ETFs mit Fokus auf Nachhaltigkeit sind gefragt. Die ETF-Anbieter reagieren auf den Nachfragesog mit immer besseren Produkten. Das ETF Magazin listet einige davon auf.
8. Dezember 2020. MÜNCHEN (ETF Magazin). Spätestens seit der Studie „ESG-Faktoren und Unternehmensentwicklung“ der Universität Hamburg ist klar: Nachhaltig zu investieren, schadet der Rendite nicht. Ethische und finanzielle Ziele passen sogar hervorragend zusammen. Immer mehr Investoren beschreiten diesen Weg. Laut „ESG-Report 2020“ von PricewaterhouseCoopers wird in Europa das ESG-Vermögen bis 2025 eine Größenordnung von 5,5 bis 7,6 Billionen Euro erreichen und damit zwischen 41 und 57 Prozent des gesamten Fondsvermögens ausmachen. Ende 2019 waren es noch rund 15 Prozent.
Ein großer Teil der nachhaltig investierten Anlagegelder wird in ETFs fließen, die bei privaten wie institutionellen Investoren immer beliebter werden und dabei sind, aktiv verwalteten Fonds in einigen Anlageklassen den Rang abzulaufen.
Entsprechend positiv war der Grundtenor bei der Podiumsdiskussion „Nachhaltig investieren mit ETFs – mehr als ein Trend?“ im Rahmen der digitalen ETF-Woche der Deutschen Börse. Mirjam Staub-Bisang von Blackrock, Dag Rodewald von UBS Asset Management und Lorenz Stör von der Rating-Agentur ISS ESG waren sich einig: ESG ist längst keine Modeerscheinung mehr, sondern Kernbestandteil von immer mehr Anlageformen. Wenn nachhaltige Strategien in Form von ETFs umgesetzt würden, träfen sogar zwei Megatrends aufeinander, die sich gegenseitig verstärkten.
„Als ich 2011 mein Buch ‚Nachhaltige Anlagen für institutionelle Investoren‘ veröffentlicht habe, kam ich mir ein wenig vor wie der einsame Rufer in der Wüste“, sagte Staub-Bisang. „Für viele war Nachhaltigkeit damals kein Thema und bis zum Tipping Point hat es ja auch noch einige Jahre gedauert.“ Mittlerweile würden aber selbst Hedge-Fonds den ESG-Ansatz verfolgen, berichtete die ESG-Expertin.
Im Rahmen dieser dynamischen Entwicklung hat sich nach Ansicht der Diskussionsteilnehmer auch die Herangehensweise an ESG-Investments verändert. Aus der eher wertorientierten Sichtweise der Vergangenheit sei eine Risikobetrachtung geworden, bei der vor allem Klimarisiken eine wichtige Rolle spielen. ESG-Faktoren zu berücksichtigen und fragwürdige Unternehmen und Geschäftsmodelle auszuschließen, verbessere das Gesamtrisiko einer Anlage. „Neben der sich immer weiter verbreitenden Erkenntnis, dass Nachhaltigkeit und Rendite Hand in Hand gehen, ist vor allem ein Aspekt für den ESG-Boom entscheidend“, erklärte Stör von ISS ESG. „Zurzeit tritt eine ganz neue Generation von Investoren auf, die sich sehr aktiv dem Thema Nachhaltigkeit widmet. Die sogenannten Millenials, die jetzt in den Investmentmarkt kommen, haben schlicht ganz andere Interessen und Präferenzen.“
Wie stark der ESG-Trend ist, belegen aktuelle Zahlen. Vergleicht man die Kapitalströme klassischer Aktien-ETFs mit denen nachhaltiger ETFs, so konnten Letztere insbesondere in der heißen Corona-Phase im Februar und März stete Zuflüsse verzeichnen. Aktien-ETFs dagegen litten unter massiven Mittelabflüssen.
"Millenials, die jetzt in den Investmentmarkt kommen, haben schlicht ganz andere Interessen und Präferenzen"
Viel Wildwuchs
Trotz seiner Vorteile steht ESG nach wir vor wegen einiger Schwachstellen in der Kritik. Bemängelt wird vor allem, dass häufig das E für Environment, also für die Umweltaspekte nachhaltigen Investierens, im Vordergrund steht, während das S für soziale Frage und das G für die Governance, das heißt für die Unternehmensführung, vernachlässigt werden.
Ungereimtheiten gibt es zudem bei den ESG-Ratings. Hier entscheidet kein einheitlicher Standard, sondern die Scoring-Methode der jeweiligen Rating-Agentur über das Ergebnis. Besonders deutlich wird die Diskrepanz, wenn man ESG-Ratings mit Credit-Ratings vergleicht. Zwischen den Credit-Ratings der beiden großen Anbieter Moody’s und Standard & Poor’s besteht eine hohe Korrelation, die darauf schließen lässt, dass sie ähnliche Rating-Methoden verwenden. Weil andererseits bei ESG-Ratings die Korrelation sehr gering ist, scheinen signifikante Unterschiede in den Methoden der verschiedenen Agenturen zu bestehen. Tatsächlich gibt es widersprüchliche ESG-Bewertungen für ein und dasselbe Unternehmen.
Auch die Teilnehmer der digitalen Podiumsdiskussion machten aus diesem Manko keinen Hehl. Ob ein Unternehmen in einem ESG-Index oder ESG-ETF lande, hänge von der Rating-Agentur ab, mit der man zusammenarbeite. „Wer überlegt, in nachhaltige Lösungen zu investieren, ist zunächst gezwungen, für sich selbst zu klären, was Nachhaltigkeit ist“, sagte UBS-ETF-Experte Rodewald. „Dann kann er entscheiden, welcher Fonds, welcher Index und welche Index-Methodologie seinen Ansprüchen am nächsten kommt.“ Aktuell gäbe es noch immer keine einheitliche ESG-Definition. Damit sei frühestens in zwei Jahren zu rechnen.
Große Hoffnung setzten viele Marktteilnehmer auf den Aktionsplan der Europäischen Union zu Sustainable Finance, zu dem unter anderem eine Klassifizierung nachhaltiger wirtschaftlicher Aktivitäten gehören soll.
Neue Offensive
Ungeachtet dieser Mankos kommen fast alle Fondsgesellschaften mit immer wieder neuen Varianten nachhaltiger Indexfonds auf den Markt. Häufig wurden gleich ganze Serien ähnlich gestalteter ETFs aufgelegt, beispielsweise von der französischen Amundi, die im dritten Quartal mit ihren neuen ESG-Leaders-ETFs an der Deutschen Börse debütierte und darüber hinaus noch mehrere ESG-Universal Select-ETFs listete.
Bei vielen in diesem Jahr neu aufgelegten ESG-ETFs standen vor allem der Schutz der Umwelt und die Bekämpfung des Klimawandels im Vordergrund. So startete die Frankfurter Deka Investment mit fünf Climate Change-ETFs. Bei diesen werden Unternehmen nicht nur nach ihrem aktuellen CO2-Ausstoß bewertet, sondern auch nach ihren Anstrengungen zur Bekämpfung des Klimawandels.
Andere ETFs orientieren sich gleich an den Beschlüssen des UN-Klimagipfels im Dezember 2015 in Paris. Ziel des Klimaabkommens ist es, die Erderwärmung auf maximal zwei Grad zu begrenzen und bis 2050 ohne CO2-Emissionen zu leben und zu wirtschaften.
Klar definiertes Ziel
Viele der in diesem Jahr aufgelegten nachhaltig ausgerichteten ETFs zielen in erster Linie auf die Bekämpfung des Klimawandels. Diese Tabelle zeigt einige der neuen ESG-ETFs
Name des ETF | WKN | Kosten in Prozent | Volumen in Mio. |
BNP Paribas ECPI Global ESG Blue Economy | A2QCJJ | 0,3 | 36,1 |
Deka MSCI Germany Climate Change ESG | ETFL54 | 0,2 | 41,2 |
Deka MSCI World Climate Change ESG | ETFL58 | 0,25 | 67,1 |
Franklin S&P 500 Paris Aligned Climate | A2P5CL | 0,15 | 7,2 |
Franklin Stoxx Europe 600 Paris Alig. Climate | A2P5CM | 0,15 | 5,1 |
iShares Euro Govt Bond Climate | A2P2A6 | 0,09 | 5,5 |
Lyxor S&P Eurozone Paris-Aligned Climate | LYX05H | 0,2 | 2,9 |
Lyxor S&P Global Dev. Paris-Aligned Climate | LYX05L | 0,2 | 4,1 |
Andere ETFs orientieren sich gleich an den Beschlüssen des UN-Klimagipfels im Dezember 2015 in Paris. Ziel des Klimaabkommens ist es, die Erderwärmung auf maximal zwei Grad zu begrenzen und bis 2050 ohne CO2-Emissionen zu leben und zu wirtschaften. Die neuen „Paris-Aligned-ETFs“ wollen dazu beitragen, dass die Pariser Ziele erreicht werden.
Die US-Fondsgesellchaft Franklin Templeton hat Ende Juli zwei ETFs mit ähnlichem Ansatz aufgelegt: den STOXX-Europe-600 und den S&P-500-Paris Aligned-Climate-ETF.
Auch der französische Anbieter Lyxor ging mit zwei Paris-Aligned-ETFs an den Start, die entsprechende Indizes von S&P abbilden. Zusätzlich riefen die Franzosen noch ein neue Reihe von Climate-Change-ETFs ins Leben. Bei diesen bislang nur an der Euronext gelisteten ETFs kommen Indizes von MSCI zum Einsatz.
Einen viel umfassenderen Ansatz verfolgt ein neuer ETF von BNP Paribas Asset Management, der BNPParibas-ECPI-Global-ESG-Blue-Economy-ETF. Er hat einen ganzheitlichen Blick auf unseren Planeten, der ja nicht nur aus schützenswerten Wäldern besteht, sondern zu großen Teilen aus Ozeanen.
Während bei der Green Economy insbesondere technologische Innovationen für Nachhaltigkeit sorgen sollen, will die Blue Economy mehr: Es geht nicht nur darum, Emissionen zu begrenzen, sondern gleich das ganze Wirtschaftssystem im Sinne der Nachhaltigkeit zu verändern. Nach der Definition der Weltbank bedeutet Blue Economy, die Ressourcen der Ozeane nachhaltig zu nutzen und wirtschaftliches Wachstum zu ermöglichen. In seinem Kern gleicht das Konzept damit dem der Kreislaufwirtschaft, für das es von BNP schon seit 2019 einen ETF gibt.
Für den Blue-Economy-ETF bzw. für den zugrunde gelegten Index von ECPI werden Unternehmen aus fünf Bereichen ausgewählt: Lebensgrundlagen der Küsten, einschließlich Küstenschutz und Ökotourismus, Energiegewinnung und Ressourcen, Fischzucht und Aquakultur, Verringerung der Verschmutzung sowie Schifffahrtswege und -ausrüstung. Der zu gleichen Teilen gewichtete Index setzt sich aus den 50 Unternehmen mit einem positiven ESG-Rating und der größten Marktkapitalisierung innerhalb ihrer Kategorie zusammen. Neben dem Blue-Economy-ETF hat BNP Paribas noch zwei schon etwas länger bestehende ETFs modifiziert und auf ESG-Kurs gebracht: einen ETF für globale Infrastruktur-Aktien sowie einen ETF für europäische Nebenwerte.
von Alfons Niederländer, © Dezember 2020, ETF Magazin
Dieser Artikel stammt aus dem aktuellen ETF Magazin. Das ETF Magazin erscheint quartalsweise in Zusammenarbeit mit Focus Money und richtet sich an Berater, Vermögensverwalter und Portfoliomanager, ist aber sicher auch für informierte Anleger interessant.
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