Über 20 Prozent hat der DAX seit dem Tief Ende September wieder gutgemacht – mehr als Dow Jones und Nasdaq. Dennoch wird eher auf US-Werte geschaut. Etwas erholen können sich chinesische Aktien und auch Halbleiterwerte. Weiter angeschlagen zeigt sich die Krypto-Branche.
15. November 2022. Frankfurt (Börse Frankfurt). Die kräftige Kurserholung an den Aktienmärkten kann Anleger*innen noch nicht ganz aus der Reserve locken. „Wir sehen noch viel Zurückhaltung“, berichtet Leif Österwind von Lang & Schwarz. „Nicht jeder glaubt an die Jahresendrally.“ Auch Frank Mohr von der Société Générale meldet nur einen leichten Käuferüberhang. „Es ist aber sehr viel los, die Umsätze sind deutlich gestiegen.“
Der DAX steht am Dienstagmittag bei 14.288 Punkten. Damit hat sich der Index seit seinem Jahrestief Ende September um mehr als 20 Prozent erholt. Der Dow Jones kommt nur auf 17 Prozent, der Nasdaq 100 seit dem jüngsten Tief auf 11 Prozent.
Was Aktien-ETFs angeht, setzt sich dennoch der Trend der Vorwochen fort. „Die Musik spielt in US- und globalen Aktien, und zwar nochmals mehr als sonst“, erklärt Mohr. Diese hätten vergangene Woche 70 Prozent der Umsätze ausgemacht. Fast alle Top-Ten-Produkte auf der Umsatzliste seien US- und MSCI World-ETFs. „Das liegt wohl an den Zwischenwahlen in den USA und den vielen Nachrichten von dort.“
Nur 8 Prozent der Umsätze entfielen laut Mohr auf europäische Aktien – mit Zu- und Abflüssen gleichermaßen. Für deutsche Aktien meldet er einen kleinen Käuferüberhang.
China wieder im Blick
Auch Chinas Aktien haben sich zuletzt etwas erholt, und mit ihnen entsprechende ETFs. Auslöser sind erste zaghafte Schritte in Richtung Lockerung der Corona-Maßnahmen. Auch das jüngst verkündete Paket zur Stützung des Immobiliensektors spielt eine Rolle, ebenso die Entspannungssignale im Verhältnis zwischen China und den USA auf dem G20-Gipfel auf Bali.
Zulegen können zum Beispiel der iShares MSCI China (IE00BQT3WG13), der Lyxor MSCI China (LU1841731745) und der Xtrackers CSI300 Swap (LU0779800910). Im ETF-Geschäft der Société Générale spielen chinesische Aktien-ETFs Mohr zufolge aber kaum eine Rolle.
Mohr
Buffett schürt Interesse an Halbleiterbranche
Sehr gut nachgefragt ist laut Österwind die Halbleiterbranche. „Warren Buffet steigt mit seinem Investmentfonds Berkshire Hathaway mit mehreren Milliarden US-Dollar bei Taiwans Chipherstellers Taiwan Semiconductor ein“, erklärt er.
Halbleiter-ETFs wie der iShares MSCI Global Semiconductors (IE000I8KRLL9), der VanEck Semiconductor (IE00BMC38736) oder auch der Lyxor MSCI Semiconductor ESG Filtered (LU1900066033) legten deutlich zu. In diesem Jahr gehört die Branche allerdings zu den Schlusslichtern: Der dem iShares-ETF zugrunde liegende Branchenindex mit dem sperrigen Namen „MSCI ACWI IMI Semiconductors & Semiconductor Equipment ESG Screened Select Capped“ kommt seit Jahresanfang auf ein Minus von 40 Prozent, der marktbreite MSCI ACWI IMI hingegen nur auf minus 21 Prozent. Auf Dreijahressicht hat der Index für die extrem schwankungsanfällige Branche mit 14,7 Prozent im Jahr aber klar die Nase vorn gegenüber dem marktbreiten Index mit 4,8 Prozent.
Themen wie Cyber Security oder Clean Water überzeugen
Mohr zufolge gilt der Fokus derzeit den Branchen Gesundheit, Energie, Grundstoffe und Technologie. Überall dominierten die Käufe. Klare Zuflüsse registriert er zum Beispiel für den iShares MSCI World Health Care Sector (IE00BJ5JNZ06), den Lyxor NYSE Arca Gold BUGS (<LU0488317701>) und den iShares Gold Producers (IE00B6R52036), beide mit Aktien von Goldproduzenten, sowie den Invesco KBW Nasdaq Fintech (IE00BYMS5W68).
Auch einige Themen-ETFs kommen derzeit gut an, wie Mohr ergänzt, konkret zu den Themen Cyber Security, Klima und sauberes Wasser. Als Beispiele nennt er den WisdomTree Cybersecurity (IE00BLPK3577), den iClima Smart Energy (<IE00BLCH4S1>) und den L&G Clean Water (IE00BK5BC891).
US-Staatsanleihen: Comeback mit Renditen über 3,5 Prozent
Im Geschäft mit Anleihen-ETFs stehen laut Mohr nachhaltige, auf Euro lautende Floating Rate Bonds von Unternehmen (LU1681041114) auf den Einkaufslisten, ebenso Investment Grade-Staatsanleihen auf Euro (<FR0010754135>). Dagegen flog der ComStage Bund-Future Short (<LU0530119774>) aus den Portfolios. Mit dem kann auf die inverse Kursentwicklung des Euro-Bund-Future gesetzt und damit von einem Zinsanstieg profitiert werden.
Sehr beliebt sind derzeit auch US-Staatsanleihen. Das Analysehaus Morningstar schätzt, dass in den ersten neun Monaten des Jahres spezialisierte aktive und passive Fonds in dieser Anlageklasse in Europa über 25 Milliarden Euro eingesammelt haben – ein Plus von 55 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Sara Silano von Morningstar nennt zwei Gründe dafür: die russische Invasion in der Ukraine mit einer Flucht in sichere Häfen und die geldpolitischen Unterschiede zwischen den USA und anderen Regionen. „Mit der Rückkehr der US-Anleihesätze auf ein Niveau von über 3,5 Prozent können Staatsanleihen nicht nur eine Quelle der Diversifizierung innerhalb der Portfolios sein“, ergänzt Nicolò Bragazza, Senior Investment Analyst bei Morningstar Investment Management. „Sie liefern auch Erträge, die bis vor einem Jahr nur durch Investitionen in viel riskantere Unternehmens- oder High Yield-Papiere zu erzielen gewesen wären.“
Krypto: Weitere Kursrückgänge erwartet
Von Kryptowährungs-ETNs wollen Anleger*innen Österwind zufolge derzeit nichts wissen. „Der Abwärtssog hält an, es werden Positionen glattgestellt, Neupositionierungen sehen wir nicht.“ Die Kryptobörse FTX, eine der größten am Markt, hatte vergangene Woche Insolvenz angemeldet. Am Wochenende sorgten Meldungen über mysteriöse Geldabflüsse bei FTX für zusätzliche Verunsicherung. „Am Kryptomarkt hat es schon oft geknallt, aber nie wurde das Vertrauen in den Märkten so erschüttert wie jetzt“, kommentierte Madeline Hume von Morningstar. Der Bitcoin wird heute zu 16.759 US-Dollar gehandelt – vor fast genau einem Jahr war noch ein Allzeithoch von 68.764 US-Dollar erreicht worden.
Österwind meldet hohe Umsätze mit Krypto-ETNs mit einem deutlichen Verkaufsüberhang. Stark betroffen sei etwa der 21Shares Bitcoin (CH0454664001). „Insgesamt werden am Markt weitere Kursrückgänge erwartet.“
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von: Anna-Maria Borse, 15. November 2022, © Deutsche Börse AG
Anna-Maria Borse ist Finanz- und Wirtschaftsredakteurin mit den Schwerpunkten Finanzmarkt/Börse und volkswirtschaftliche Themen.
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