wird auch in Indien die Mittelschicht immer breiter. Schon in zehn Jahren werden ihr schätzungsweise 1,2 Milliarden Menschen angehören, viermal so viele wie heute. Aktien wie die des indischen Autobauers Tata Motors und des IT-Spezialisten Infosys profitieren von der steigenden Konsumnachfrage im eigenen Land und auf den Exportmärkten. Ihre Auftragsbücher sind rappelvoll.
Beeindruckende Gewinne
Der Corona-Crash führte auch in Indien zu einem abrupten Ende der Börsenparty. Doch die Katerstimmung währte nicht lange. Seit dem vergangenen Frühjahr klettern die Kurse an der Börse in Bombay immer schneller nach oben. Selbst die in Indien entdeckte Delta-Variante des Virus konnte den neuen Höhenflug nur kurz stoppen. Einiges spricht dafür, dass die Kurse noch höher steigen.
Dynamische Wirtschaft
Die Corona-Pandemie hat in Indien zu einem dramatischen Einbruch der Wirtschaft geführt. Das Bruttoinlandsprodukt ging um zehn Prozent zurück, deutlich stärker als in den meisten anderen Schwellenländern. Doch auch die Erholung verläuft rasant. Nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds wird Indien schon 2021 stärker wachsen als China und andere Emerging Markets.
Aussichtsreiche Investments
Das wird sich in höheren Unternehmensgewinnen niederschlagen. Den Analystenprognosen von MSCI und IBES zufolge dürften die Gewinne indischer Unternehmen in diesem Jahr um acht Prozent steigen. In den kommenden zwei Jahren werden gar Wachstumsraten von 37 Prozent und 17 Prozent prognostiziert. Im Schnitt macht das bis zum Jahr 2023 ein jährliches Gewinnwachstum von 12,5 Prozent.
Doch ganz gleich, wie attraktiv indische Aktien auch sein mögen, für europäische Anleger sind sie oft schwer zu handeln. Selbst an der New Yorker Börse notierte indische Aktien sind nicht immer liquide. Einfacher und preiswerter geht es mit günstige Indien-ETFs. An Xetra, der Handelsplattform der Deutschen Börse, werden derzeit sechs ETFs für indische Aktien gehandelt.
Vier dieser Fonds bilden den MSCI-India-Index ab, der mit seinen rund 100 Mitgliedern ungefähr 85 Prozent der Marktkapitalisierung der indischen Aktienwelt repräsentiert. Ein weiterer ETF folgt dem Nifty-50-Index, in dem sich die 50 größten indischen Aktien befinden. Leider sind diese fünf Indien-ETFs mit überdurchschnittlich hohen Kosten von 0,65 Prozent bis 0,85 Prozent belastet. Als kostengünstigere Alternative kommt nur der Franklin-FTSE-India-ETF infrage. Der für diesen ETF verwendete FTSE-Index enthält rund 170 indische Aktien und entwickelt sich sehr ähnlich wie der MSCI-India-Index. Die Gesamtkostenquote des Franklin-ETF beträgt jedoch nur 0,19 Prozent. Diese niedrigen Kosten sind auf für Anleger auf jeden Fall von Vorteil.
September 2021, © ETF Magazin
Dieser Artikel stammt aus dem aktuellen ETF Magazin. Das ETF Magazin erscheint quartalsweise in Zusammenarbeit mit Focus Money und richtet sich an Berater, Vermögensverwalter und Portfoliomanager, ist aber sicher auch für informierte Anleger interessant.
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