Welche Faktoren sorgen bei Bitcoin und Ethereum für steigende Kurse? Eine neue Studie identifiziert Indikatoren, die Investoren bei diesen Kryptowährungen im Auge behalten sollten. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse.
Oktober 2021. MÜNCHEN (ETF Magazin). Erst im Juni mussten zahlreiche chinesische Bitcoin-Miner die Produktion der digitalen Währung einstellen. Auch der BitcoinPreis ging seit April stark zurück. Besteht ein Zusammenhang? Intuitiv betrachtet, scheint es vielleicht naheliegend, dass eine geringere Ausweitung der digitalen Geldmenge zu einem Rückgang ihres Wechselkurses führt. Doch die Erkenntnisse einer von Iconic Funds initiierten Studie sprechen gegen diese Annahme: Nicht die für die Produktion von Bitcoins nötige Rechenkapazität bestimmt die Wertentwicklung der Kryptowährung, sondern andere Faktoren. Bitcoin ist eine gut geölte Maschine, um die Fluktuation von Mining-Aktivitäten, die zum Netzwerk hinzugefügt oder von ihm abgezogen werden, zu überstehen.
Umfassende Studie
In unserer Analyse berücksichtigen wir eine breite Palette von Kryptowährungen und unterscheiden uns dadurch von anderen Untersuchungen, die sich meist auf eine einzelne Kryptowährung beschränken. Durchgeführt wurde die Analyse in Kooperation mit BTC-Echo, Enigma Securities und dem Blockchain Center der Frankfurt School. Iconic Funds ist ein auf Kryptowährungen spezialisierter Frankfurter Asset-Manager, der den Iconic-Funds-Physical-Bitcoin-ETP an der Frankfurter Börse gelistet hat.
In der Hypothese wird der Preis jeder Kategorie von Kryptowährungen durch eine unterschiedliche Anzahl von Attributen getrieben; es wird versucht, einen statistisch relevanten Zusammenhang zwischen Kryptowährungen und den jeweiligen Werttreibern zu zeigen. Um diesen statistischen Zusammenhang analysieren zu können, wurden die verfügbaren Daten geclustert und anschließend in einem univariaten Modell analysiert. Ein Ergebnis der Untersuchung: Ähnlich wie bei traditionellen Asset-Klassen stellte sich heraus, dass der Kurs einer Währung von mehreren Faktoren abhängt.
Begehrte Währung
Für Bitcoin, die größte, bekannteste und auch liquideste Kryptowährung mit einer Marktkapitalisierung von rund 660 Milliarden US-Dollar (per 30.6.2021), waren die potenziellen Werttreiber bereits Gegenstand vieler Untersuchungen. Aufgrund seiner programmatischen Knappheit – Bitcoin ist begrenzt auf 21 Millionen Einheiten – wird Bitcoin oft mit Gold verglichen. Den Wert von Bitcoin ähnlich wie Gold zu modellieren, wurde erstmals von der Twitter-Persönlichkeit Plan B (2019) vorgeschlagen, der den Stock-to-Flow-Ansatz verwendete, um den Wert des Bitcoin zu analysieren.
Das Stock-to-Flow-Verhältnis stellt den Bestand (Stock) des Bitcoin in Relation zu der Menge des neu geschaffenen Vermögens (Flow). Die schrittweisen Erhöhungen im Stock-to-Flow-Verhältnis werden durch Bitcoin-Halving angetrieben: Ungefähr alle vier Jahre oder, genauer gesagt, immer wenn die Bitcoin-Miner 210.000 Blocks produziert haben, wird die Block Subsidy der Miner halbiert. Miner erhalten dann für Erschaffung eines Bitcoin nur noch halb so viele Bitcoins wie zuvor. Beim Start des Bitcoin-Netzwerks betrug die Subsidy noch 50 Bitcoin. Nach drei Halbierungen gibt es heute nur noch 6,25 Bitcoin pro Block.
Angebot bestimmt Wert der Bitcoins
Die Theorie legt nahe, dass der Preis von Bitcoin steigen sollte, je knapper das neue Angebot von Bitcoin wird, je höher also das Stock-to-Flow-Verhältnis steigt. Auch die historischen Danten sprechen dafür, dass das Stock-to-Flow-Verhältnis ein guter Indikator für den Bitcoin-Preis ist. Nach dem beiden Halvings 2016 und 2020 kam es zu sehr starken Steigerungen des Bitcoin.
Das Netzwerk zählt bei Ethereum
Die jüngere Kryptowährung Ethereum wird offenbar hauptsächlich durch die Anzahl verifizierter Smart Contracts getrieben. Das erscheint auch intuitiv richtig: Im Gegensatz zum Bitcoin ist die Investmentthese von Ethereum, nicht durch Knappheit Wert zu generieren, sondern durch ein immer größer werdendes aktives Netzwerk. Die Entwicklung lässt sich an der Zahl der verifizierten Smart Contracts ablesen.
Die Theorie legt nahe, dass der Preis von Bitcoin steigen sollte, je knapper das neue Angebot von Bitcoin wird, je höher also das Stock-to-Flow-Verhältnis steigt.
Auch die Datenlage spricht dafür, dass das Stockto-Flow-Verhältnis ein guter Indikator für den Bitcoin-Preis ist. Da die Marktliquidität in den ersten Jahren von Bitcoin gering war, liefert das erste Halving 2012 keine wirklich aussagekräftigen Informationen. Nach dem beiden folgenden Halvings kam es jedoch zu sehr starken Kursveränderungen des Bitcoin.
Nach dem Bitcoin-Halving im Juli 2016 hat sich die Stock-to-Flow-Ratio mehr als verdoppelt. Bitcoin erreichte am Tag des Halvings einen Kurs von 666 Dollar. Dann kam es zunächst zu einem Kursrückgang bis auf 533 Dollar, anschließend jedoch zu einem rasanten und anhaltenden Preisanstieg bis auf 20089 Dollar im Dezember 2017. Nach dem Bitcoin-Halving im Mai 2020 und der Erhöhung der Stock-to-Flow-Ratio stieg der Bitcoin-Kurs in den folgenden Monaten ebenfalls sehr stark an. Weitere Untersuchungen werden zeigen, ob das Stock-toFlow-Modell auch nach weiteren Halvings als Indikator für den Bitcoin-Preis taugt.
Geringe Bedeutung
Ein weiterer Faktor bei der Kursentwicklung des Bitcoin-Preises könnte die Anzahl der aktiven Adressen sein. Die Anzahl der aktiven Adressen folgt dem Preis bis Mitte 2020, aber sie erklärt nicht den jüngsten Anstieg des BitcoinPreises. Ebenso spiegelt sich der eingangs erwähnte Schwierigkeitsgrad des Minings nicht im Preis wider, welcher sich bei Bitcoin seit 2017 stark erhöht hat und im Zuge des Mining-Banns in China wieder verringert hat. Messen lässt sich die Mining-Kapazität durch die Bitcoin-Hashrate.
„Hashrate“ bezieht sich auf die gesamte Rechenkapazität, die zum Mining und zur Verarbeitung von Transaktionen auf einer Proof-of-Work-Blockchain wie Bitcoin verwendet wird. Eine hohe Hashrate ist ein Hinweis auf eine stabile Bitcoin-Mining-Umgebung, da mehr Ressourcen im Bitcoin-Netzwerk eingesetzt werden, um Transaktionen zu verarbeiten. Aber unsere Studie zeigt, dass die Hashrate bei der Vorhersage des Preises nicht relevant ist: Die Korrelation zwischen Änderungen des Bitcoin-Preises und der Hashrate liegt meist nahe null.
Weitere Faktoren, die zum Bitcoin-Preis beitragen könnten und im Rahmen dieser Studie untersucht wurden, waren die Entwickleraktivitäten auf GitHub (historisch sehr volatil) sowie die Social Dominance (Diskussionen auf Social Media). Auch diese beiden Faktoren konnten als nicht preisrelevant bestätigt werden.
Ethereum geht anders
Die zweitgrößte Kryptowährung Ethereum mit einer Marktkapitalisierung: von rund 265 Milliarden US-Dollar (Stand: 30.6.2021) ist als Plattform für dezentralisierte Finanzanwendungen (DeFi) bekannt, ebenso für dezentralisierte Apps (dApps) und sogenannte Smart Contracts. Im Gegensatz zum Bitcoin ist die Investmentthese von Ethereum, nicht durch Knappheit Wert zu generieren, sondern durch ein immer größer werdendes aktives Netzwerk. Folglich unterscheiden sich die potenziellen Werttreiber von Bitcoin und Ethereum voneinander. Ähnliche Werttreiber kann man auch alternativen Smart-Contract-Blockchains wie Polkadot, Cardano oder Tron zuschreiben.
Vergleicht man die Anzahl der entwickelten Verträge mit dem Preisverhalten von Ethereum, zeigt sich, dass die Anzahl der Verträge ein nachlaufender Indikator und nicht ein führender Indikator ist. Die Anzahl der dApps, die erstellt wurden, stieg erst deutlich nach dem letzten Allzeithoch von 2017.
Dagegen zeigt die Anzahl der verifizierten Smart Contracts ein interessantes Verhalten: Während des „Krypto-Winters“ schien diese Kennzahl ein nachlaufender Indikator zu sein, wohingegen sie während des jüngsten Preisanstiegs, gegen Ende 2020, ein führender Indikator zu sein scheint.
Ebenso sieht es so aus, als sei die Anzahl aktiver Adressen ein Werttreiber, da es einen statistischen Zusammenhang zwischen Preis und aktiven Adressen gibt. Wie auch bei Bitcoin scheint bei Ethereum ebenfalls kein starker Zusammenhang zwischen Preis und Schwierigkeit des Minings vorzuliegen.
Unser Fazit
Bitcoin erscheint als digitales Wertaufbewahrungsmittel größtenteils durch Stock-to-Flow getrieben, während Ethereum offenbar hauptsächlich durch die Anzahl verifizierter Smart Contracts getrieben wird. Und trotz des starken Rückgangs der Hashrate, die dem Bitcoin-Netzwerk zugeordnet wurde, können langfristige Investoren das ChinaMining-FUD („fear, uncertainty, doubt“) ignorieren.
Erstens tariert sich das Protokoll kontinuierlich selbst, sodass die Ausgabe von neuen Bitcoin durch die Blocksubvention nicht beeinträchtigt wird. Zweitens werden die Miner in andere Jurisdiktionen umziehen, wo die Hashrate eingesetzt werden kann, möglicherweise mit mehr politischer Zuverlässigkeit und einem Stromnetz mit höherem Anteil an erneuerbaren Energien.
Steuerfreie Gewinne
Wer längerfristig in Krypto-ETNs investiert, dürfte nach aktueller Rechtslage Kursgewinne wohl steuerfrei kassieren – wenn er zu den richtigen ETNs greift. Bereits zwölf ETNs für Kryptowährungen lassen sich inzwischen über Xetra, die Handelsplattform der Deutschen Börse, handeln (s. S. 58 sowie S. 34 im ETF Magazin 2/2021). Diese börsennotierten Zertifikate ermöglichen die indirekte Investition in verschiedene Kryptowährungen sowie den Kauf und Verkauf der Währungen über einen regulierten Handelsplatz. Jedoch sind nicht alle Bitcoin-ETNs gleich konstruiert. Häufig sichern diese ETNs ihr Vermögen durch eine entsprechende Menge der digitalen Währung, die bei einer Verwahrstelle bzw. auf einem Treuhänderkonto gelagert wird. Einige dieser ETNs bieten privaten Anlegern zusätzlich die Möglichkeit der „physischen“ Auslieferung der Kryptowährung, zum Beispiel der Iconic-Funds-Physical-Bitcoin-ETP oder der BTCetcPhysical-Bitcoin. Anleger können bei diesen Zertifikaten die Auslieferung der Bitcoins in ihr privates Wallet beantragen. Investoren, die aus regulatorischen oder rechtlichen Gründen Bitcoin nicht physisch empfangen dürfen, z. B. UCITS-Fonds, sind von der Auslieferungsoption ausgenommen. Der Clou bei den ETNs mit Auslieferungsoption: Ähnlich wie bei Gold-ETCs oder wie beim direkten Kauf in Bitcoin selbst dürfte bei diesen ETNs für deutsche Investoren die Abgeltungsteuer entfallen, wenn sie den Krypto-ETN länger als zwölf Monate gehalten haben.
Oktober 2021, © ETF Magazin
Über den Author
Michael Geister leitet den Bereich Crypto ETPs bei Iconic Funds in Frankfurt am Main. Zuvor arbeitete er für ETF Securities in London sowie bei den US-ETF-Anbietern State Street und VanEck.
Dieser Artikel stammt aus dem aktuellen ETF Magazin. Das ETF Magazin erscheint quartalsweise in Zusammenarbeit mit Focus Money und richtet sich an Berater, Vermögensverwalter und Portfoliomanager, ist aber sicher auch für informierte Anleger interessant.
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