Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen wirken in vielen Branchen wie ein Gewinn-Turbo. Mit welchen ETFs sich schon heute das Potenzial erschließen lässt, weiß das ETF Magazin.
12. Juli 2023. MÜNCHEN (ETF Magazin). Wenn von Künstlicher Intelligenz die Rede ist, können die Superlative gar nicht groß genug sein: Es ist der bedeutendste technologische Wandel, den wir zu unseren Lebzeiten sehen werden, versichert Microsoft. Es kommt eine Revolution, deren Veränderungen größer sein werden als die der drei vorherigen, einschließlich der industriellen Revolution, sagt der Chef von OpenAI, der Firma hinter ChatGPT. 15,7 Billionen Dollar könnte künstliche Intelligenz bis 2030 zur Weltwirtschaft beitragen, prognostizieren die Experten der Unternehmensberatung PWC – mehr als das jährliche Brutto-Inlandsprodukt von China und Indien zusammengenommen.
Maßlos übertrieben? Wer sich näher mit dem Thema Künstliche Intelligenz und Machine Learning befasst, kommt schnell zu einem ähnlichen Schluss: KI wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnte zu disruptiven Umwälzungen führen – und zahlreiche Unternehmen werden davon gewaltig profitieren. Einige Gewinner sind schon jetzt erkennbar und werden an der Börse gespielt. Nvidia, Microsoft, Amazon, Alphabet, Adobe, Oracle: Eine wesentliche Triebkraft der jüngsten Rally an den US-Börsen waren die Spitzenkursgewinne einiger weniger Aktien, die offensichtlich vom KI-Boom profitieren werden. Doch da geht noch mehr, denn es sind nicht nur die bekannten US-Technologie-Champions, denen KI zum Erfolg verhelfen dürfte. Viele werden profitieren und mit den richtigen ETFs sind Anleger*innen mit im Boot.
Der wichtigste Grund für das große Potenzial der Technologie: Jetzt setzt sich immer stärker die sogenannte Generative KI durch. Während Künstliche Intelligenz bisher mit Hilfe von Algorithmen intelligente Aufgaben erledigte, die normalerweise menschliches Denken erfordern, kommt jetzt mehr und mehr das maschinelle Lernen dazu. Diese Technik ermöglicht es Computern, ohne explizite Programmierung aus Daten zu lernen, Muster zu erkennen, sich anzupassen und eigene Lösungen zu entwickeln.
Künstliche Intelligenz – das sei die ultimative Entfesselung von Big-Tech, diagnostizierte kürzlich das Manager Magazin. Da ist was dran, denn KI wirkt in der Tat wie eine Entfesselung der Maschinen: Generative KI versetzt Computer in die Lage, aus vorhandenen Daten neue Inhalte zu schaffen – ganz gleich, ob Bilder, Texte, Audio oder Video. Das neue Modell GPT-4 von OpenAI erkennt etwa mit Hilfe eines Bildes aus dem Inneren eines Kühlschranks, welche Inhalte sich darin befinden, und kann dann Vorschläge machen, was man damit kochen könnte.
Unbegrenzte Möglichkeiten
Ganz entscheidend für das Potenzial der Technologie ist, dass KI nicht auf einen Wirtschaftszweig begrenzt ist, sondern überall, wirklich überall eingesetzt werden kann – und eingesetzt werden wird. KI ermöglicht Mercedes eine vernetzte Produktion. Amazon verknüpft für BMW über 120 Fabriken und 20000 Zuliefererbetriebe und verarbeitet die Daten von Millionen BMW-Fahrzeugen. Der Pharmakonzern Novo Nordisk aus Dänemark nutzt bereits heute die KI von Microsoft, um seine Forschung zu beschleunigen. Auch Moderna, bekannt für seinen Covid-19-Impfstoff, will Quantencomputer und KI von IBM einzusetzen, um neue mRNA-Medikamente zu entwickeln.
In der zeit- und kostenaufwendigen Pharmaforschung könnte sich der KI-Einsatz richtig lohnen. Einen neuen Wirkstoff zu entwickeln und zur Marktreife zu bringen, kann Milliarden kosten. KI kann da gut helfen, weil die Entwicklung neuer Arzneimittel auf riesigen Datenmengen beruht. Diese lassen sich durch automatisierte Algorithmen sehr viel schneller und effizienter auswerten als mit herkömmlichen Verfahren.
Markt vor Verzehnfachung
Investoren und Investorinnen, die von dem Siegeszug der Künstlichen Intelligenz profitieren wollen, müssen vor allem eine Frage richtig beantworten: Welche (heute vielleicht noch gut laufenden) Tech-Unternehmen werden im KI-Wettbewerb abgehängt und welche werden die Sieger von morgen sein? Zu den frühen Profiteuren werden nicht nur ein paar Software-Anbieter und Computerfirmen wie Microsoft, Oracle oder IBM gehören.
Mächtig Rückenwind haben auch Unternehmen, die schon heute die Hacken und Schaufeln für die KI-Goldgräber liefern: Das sind die Produzenten und die Ausrüster der Chip-Branche wie Nvidia und ASML. Das sind Anbieter von Netzwerklösungen wie Cisco und es sind natürlich auch Cloud-Computing-Dienstleister wie Amazon und viele andere. Insgesamt 13 Branchen haben die Analysten der Bank of America ausgemacht, die besonders stark vom KI-Trend profitieren werden. Ihre Liste reicht von Software- und Halbleiterfirmen, Banken, Fintechs und Pharmaherstellern über die Betreiber und Zulieferer von Datencentern, Cybersicherheit und Suchmaschinen bis zur Telemedizin und zu Medien, Musik und Bildung.
Die Aussichten sind mehr als verlockend. Nach den Prognosen des US-Marktforschungsunternehmens Precendence dürfte sich das direkte Geschäft mit künstlicher Intelligenz als der wachstumsstärkste Markt aller Zeiten herausstellen. Nach dieser Prognose steigt das weltweite Umsatzpotenzial bis zum Jahr 2030 auf sagenhafte 1,6 Billionen US-Dollar – fast eine Verzehnfachung im Vergleich zu heute.
Mit rund 35 auf Xetra gehandelten ETFs lässt sich das verlockende Potenzial erschließen. Auf dem Kurszettel stehen drei Branchen-ETFs für Aktien der Chip-Produzenten sowie ein ganzer Schwung spezieller – und mitunter noch recht junger – Themen-ETFs. Sie enthalten Aktien zu den Bereichen Cloud-Computing, Cyber Security, Roboter und Automatisierung sowie zu noch spitzeren Themen wie digitale Infrastruktur, FinTech-Innovation oder Telemedizin.
Einen dezidierten Fokus auf KI-Gewinner haben bislang übrigens nur fünf ETFs. Um das zu signalisieren tragen sie bereits den Begriff Artificial Intelligence in ihrem Namen. Amundi, Global X, L&G, WisdomTree und die DWS bieten diese KI-Fonds an. Der Xtrackers-Artificial- Intelligence-Big-Data-ETF der DWS ist der älteste und größte ETF in dieser Kategorie.
Elementare Bausteine
Computer-Chips sind Winzlinge, die man oft mit der Lupe suchen muss. Doch ohne besonders leistungsfähige Vertreter dieser Spezies sind moderne KI-Anwendungen nicht möglich.
Das Training der neuesten KI-Systeme ist extrem rechenintensiv und je mehr KI-Anwendungen entwickelt werden, desto größer der Bedarf. Eindeutige Profiteure sind die Chip-Hersteller. Das zeigt eindrücklich die Gewinn- und Aktienkursexplosion des US-Produzenten Nvidia. Doch auch bei ASML, Taiwan Semiconductor und anderen läuft es rund. 25 solcher Aktien stecken im Vaneck Semiconductor ETF. Der vor zweieinhalb Jahren aufgelegte ETF konzentriert sich auf Chip-Produzenten, definiert als „Unternehmen, die mindestens die Hälfte ihres Umsatzes mit Halbleitern oder verwandten Aktivitäten erwirtschaften“. Die größten Positionen sind Nvidia, Broadcom und ASML. Die bringen Anlegern fette Gewinne. Allerdings ist dieser ETF ist nichts für zittrige Hände. In diesem Jahr legte der Kurs schon um satte 50 Prozent zu. 2021, im ersten Jahr nach seiner Auflegung, stieg der Wert des Portfolios um fast 60 Prozent. Im vergangenen Jahr ging der Kurs dagegen um gut 30 Prozent zurück.
ETF-Name | ISIN | Fondsvermögen | laufende Kosten |
Vaneck Semiconductor | 938 Mio. Euro | 0,35 Prozent |
Club der Giganten
Mit einem staatlichen Vermögen von fast 800 Millionen Euro ist der Xtrackers-Artificial-Intelligence-and-Big-Data-ETF der mit Abstand größte ETF, der hierzulande explizit auf die KI-Gewinner zielt. Auch in Bezug auf die Rendite spielt der ETF der Frankfurter Fondsgesellschaft DWS ganz vorn mit. Auf Dreijahressicht ergibt sich ein durchschnittlicher jährlicher Zuwachs von mehr als 18 Prozent. Dazu kommen niedrige laufende Kosten mit 0,35 Prozent pro Jahr. Der ETF zielt auf Unternehmen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit steigende Gewinne aus Entwicklungen wie Deep Learning, Cloud-Computing, Bild- und Spracherkennung, Sprachverarbeitung, Chatbots und verwandten Themen erzielen oder erzielen werden. Interessant: Der bereits vor mehr als vier Jahren aufgelegte ETF verwendet selbst KI-Technologie, um aussichtsreiche Unternehmen und Aktien zu identifizieren.
Die Basis für den ETF vor dem Start des Auswahlprozesses sind die rund 1.200 Aktien im Nasdaq Yewno Global Disruptive Technology Benchmark Index. Diese werden im ersten Schritt mit Blick auf eine ausreichende Liquidität gefiltert. Dann kommt ein KI-basierter Filter-Prozess zum Einsatz. Dieser basiert auf Schlüsselwörtern und einer Analyse von Patentdatenbanken. Bei der Analyse werden die Patente themenübergreifend mit den Schlüsselwörtern verknüpft. Ein weiterer Filter prüft dann, ob der Unternehmensumsatz und die Aktivität der Aktiengesellschaft in wichtigen Subsegmenten passen. Der endgültige Index für den ETF kann maximal 100 Aktien enthalten. Aktuell finden sich 80 Titel im ETF-Portfolio.
Neben vielen KI-Spezialisten hält der ETF auch Aktien von Unternehmen aus dem Bereich Datenverarbeitung und -sicherheit. Unter den Top-Positionen findet sich das Who-is-Who der Technologiebranche: Microsoft, Apple, Alphabet, Amazon, Meta und allen voran Nvidia mit mehr als neun Prozent Anteil am Gesamtportfolio. US-Aktien mit hohem Börsenwert belegen denn auch fast das komplette Portfolio.
ETF-Name | ISIN | Fondsvermögen | laufende Kosten |
Xtrackers Artificial Intelligence & Big Data | 766 Mio. Euro | 0,35 Prozent |
Schutz vor Mißbrauch
Der Durchmarsch der künstlichen Intelligenz könnte auch mit unschönen Nebenwirkungen verbunden sein. Auch Kriminelle könnte sich die Technologie zunutze machen. Die Fähigkeit von ChatGPT und anderen KI-Systemen, funktionalen Programmier-Code zu schreiben, erleichtert vermutlich auch die Erstellung von Malware. KI-Anwendungen könnten auch bei Pishing-Angriffen oder Desinformationskampagnen wertvolle Dienste leisten. Auf der anderen Seite nutzen aber auch Cyber-Security-Unternehmen KI für die Entwicklung immer besserer Schutzschilde. Neue Geschäftsfelder ergeben sich für die Sicherheitsspezialisten ohnehin. Mit einigen ETFs können Anleger in Spezialisten für Datensicherheit investieren. Der größte unter diesen ETFs ist der bereits 2015 aufgelegte Cyber-Security-ETF des britischen Anbieters Legal & General (L&G). Der ETF fasst knapp 50 Unternehmen aus dem Sektor Datensicherheit zusammen. Das Portfolio enthält Software-Anbieter, Cloud-Betreiber, Spezialisten für Netzwerksicherheit und Hersteller entsprechender Hardware. Zu den größten Positionen gehören Darktrace, Trend Micro, Palo Alto Networks, CrowdStrike und Fortinet.
ETF-Name | ISIN | Fondsvermögen | laufende Kosten |
L&G Cyber Security | 2,3 Mio. Euro | 0,6 Prozent |
Gewinn in der Wolke
Nur mit Cloud-Systemen wird künstliche Intelligenz ein Erfolg werden. Schließlich basiert die Technologie auf der Verarbeitung riesiger Datenmengen und benötigt extrem leistungsfähige Computer. Microsoft, Amazon und Google bieten solche Lösungen schon heute und dominieren mit den Markt. In ihren Rechenzentren laufen tausende von Computern mit tausenden Spezialprozessoren. Das können nicht viele bieten. Und doch gibt es in der Welt des Cloud-Computing nicht nur drei Riesen, sondern viele erfolgreiche Unternehmen. Nicht alle betreiben Rechenzentren, einige verdienen ihr Geld auch als Zulieferer der Giganten. So produziert Arista Komponenten für die Hochleistungscomputer in den Rechenzentren der meisten großen Cloud-Anbieter. Andere suchen ihr Glück in der Nische, beispielsweise DigitalOcean Holdings mit seinen Infrastruktur- und Plattformanwendungen für kleine und mittelständische Unternehmen. Andere, wie der Datenbank-Pionier Oracle und die aufstrebende MongoDB, überzeugen mit cloudbasierten Datenbank-Plattformen.
An der Börse werden ihre Leistungen bejubelt: Der Kurs von MongoDB hat sich seit Jahresanfang verdoppelt. Damit ist das 2007 gegründete Unternehmen jetzt 27 Milliarden Dollar wert. Die Aktien der mehr als zehnmal so großen Oracle stiegen im gleichen Zeitraum um ebenfalls beeindruckende 60 Prozent. Mit sechs in Deutschland gelisteten Themen-ETFs lässt sich in die Boombranche investieren. Leider verwalten vier dieser ETFs nur wenige Millionen Euro. Auf mehrere hundert Millionen Euro Volumen kommen lediglich ein ETF von WisdomTree und der First-Trust-Cloud-Computing-ETF. Im Frist-Trust-ETF dominieren die großen Tech-Konzerne, für die das Business mit der Datenwolke nur eine von mehreren Ertragsquellen ist. Allerdings werden die Unternehmen im ETF entsprechend ihrer Cloud-Exposure gewichtet. Unter den Top-Ten finden sich deshalb auch mittelgroße Cloud-Gewinner wie MongoDB, Pure Storage oder Nutanix.
ETF-Name | ISIN | Fondsvermögen | laufende Kosten |
First Trust Cloud Computing | 266 Mio. Euro | 0,6 Prozent |
Neue Arbeitskräfte
Immer öfter übernehmen heute Maschinen Arbeiten, die früher Menschen erledigten. In Zukunft werden es wohl noch viel mehr werden. Schon jetzt ist erkennbar, dass Künstliche Intelligenz solche Systeme immer besser in die Lage versetzt, auch Aufgaben zu erledigen, die früher auch gut ausgebildeten Arbeitern und Büroangestellten vorbehalten waren.
„Die Welt befindet sich in der Frühphase einer neuen, umwälzenden Ära: Sie ist auch durch den wachsenden Einsatz ausgeklügelter Robotik- und Automatisierungstechnologien geprägt“, sagt Richard Lightbound, der Chef des Analystenhauses Robo Global, das sich auf Investmentanalysen von Unternehmen aus der Roboterbranche spezialisiert hat. Lightbound und seine Analysten wählen die Aktien für den L&G-Robo-Global-Robotics&Automation-ETF aus. Der Fonds enthält vor allem amerikanische und japanische Aktien – und er zeigt mit seiner beeindruckenden Kursentwicklung schon länger, welches Potenzial diese Unternehmen haben. Durch den zunehmenden Einsatz von Künstlicher Intelligenz wird auch das Wachstum in diesem Bereich noch mehr Fahrt aufnehmen.
ETF-Name | ISIN | Fondsvermögen | laufende Kosten |
L&G ROBO Global Robotics & Automation | 866 Mio. Euro | 0,8 Prozent |
von Uli Kühn und Johannes Hofmann, Juli 2023, © ETF Magazin
Der Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe des ETF Magazins, dem Fachjournal für Profis und informierte Anleger*innen.
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