Die Zinswende ist weiter nicht in Sicht, trotz kräftig gestiegener Inflation. Die Renditen fallen sogar wieder. Im Handel mit Unternehmensanleihen fliegen Tourismus-Bonds aus den Portfolios.
16. Juli 2021. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Die US-Inflation im Juni so hoch wie zuletzt 2008, in Deutschland im Mai so hoch wie zuletzt 2011. Doch nach einem Gegensteuern der Notenbanken sieht es weiter nicht aus – zur Freude der Kapitalmärkte. „Die Zinserhöhungsängste sind komplett weg“, bemerkt Rainer Petz von Oddo BHF. „Fed-Chef Powell hat die Inflation gerade wieder als vorübergehend bezeichnet.“ Nicht nur die Notenbanken sehen den jüngsten Anstieg der Inflation als lediglich temporäres Problem: „Offensichtlich teilen die Investoren mehr und mehr die Sichtweise der Zentralbanken“, erklärt Anleihenanalyst Hauke Siemßen von der Commerzbank. So seien die am Markt gehandelten Inflationserwartungen sowohl in den USA als auch im Euroraum gefallen. „Der Fokus des Marktes richtet sich auf den wahrscheinlichen Rückgang der Inflationsraten im kommenden Jahr, wenn die Basiseffekte durch die Angebotsengpässe überwunden sind.“ Zehnjährige Bundesanleihen rentieren wieder nur mit minus 0,33 Prozent, im Mai hatten sich die Renditen noch der Nulllinie genähert. In den USA liegt die Rendite für zehnjährige Treasuries aktuell bei 1,33 Prozent, nach fast 1,78 Prozent im Frühling.
„Stabilitätspolitik à la Bundesbank schmilzt wie Eis in der Sonne“
Mit Spannung erwartet wird das Treffen der Europäischen Zentralbank am kommenden Donnerstag. Nachdem nun auch die EZB sich auf ein „symmetrisches Inflationsziel“ von 2 Prozent ausrichten will (anstelle des alten „unter, aber nahe 2 Prozent“), könnten nun Details bezüglich der künftigen Anleihekäufe bekannt gegeben werden.
„Laut EZB-Chefin Lagarde wird es keine frühe geldpolitische Straffung wie in der Vergangenheit geben“, bemerkt Robert Halver von der Baader Bank. „Die alte von der Bundesbank übernommene Stabilitätspolitik schmilzt wie Eis in der Sonne.“ Er hält auch nichts von einer Berücksichtigung des Klimaschutzes durch die EZB, dafür habe sie kein Mandat. „Insgesamt haben alle großen Notenbanken keine Hemmungen mehr, alle Alibis zu nutzen, um ihre üppige Geldpolitik fortzusetzen“, meint Halver. Böswillig könne man auf die Idee kommen, dass die Notenbanken steigende Preise gar nicht mehr bekämpfen wollten, sondern fördern. „Denn liegen die Kreditzinsen unterhalb der Inflation, wird Verschuldung künstlich und ohne eigene Anstrengung abgebaut.“
Halver
Wieder steigende Corona-Zahlen belasten Touristikbranche
Im Handel mit Unternehmensanleihen machen sich diese Woche die schlechten Nachrichten aus der Tourismusindustrie bemerkbar. „Wegen der wieder steigenden Corona-Zahlen ist alles, was mit Tourismus zu tun hat, unter Druck geraten“, berichtet Petz. Deutlich gefallen sei zum Beispiel eine TUI-Wandelanleihe. Diese wurde noch im Juni noch zu 113 Prozent gehandelt, aktuell sind es nur noch 96 Prozent.
Württembergische und Hella gefragt
Gefragt sind hingegen Hybridanleihen der Württembergischen Lebensversicherung (XS1064049767) mit Laufzeit bis 2044 und Kupon von 5,25 Prozent, wie Beate Mägerle von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank berichtet. Käufe meldet die Händlerin auch für 2024 fällige Papiere von Hella (XS1611167856) mit Kupon von 1 Prozent.
von: Anna-Maria Borse
16. Juli 2021, © Deutsche Börse AG