Lange schwächelten die „alten“ Autokonzerne, während Tesla und Chinas Autobauer an der Börse abhoben. Jetzt hat sich das Bild gedreht: VW, Daimler, General Motors & Co haben plötzlich die Nase vorn. VW gilt schon als neues Tesla.
1. April 2021. FRANKFURT (Börse Frankfurt). VW im Höhenflug, Tesla im Sinkflug – die vergangenen Wochen haben die Autobranche und ihre Aktien durcheinandergewirbelt. Die „alten“ Autobauer melden sich zurück. Das VW-Elektroauto ID.3 gilt als echtes Erfolgsmodell. Auslöser für den jüngsten VW-Kursanstieg war aber der VW Power Day Mitte März, an dem der Konzern seine Strategie für den Aufbau einer Batterieproduktion mit sechs neuen Fabriken sowie einer Ladeinfrastruktur vorstellte. Das kam an. Schnell wurde VW als neues Tesla an der Börse gehandelt.
Der britischen Investmentbank Barclays zufolge werden die traditionellen Autohersteller bereits im laufenden Jahr erste Früchte ihrer bisherigen Investitionen ernten und sich gegen Neuankömmlinge zur Wehr setzen. An der Börse hat die Branche in diesem Jahr schon jetzt gut abgeschnitten: Der europäische Branchenindex Stoxx Europe 600 Automobile & Parts ist seit Jahresanfang um 23 Prozent gestiegen. Der marktbreite Stoxx Europe 600 hingegen nur um 8 Prozent.
Tesla: Minus 20 Prozent seit Allzeithoch
Deutlich Federn lassen musste zuletzt dagegen der Höhenflieger aus dem vergangenen Jahr Tesla (US88160R1014). Zwischen Anfang 2020 und Anfang 2021 hatte sich der Kurs an der Börse Frankfurt von 77 auf 741 Euro fast verzehnfacht. Seitdem schwächelt er, am Donnerstagmorgen sind es nur 582 Euro. „Tesla ist im Konsolidierungsmodus“, erklärt Walter Vorhauser von Oddo Seydler. Das liege an der zunehmenden Konkurrenz aus der traditionellen Autoindustrie, aber auch aus China. „2020 war Teslas Model 3 Limousine das meistverkaufte Elektroauto der Welt. Doch im Januar und Februar hat der chinesische Autobauer Wuling mit dem aus dem Joint-Venture mit SAIC und General Motors hervorgegangenen Elektro-Flitzer Hongguang Mini EV Tesla bei den weltweiten Verkäufen überholt.“ Grund sei wohl auch der Preis: „Nur 3.700 Euro kostet der Mini EV in China.“
Konkurrenz kommt auch von anderer Seite: „Chinas Smartphone-Riese Xiaomi will Elektroautos bauen“, stellt Vorhauser fest. Er geht dennoch davon aus, dass der Tesla-Kurs wieder steigen wird. „Tesla ist weiter Technologieführer.“ Dass die stark beachtete Cathie Woods mit ihrer Investmentgesellschaft ARK Invest kürzlich das Tesla-Kursziel auf 3.000 US-Dollar angehoben hat, hält er aber für überzogen. „Sie lag zwar lange richtig, 3.000 US-Dollar sind aber wohl übertrieben.“
General Motors: Von 32 auf 49 Euro
Erfolgreiche Joint Ventures in China, Entwicklungspartnerschaft mit Xiaomi – auch die Aktie eines anderen „alten“ Autobauers hat Anlegern zuletzt viel Freude gemacht: die von General Motors (US37045V1008). Seit Anfang 2020 ist der Kurs an der Börse Frankfurt von 32 auf 49 Euro gestiegen. Die konsequente Ausrichtung auf E-Mobilität überzeugt, wie Roland Stadler von der Baader Bank bemerkt. General Motors hatte angekündigt, sein weltweites Neuwagenangebot bis 2035 komplett auf emissionsfreie Fahrzeuge umzustellen.
Chinas Autoaktien: 2020 super, 2021 mies
Auch Chinas Autobauer haben den alten Größen aus Europa und den USA in den vergangenen Jahren zugesetzt, was sich an der Börse niederschlug. Im vergangenen Jahr verdoppelt hatte sich der Aktienkurs des chinesischen Autobauers Geely (KYG3777B1032), zu dem auch Volvo gehört. Dem kräftigen Rücksetzer an Chinas Börsen in diesem Jahr konnte sich die Aktie aber nicht entziehen und kostet aktuell nur noch 2,20 nach 3,61 Euro in der Spitze im Januar. „Jetzt denkt Geely offenbar wieder über einen Börsengang von Volvo Cars nach“, berichtet Vorhauser. „Das könnte dem Kurs wieder Auftrieb verleihen.“
Vorhauser
Ähnlich entwickelt hat sich die Aktie des chinesischen Autobauers Great Wall Motors (CNE100000338). Versechsfachung bis auf 3,39 Euro in der zweiten Jahreshälfte 2020, kräftiger Rücksetzer auf 2,62 Euro in diesem Jahr. 2020 konnte der Konzern mit seinem Ora R1 zumindest Platz 10 der meistverkauften Elektroautos weltweit erobern. Bis der Wuling Hongguang Mini auf dem Markt kam, wurde der Ora R1 auch als billigstes Elektroauto der Welt präsentiert. „Chinas Autokonzerne sind in Sachen Elektromobilität vorne dabei“, erklärt Stadler.
VW und Daimler als Favoriten
Auf den ersten Platz der meistverkauften Elektroautos 2020 schaffte es in Europa und Deutschland übrigens der Renault Zoe, global immerhin noch auf Platz drei. Barclays hat Renault (FR0000131906) nach dem zuletzt deutlichen Kursanstieg aber auf „Underweight" zurückgestuft. Eine Erholung bei Renault sieht Barclays mit Vorsicht, die Aktie sei die am wenigsten bevorzugte unter den Autobauern in Europa. Favoriten der Bank sind VW (Kursziel 260 Euro) und Daimler (DE0007100000) (Kursziel 96 Euro). BMW (DE0005190003) sei hingegen schon fair bewertet (Kursziel 83 Euro).
von: Anna-Maria Borse
1.April 2021, © Deutsche Börse AG