Marktstimmung: "Ein Paradigmenwechsel?"

Draghi spricht, der DAX verliert und die hiesigen Anleger verzichten diesmal auf Gewinnmitnahmen, drängen stattdessen noch stärker auf die Short-Seite. Goldberg sieht dennoch den Markt weiter gut gestützt - unter einer Bedingung.
Für Goldberg war der angedeutete Richtungswechsel der EZB in der Geldpolitik Auslöser für die Verhaltensänderung der Anleger. Allerdings sieht der Verhaltensökonom den Index weiterhin gut gestützt. Er rechnet bei 12.500 bis 12.600 Punkten mit Gewinnmitnahmen, d.h. Glattstellungen durch Aktienkäufe seitens der Pessimisten, die im Moment die Hälfte der Profis ausmachen. Allerdings unter der Voraussetzung, das ausländische Kapitalabflüsse ausblieben. Indiz dafür wäre ein Stand des Euro über 1,11 US-Dollar.
28. Juni 2017. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Es war die Rede Mario Draghis zur Eröffnung der Notenbankkonferenz im portugiesischen Sintra, die nicht nur für viele Börsianer eine Änderung der Sicht auf die Finanzmärkte gegeben haben mag. Denn der EZB-Präsident hatte eine Bereitschaft zur Anpassung der Geldpolitik der Zentralbank angesichts der anhaltenden Konjunkturerholung angedeutet. So erklärte Draghi überraschenderweise, dass die deflationären Kräfte, die die Teuerung belasteten, durch preissteigernde, reflationäre Faktoren ersetzt worden seien. Andererseits gäbe es temporäre Faktoren, die den Inflationspfad belasteten, über die eine Zentralbank (Anm: mit einem Male) typischerweise hinwegsehen könnte - etwa die Entwicklung der Rohölpreise.
Auch wenn der EZB-Präsident einem schnellen Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik eine Absage erteilte, wurde das Statement Draghis von den Akteuren an den Finanzmärkten als falkenhafter Richtungswechsel interpretiert. In der Folge machte nicht nur der Euro einen Sprung gegenüber dem US-Dollar, sondern auch der DAX musste einen Verlust von 1,3 Prozent im Vergleich zur Vorwoche hinnehmen und notierte damit zwischenzeitlich 3,2 Prozent unter seinem Allzeithoch von vor acht Tagen.
Für viele der von uns allwöchentlich befragten mittelfristig orientierten institutionellen Investoren dürfte diese DAX-Korrektur höchst willkommen gewesen sein, denn eine stattliche Mehrheit hatte bereits in der Vorwoche auf fallende Kurse gesetzt. Die große Frage war nun, ob sich die besagten Akteure mit dem mittlerweile aufgelaufenen Gewinn zufrieden geben und letztlich nur von einem vorübergehenden Börsengewitter oder doch von einem Trendwechsel ausgehen würden.
Das Ergebnis unserer heutigen Stimmungsumfrage ist diesbezüglich recht deutlich ausgefallen. Denn der Börse Frankfurt Sentiment-Index ist noch einmal um 7 Punkte gefallen und liegt mit einem Stand von -27 Punkte so niedrig wie zuletzt im April 2010 - weniger als ein Viertel aller Befragten vertritt derzeit noch eine bullishe Meinung.
Dass die pessimistische Mehrheit der Investoren zu großen Teilen zurzeit auf eine (verglichen mit anderen Rücksetzern des DAX in diesem Jahr) durchaus attraktive Realisierung ihrer Gewinne verzichtet, ist auf den ersten Blick erstaunlich. Zumal das Gros dieser Investoren Absicherungen auf recht hohem Niveau vorgenommen haben dürfte. Möglicherweise wird die nunmehr auch von langfristig orientierten Analysten wahrgenommene mögliche Richtungsänderung der EZB auch als Paradigmenwechsel für die Aktienmärkte gedeutet.
Risikobewusste Privatanleger
Auch bei den Privatanlegern hat sich die Stimmung noch einmal verschlechtert, wenn auch nicht im gleichen Ausmaß wie bei ihren institutionellen Pendants. Der Börse Frankfurt Sentiment-Index fiel noch einmal um 5 Punkte auf einen Stand von -19 Punkten und damit auf das niedrigste Niveau seit August 2013.Vieles spricht dafür, dass die jüngste Abwärtsbewegung durch die neuen bearishen Engagements in die Schwäche weitestgehend hausgemacht ist. Sowohl absolut, aber auch im relativen Halbjahresvergleich befindet sich damit die Stimmung der Investoren auf einem ausgesprochen niedrigen Niveau. Damit bleibt der DAX aufgrund der noch zu realisierenden Kursgewinne - wir schätzten das Niveau für einen Wiedereinstieg bearisher Akteure in der vergangenen Woche je nach Einstandspreis etwa 3 Prozent unter dem Allzeithoch, also zwischen 12.500 und 12.600 Zählern - letztendlich gut nachgefragt. Dies gilt zumindest, solange das Börsenbarometer nicht durch ausländische Kapitalabflüsse zusätzlich belastet wird. Doch wird dieser Fall vermutlich solange nicht eintreten, wie der Euro gegenüber dem US-Dollar stabil (über 1,11 US-Dollar je Euro) bleibt.
Die Stimmen der professionellen Teilnehmer wurden bislang von privaten Anlegern ergänzt, die unter den aktivsten Tradern verschiedener Online-Broker rekrutiert wurden. Diesen Teil des Sentiment-Index stellt die Börse Frankfurt nun auf breitere Füße.
Alle interessierten Anleger sind aufgerufen mitzumachen. Es dauert nur 15 Sekunden. Sie bekommen jeden Dienstag eine E-Mail mit einem Umfrage-Link. Ein Klick und fertig. Dafür erhalten Sie die Ergebnisse der Analyse sofort per E-Mail zugesandt.
Möchten Sie teilnehmen? Dann schreiben Sie einfach eine E-Mail an sentiment@deutsche-boerse.com.
Börse Frankfurt Sentiment-Index


Institutionelle Anleger
Bullish | Bearish | Neutral | |
---|---|---|---|
Total | 24% | 51% | 25% |
ggü. letzter Erhebung | -3% | +4% | -1% |
DAX (Veränderung zu vergangener Woche): 12.570 (-160 Punkte)
Börse Frankfurt Sentiment-Index Institutionelle Anleger: -27 Punkte (Stand Vorwoche: -13 Punkte)
DAX-Entwicklung im betrachteten Zeitraum

Private Anleger
Bullish | Bearish | Neutral | |
---|---|---|---|
Total | 32% | 51% | 17% |
ggü. letzter Erhebung | -2% | +3% | -1% |
DAX (Veränderung zu vergangener Woche): 12.570 (-160 Punkte)
Börse Frankfurt Sentiment-Index Private Anleger: -19 Punkte (Stand Vorwoche: -14 Punkte)
Über den Börse Frankfurt Sentiment-Index
Der Börse Frankfurt Sentiment-Index bewegt sich zwischen -100 (totaler Pessimismus) und +100 (totaler Optimismus), der Übergang von positive in negative Werte markiert die neutrale Linie.
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