Völlig „out“ sind sichere Staatanleihen dann doch nicht. Im Gegenteil: Diese Woche sind sie wieder gefragt, und die Renditen sinken. Im Unternehmensbereich wird nach günstigen Hybridanleihen Ausschau gehalten.
13. Mai 2022 Frankfurt (Börse Frankfurt). Noch vor kurzem kletterten die Renditen rasant nach oben. Zuletzt ging es aber wieder nach unten. Inflation und straffere Geldpolitik bleiben zwar wichtige Themen, jetzt dominieren aber die Rezessionssorgen. Staatsanleihen als sichere Häfen sind wieder gesucht. „Es war eine echte Achterbahnfahrt diese Woche – für Anleihen, Aktien und Kryptowährungen“, erklärt Arthur Brunner von der ICF Bank. „Insgesamt bleibt der Anleihenmarkt angeschlagen“, stellt Tim Oechsner von der Steubing AG fest. Speziell am Mittwoch rund um die Veröffentlichung der neuen US-Inflationszahlen seien die Schwankungen hoch gewesen. Auch Gregor Daniel von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank berichtet von einer hohen Volatilität im Markt.
Zehnjährige Bundesanleihen rentieren aktuell wieder nur mit 0,89 Prozent. Das ist deutlich unter den am Montag markierten 1,19 Prozent. Die Rendite zehnjähriger US-Treasuries ist wieder unter die 3 Prozent-Marke gefallen, am Freitagmittag sind es 2,88 Prozent.
„Volatilität wird hoch bleiben – nicht nur am Rentenmarkt“
Dabei hätten die jüngsten US-Inflationszahlen für weiter steigende Renditen sorgen können. Denn die Inflation in den USA lag im April immer noch bei 8,3 Prozent. Das war zwar ein Rückgang gegenüber den 8,5 Prozent im März. Am Markt war aber mit einem deutlicheren Rückgang gerechnet worden. Außerdem setzten sich die Signale der Notenbanken hinsichtlich einer strafferen Geldpolitik fort – in den USA, aber auch in der Eurozone. EZB-Chefin Christine Lagarde stellte diese Woche eine Leitzinserhöhung im Sommer in Aussicht. Die Anhebung könne wenige Wochen nach dem Ende der Anleihenkäufe erfolgen, erklärte sie.
Nach Einschätzung von Ralf Umlauf von der Helaba ergeben die Inflations- und Zinssorgen auf der einen Seite und die Risiken wegen des Ukrainekrieges und der chinesischen Lieferprobleme auf der anderen Seite eine herausfordernde Mischung. „Die Volatilität könnte in den kommenden Tagen und Wochen erhöht bleiben, nicht nur am Rentenmarkt.“
Hybridanleihen: günstige Einstiegsgelegenheit?
Im Handel mit Unternehmensanleihen sind Hybridanleihen wieder gefragt, wie Brunner bemerkt. „Die niedrigeren Kurse werden für Käufe genutzt.“ In den Portfolios landen zum Beispiel Bonds der BayWa (<XS1695284114>) und von VW (XS1048428442).
Papiere von Immobiliengesellschaften werden weiter gemieden, wie Brunner erklärt – zumindest die meisten. Hintergrund ist der angekündigte Milliardenverlust des Immobilienkonzerns Adler Group. Der Berliner Bauentwickler Terragon (DE000A2GSWY7) hatte zudem vergangene Woche um eine Zinsstundung gebeten. Gegen den Trend gefragt ist die Anleihe der Preos Global Office Real Estate & Technology mit Kupon von 7,5 Prozent und Fälligkeit 2024 (DE000A254NA6).
Brunner
Katjes und Schalke weiter gefragt
Beliebt bleiben Brunner zufolge außerdem die Anleihen von Katjes International (DE000A2TST99) ebenso wie die Schalke-Anleihe (DE000A3MQS49). „Mit dem Aufstieg von Schalke in die Bundesliga erhalten Anleihehalter einen Aufstiegsbonus von 2 Prozent, der Anfang August ausgezahlt werden soll“, erklärt der Händler.
Gregor Daniel meldet Käufe in einer auf türkische Lira lautenden Null-Kupon-Anleihe der European Bank for Reconstruction and Development, die 2026 fällig wird und aktuell um 35 Prozent gehandelt wird (XS2034314224). „Das ist schon sehr auffällig.“ Umsätze auf beiden Seiten sieht er in einer Grenke Finance-Anleihe (<XS1799162588>). „Hintergrund könnte sein, dass das Unternehmen diese Woche Investoren und Kreditgebern seine Wachstumsstrategie präsentiert hat.“
Neue EU-Anleihen vielfach überzeichnet
Am Markt für Neuemission war es eher ruhig. „Investoren warten ab“, erläutert Oechsner. Es kamen zwar neue Unternehmensanleihen, etwa von Orange, Unilever, Volvo und Traton, allerdings alle mit Mindestanlagesumme von 100.000 Euro. Nicht immer sei das Interesse groß gewesen: „Bei Traton (DE000A3K5G19) waren die Bücher kaum überzeichnet.“
Oechsner
Auf sehr viel Zuspruch stieß Oechsner hingegen eine neue EU-Anleihe mit Kupon von 0,8 Prozent und Laufzeit bis 2025 (EU000A3K4DJ5). Auch die Aufstockung einer im vergangenen Jahr emittierten Anleihe mit Kupon von 0,7 Prozent und Laufzeit bis 2051 (EU000A3KTGW6) kam sehr gut an. „Sie waren acht- bzw. zwölffach überzeichnet.“
von: Anna-Maria Borse, 13. Mai 2022, © Deutsche Börse AG
Anna-Maria Borse ist Finanz- und Wirtschaftsredakteurin mit den Schwerpunkten Finanzmarkt/Börse und volkswirtschaftliche Themen.
Feedback und Fragen an redaktion@deutsche-boerse.com
Borse