Anlegende trennen sich von Aktien-ETFs, vor allem von Welt- und US-Portfolios. Und meiden gefragte Titel der Vergangenheit wie Energie- oder Technologie-Unternehmen. Gesucht sind dagegen Dividenden- und Value-Strategien.
21. Juni 2022. Frankfurt (Börse Frankfurt). Die anhaltenden Rezessions- und Zinssorgen prägen auch den ETF-Handel weiter. Der DAX kann sich am Dienstag deutlich über 13.000 Punkten stabilisieren, innerhalb einer Woche ist er um mehr als 500 Punkte geschwankt.
„Wir haben deutlich mehr Verkäufe als Käufe gesehen, aber keinerlei Panik“, berichtet Frank Mohr von der Société Générale. Maurice Touma von Lang & Schwarz beobachtet allerdings atypisches Verhalten: „Normalerweise werden Rücksetzer gern zum Nachkaufen genutzt, diesmal überwiegen Verkäufe.“
Holger Heinrich von der Baader Bank erklärt mit Blick auf die vergangenen Handelstage: „Nach bemerkenswert viel Volatilität hat sich die Lage wieder beruhigt.“ Doch die Lage sei fragil. „Der Fokus liegt vor allem auf den Entscheidungen der Notenbanken zur Bekämpfung der Inflation.“ Ihr Tun werde weiter die Marktlage prägen. „Die bewegten Zeiten sind nicht vorbei.“
"Neue Welle der Volatilität“
Das sieht auch Hubert Heuclin von der BNP Paribas so: „Die Welt der Finanzmärkte ist in Aufruhr, und das aus gutem Grund“, fasst Heuclin zusammen. Die Marktteilnehmer*innen erwarteten, dass die Fed bis zum Jahresende Zinsschritte in Höhe von 50 bis 75 Basispunkten fortsetzen werde, aber nicht stärker. Das habe einen umfassenden Dominoeffekt: „Machen Sie sich auf eine neue Volatilitätswelle bei Renten, Währungen und Aktien gefasst“, kommentiert Heuclin. Nach einem so starken und weitreichenden Ausverkauf an den Märkten werde es jedoch nicht viele gute Nachrichten brauchen, um die Kurse wieder steigen zu lassen.
Heuclin
Aktien-ETFs: Welt-Tracker überwiegend raus aus Depots
Bei der Baader Bank werden große Aktien-ETFs wie der MSCI World stark verkauft. „Das ist immer so, wenn die Aktien im ETF fallen, zumal ein Großteil aus US-Titeln besteht“, sagt Heinrich. Vor allem die waren in den vergangenen Wochen gesunken. Sicherheit habe derzeit Vorrang. So werde in ETFs mit Dividenden- und Value-Strategien umgeschichtet. Toumas Kund*innen nehmen ebenfalls den MSCI World und andere große Indizes aus den Depots „Das zeigt, dass hier aktuell wenig Vertrauen besteht.“
Bei Mohr werden globale Aktien wie auch US-Titel verkauft zugunsten europäischer Werte. Allerdings stellt Mohr lediglich einen leichten Kaufüberhang für Aktientracker des alten Kontinents fest, etwa beim MSCI Europe Value Factor von Amundi (<LU1681042518>) oder beim Lyxor CAC-40 (<FR0007052782>). Verkäufe registriert er hingegen beim Invesco EQQQ Nasdaq-100 (IE0032077012) und bei Standardwerten. Hier werden vor allem der Invesco S&P 500 (IE0032077012) und der Lyxor S&P 500 (LU0496786657) veräußert. Auch bei deutschen Aktien gäbe es einen leichten Verkaufsüberhang.
„Schwellenländer-Aktien sind in diesem Jahr nicht ganz so stark zurückgegangen wie die der Industrieländer“, kommentiert Heuclin. Das werde sich jedoch in den kommenden 18 Monaten ändern, wenn eine aggressive Straffung der Geldpolitik die großen Volkswirtschaften in eine Rezession führe.
Mohr
Sektoren: Energietitel nicht mehr gefragt
Unter den einzelnen Sektoren werden selbst die verkauft, die in den vergangenen Wochen überwiegend gefragt waren, erklärt Mohr, darunter der Energiesektor. So wird der iShares Oil & Gas Exploration & Production (IE00B6R51Z18) aus den Depots genommen. Der Kurs war seit Jahresbeginn um 34,9 Prozent gestiegen.
Auch Touma berichtet von Abflüssen im Energie- bzw. Erdgassektor: So würde der WisdomTree Natural Gas 3x Daily (IE00BLRPRG98) verkauft. „Bis vor Kurzem wurden starke Kursrücksetzer hier zum Einstieg genutzt, jetzt hat sich das Bild gewendet“, berichtet Touma.
Mehr Verkäufe als Käufe macht Mohr auch bei Technologieaktien aus. So würden seine Kund*innen den iShares Automation & Robotics (IE00BYZK4552) wie auch den Invesco CoinShares Global Blockchain (IE00BGBN6P67) verkaufen.
Was Finanztitel angeht, dominieren bei der Société Générale Verkäufe, etwa des breit angelegten Lyxor STOXX Europe 600 Banks (LU1834983477).
Nachgefragt sind bei Lang & Schwarz Technologietitel und Aktien aus dem Nachhaltigkeitssektor im iShares Global Clean Energy (IE00B1XNHC34).
Kund*innen der BNP Paribas fragen auch einzelne Themen und Branchen nach. Sie kaufen z.B. Anteile am iShares Listed Private Equity (IE00B1TXHL60) und am KraneShares CSI China Internet (IE00BFXR7892).
Kryptos: Ohne Tendenz
Der zeitweise Kursrutsch des Bitcoin unter die Marke von 20.000 US-Dollar hat keine Verkaufswelle ausgelöst. „Alle Coins werden bei uns gehandelt, ge- und verkauft“, berichtet Touma. Grundsätzlich würde ein Kursrutsch des Bitcoin häufig zum spekulativen, kurzfristigen Einstieg genutzt. Es gäbe derzeit aber keine klare Richtung.
Fixed Income: Selektiv mehr Nachfrage
Zu den meistgehandelten Werten der BNP Paribas zählen diesmal auch Anleihen-ETFs. Hier werden vor allem US-Staatspapiere mit mittlerer Laufzeit (IE00B3VWN518) und US-Unternehmensanleihen (IE0032895942) in die Depots gelegt. Verkäufe prägen hingegen den Handel mit europäischen Unternehmensanleihen. So werde der iShares Core EUR Corp Bond (IE00B3F81R35) verkauft.
Etwas höhere Umsatzanteile, die aber nicht überzubewerten seien, registriert Mohr bei Anleihen-ETFs. Langlaufende Staatsanleihen etwa aus den USA (IE00BSKRJZ44) stünden ebenso auf den Verkaufslisten wie inflationsgeschützte Anleihen (LU1390062245). Corporate Bonds würden hingegen selektiv gekauft, zum Beispiel der Amundi Index Euro Corporate SRI 0-3Y (LU2037748774).
Von hoher Nachfrage berichtet auch Touma, jedoch ohne klare Tendenzen.
Aktien | |
Welt | Käufe und Verkäufe |
USA | Verkäufe |
Asien | Käufe |
Europa | Käufe |
Branchen | |
Technologie | Käufe und Verkäufe |
Energie | Verkäufe |
Kryptos | Käufe und Verkäufe |
Fixed-Income | |
Unternehmensanleihen | Käufe |
US-Staatsanleihen, mittlere Laufzeit | Käufe |
US-Staatsanleihen, Langläufe | Verkäufe |
Inflationsgeschützte Anleihen | Verkäufe |
von: Antje Erhard, 21. Juni 2022, © Deutsche Börse AG
Antje Erhard ist Journalistin und Moderatorin mit den Schwerpunkten Börse, Wirtschaft und Finanzen.
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