2021 sind die Preise vieler Rohstoffe stark gestiegen, vor allem die von Öl und Industriemetallen. Mit einer deutlichen Wende ist 2022 nach Ansicht von Rohstoffanalysten nicht zu rechnen. Nur für den Goldpreis zeigen sich Experten meist skeptisch.
30. Dezember 2021. Frankfurt (Börse Frankfurt). Ölpreis 55 Prozent höher, Aluminiumpreis 51 Prozent, Zinnpreis 110 Prozent – seit Anfang dieses Jahres sind viele Rohstoffpreise rasant gestiegen. Am auffälligsten im Alltag, da mit direkten Auswirkungen auf Benzin und Heizöl: der Rohölpreis. Der kletterte von 51 US-Dollar für das Barrel Brent Anfang des Jahres auf zwischenzeitlich 86 US-Dollar, am vorletzten Tag des Jahres sind es immer noch 79 US-Dollar.
Nach Einschätzung von Deutsche Bank-Chefstratege Ulrich Stephan wird sich 2022 beim Ölpreis nicht viel tun. „Einer hohen globalen Nachfrage dürfte ein in etwa gleichbleibendes Angebot gegenüberstehen“, meint Stephan. Die DekaBank geht davon aus, dass der globale Ölmarkt im Laufe des nächsten Jahres vom derzeit vorherrschenden Nachfrageüberhang in einen Angebotsüberhang drehen wird. „Das würde Abwärtsdruck auf die Ölpreise bedeuten,“ erklärt Analystin Dora Borbély. Die Bank prognostiziert für Ende 2022 einen Preis von 71 US-Dollar für Brent- und 68 US-Dollar für WTI-Öl.
Ölpreis von 100 US-Dollar?
Laut Stephan von der Deutschen Bank könnte es über das Jahr 2022 hinaus für die Rohölpreise dann aber doch noch deutlich nach oben gehen. „Längerfristig könnte die Investitionszurückhaltung aufgrund strikterer Umweltauflagen und einer CO2-Bepreisung die Produktionskapazitäten schmälern und den Ölpreis steigen lassen." Damien Courvalin, Leiter Energie-Analysen bei Goldman Sachs, hält sogar einen Anstieg bis auf 100 US-Dollar pro Barrel für möglich. „Es gab bereits vor der Omikron-Variante eine rekordhohe Nachfrage, und jetzt kommt noch eine höhere Nachfrage nach Flugreisen hinzu“, erklärte der Ölexperte. Zudem sei die Weltwirtschaft immer noch auf Wachstumskurs. 2022 werde es daher einen neuen Nachfragerekord geben, 2023 einen weiteren.
Industriemetalle: Weiter nach oben
Ebenfalls stark gestiegen sind dieses Jahr die Industriemetallpreise. Zwar haben die meisten von ihnen – etwa Kupfer, Aluminium, Nickel und Blei – ihre Höchststände schon eine Weile hinter sich gelassen. Dennoch kommen zum Beispiel Industriemetallkorb-ETCs wie der WisdomTree Industrial Metals (<DE000A0KRKG7>) in diesem Jahr auf ein Plus von 36 Prozent.
Stephan von der Deutschen Bank sieht für 2022 noch deutliches Aufwärtspotenzial für Industriemetallpreise. „Der Aufbau einer nachhaltigen Infrastruktur dürfte über einen langen Zeitraum sehr energie- und ressourcenintensiv sein." Davon werde etwa die Notierung von Kupfer profitieren. Auch bei Metallen wie Silber, Platin und Palladium dürfte es laut Stephan wegen der hohen Nachfrage aus der Autoindustrie zu Kurssprüngen kommen.
„Aufbau nachhaltiger Infrastruktur sehr ressourcenintensiv“
Gold: „Konkurrenz von Aktien und anziehenden Zinsen“
Ausreißer nach unten ist in diesem Jahr ausgerechnet Gold: Aktuell kostet die Feinunze 1.797 US-Dollar nach 1.894 US-Dollar zum Jahresende 2020 – ein Minus von rund 5 Prozent. Euro-Anleger kommen bei einem Stand von aktuell 1.588 Euro noch auf ein kleines Plus von 3 Prozent. Inflation und Geldpolitik bleiben die entscheidenden Treiber für die Notierungen. Der starke Anstieg der Inflation hatte den Preis schon dieses Jahr gestützt, Nachrichten über eine Straffung der Geldpolitik und mögliche Zinserhöhungen führten hingegen zu Rücksetzern.
Auch für 2022 rechnen Analysten überwiegend mit keinem Höhenflug des Goldpreises. Das neue Jahr werde für Goldanleger wohl keine Wende zum Besseren bringen, meint etwa Claudia Windt von der Helaba. „Die Konkurrenz durch Aktien und anziehende Nominalzinsen bleibt bestehen.“ Allerdings dürfte Gold – auch wenn es um eine geldpolitische Wende herum etwas „holprig“ werden könne – sein erreichtes Niveau verteidigen, unter anderem wegen der Inflation. „Das Edelmetall wird um die 1.800 US-Dollar schwanken, begleitet von Schüben in Richtung 2.000 US-Dollar, da als Kaufmotiv zunehmend der Inflationsschutz hinzukommt.“
Die DekaBank sieht den Goldpreis Ende 2022 bei 1.820 US-Dollar beziehungsweise 1.580 Euro. Zwar werde die US-Notenbank Fed ab Mitte 2022 mehrere Male die Leitzinsen anheben, das Zinsniveau bleibe unter Berücksichtigung der Inflation aber noch für längere Zeit negativ. „Insofern dürfte die Goldnotierung zunächst souverän durch das sich langsam eintrübende Gewässer navigieren“, erklärt Dora Borbély.
Auch Gold-Optimisten: Edelmetall wird „wiederentdeckt“
Donner & Reuschel erwartet hingegen deutliche Kursgewinne in den kommenden Monaten. In diesem Jahr hätten noch der starke US-Dollar und die pandemiebedingt schwierige Lage vieler Schwellenländer mit traditionell hoher Schmuckgoldnachfrage den Preis gedrückt. „Da wir davon ausgehen, dass beide Faktoren in den kommenden Monaten an Einfluss verlieren und auch an den Aktienmärkten mit schwankungsreicheren Kursverläufen zu rechnen ist, spricht einiges für eine Wiederentdeckung des Goldes“, erklärt Carsten Mumm.
von: Anna-Maria Borse, 30. Dezember 2021, © Deutsche Börse AG