Rescaling: Massenentlassungen trotz Fachkräftemangel werden zunehmen
Bonn (ots) -
- Analyse der Bonner Wirtschafts-Akademie (BWA): Autoindustrie in der Krise,
Chemie verlässt Deutschland, KI verändert viele Jobs oder macht sie obsolet
- BWA-Geschäftsführer Harald Müller: "Unternehmen müssen ihre
Personalabteilungen für Rescaling aufstellen."
Massenentlassungen sind in immer mehr Industrieunternehmen an der Tagesordnung,
während die Wirtschaft gleichzeitig vom anhaltenden Fachkräftemangel geplagt
wird. Diese auf den ersten Blick paradoxe Situation wird sich künftig weiter
verschärfen, prognostiziert Harald Müller, Geschäftsführer der Bonner
Wirtschafts-Akademie (BWA). Als Gründe dafür nennt er die Deindustrialisierung
Deutschlands sowie den steigenden internationalen Innovations-, Wettbewerbs- und
Kostendruck. Die Unternehmen müssten darauf mit Rescaling - also der
strategischen Neuausrichtung ihres Personals auf allen Ebenen - reagieren. Doch
die meisten Personalabteilungen seien dafür nicht gut aufgestellt, weiß der
Akademie-Chef aus vielen Gesprächen und Projekten.
Autoindustrie und Chemie wandern aus Deutschland ab
Harald Müller gibt ein Beispiel für den Bedarf an Rescaling: "Das Umschwenken
der Automobilindustrie vom Verbrenner auf E-Mobilität macht viele hochbezahlte
Spezialisten auch bei den Zulieferern überflüssig. Diese Fachleute werden nicht
etwa umgeschult, sondern zuhauf auf den Arbeitsmarkt entlassen. Doch sie kommen
durchweg von einem hohen Gehaltsniveau und finden schwerlich neue Arbeitgeber,
die ähnlich gut bezahlen. Das wird zu einem Kaufkraftverlust in Deutschland auf
breiter Front führen."
Neben der Automobilbranche stehe die Chemische Industrie angesichts der
anhaltenden Unsicherheit, ob langfristig genügend bezahlbare Energie für die
Produktion in Deutschland zur Verfügung stehe, vor dem Aus hierzulande. "Wir
sehen seit einiger Zeit nur noch Ersatzinvestitionen in Deutschland.
Neuinvestitionen finden überwiegend im Ausland statt", stellt Harald Müller
fest. Daher stünden auch in der Chemie viele hochbezahlte Fachkräfte vor einem
Karriereknick, weil die "Auffangquote" für diese Spezialberufe in anderen
Branchen niedrig sei. "Die Abwanderung der Chemie wird nicht mehr aufzuhalten
sein, weil diese Branche eine Planungssicherheit von mindestens zehn Jahren
benötigt, die sie in Deutschland nicht findet", blickt Harald Müller sorgenvoll
in die Zukunft.
Innovations-, Wettbewerbs- und Kostendruck
Hinzu kommt der wachsende Wettbewerbs- und Kostendruck aus Osteuropa, China und
den ASEAN-Staaten sowie das hohe Innovationstempo der US-Wirtschaft. Viele
deutsche Konzerne und Großunternehmen reagieren darauf mit einer radikalen
Verschlankung beim Personalbestand, vor allem im mittleren Management,
analysiert BWA-Geschäftsführer Harald Müller. Er sagt: "Durch den Abbau ganzer
Hierarchiestufen wollen die Firmen nicht nur im großen Stil Kosten sparen,
sondern auch die Entscheidungsgeschwindigkeit in ihren Organisationen
signifikant verbessern, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken."
Nach Einschätzung von BWA-Chef Harald Müller ist das Aufblähen der
Organisationsstrukturen um immer neue Managementebenen in weiten Teilen der
Wirtschaft schon seit Jahren als Problemkreis bekannt. "Jetzt packen es die
Firmen endlich an", hat er in Gesprächen mit zahlreichen Vorständen aus der
Industrie festgestellt, weil "viele Topmanager die Angst umtreibt, am Ende wie
der letzte CEO von Nokia dazustehen, der mit einer viel zu großen Organisation
am Innovationstempo des Wettbewerbs gescheitert ist."
"Nadelöhr ist die Ressource Mensch"
Das "Nadelöhr" beim Rescaling - der besseren Nutzung der "Ressource Mensch" -
stellen die Personalabteilungen dar, heißt es bei der Bonner
Wirtschafts-Akademie. "Die meisten HR-Departments haben längst ihre strategische
Ausrichtung verloren und sind nur noch Handlanger des Controllings", sagt
BWA-Chef Harald Müller. So seien die Personalleiter in der Regel gar nicht in
der Lage, das Potenzial der vorhandenen Belegschaft in Bezug auf Know-how,
Leistungsfähigkeit und -bereitschaft sowie Entwicklungsmöglichkeiten zu
bewerten.
"Ich kann nur jedem Unternehmen empfehlen, seine Personalabteilung so rasch wie
möglich wieder in die Lage zu versetzen, beim anstehenden Rescaling eine aktive
Rolle zu übernehmen", mahnt BWA-Chef Harald Müller. Dazu gehöre eine
strukturierte Planung, welche Personalstärke mit welchen Fähigkeiten man in den
nächsten zehn Jahren benötigt.
"Nur wer eine klare Vorstellung von der Zukunft hat, kann seine Belegschaft
systematisch auf dieses Ziel hin entwickeln", spricht Harald Müller aus, was er
von vielen HR-Verantwortlichen hört. Doch die meisten Personalabteilungen haben
nicht einmal die Kapazitäten, um den Ist-Zustand ("wer kann was im
Unternehmen?") festzustellen, geschweige denn ein Soll-Ziel zu formulieren
("welche Fähigkeiten benötigen wir künftig in welcher Personalstärke?").
"Diffuse Klarheit über Künstliche Intelligenz"
Nach Einschätzung des BWA-Geschäftsführers ist mit Künstlicher Intelligenz (KI)
ein weiterer Unsicherheitsfaktor bei der Personalplanung hinzugekommen. "Auf
Vorstandsebene gibt es in der Regel eine diffuse Klarheit darüber, dass KI das
ganze Unternehmen durchschütteln wird", weiß Harald Müller aus zahlreichen
CEO-Gesprächen. "Aber die Auswirkungen auf die Personalplanung liegen
überwiegend völlig im Dunkeln", hat er auch bemerkt.
Die Bonner Wirtschafts-Akademie rät den Unternehmen zu einer "aktiven
Rescaling-Strategie statt sich von den Entwicklungen überrollen zu lassen und
nur auf Kostensenkung durch Massenentlassungen zu setzen." Als Schlüsselelemente
für diese zielgerichtete Ausrichtung von Management und Belegschaft auf die
Zukunft nennt die BWA eine systematische Bestandsaufnahme der vorhandenen
Mitarbeitenden über alle Hierarchien hinweg und darauf basierend eine
Weiterbildungsbedarfsanalyse. "KI wird über kurz oder lang bei Fach- und
Führungskräften auf allen Ebenen ankommen", gibt Harald Müller ein Beispiel, und
schlussfolgert: "Also sind die Unternehmen gut beraten, ein breit angelegtes
KI-Schulungskonzept zu entwickeln und auszurollen." Dabei geht es nach seiner
Einschätzung weniger darum, den Umgang mit einem spezifischen KI-Tool zu
vermitteln als vielmehr die Sensibilität dafür zu wecken, wo und wie sich KI in
der Organisation einsetzen lässt, um Produktivität, Kundenzufriedenheit und
Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.
Politischer Plan für den Strukturwandel unerlässlich
"Wenn die Autoindustrie und die Chemie mit ihren umfangreichen
Zuliefernetzwerken aus Deutschland abwandern und parallel dazu zigtausende
Arbeitsplätze durch Künstliche Intelligenz vernichtet werden, dann braucht man
einen wirtschafts- und sozialpolitischen Plan für diesen Strukturwandel",
appelliert Akademie-Geschäftsführer Harald Müller an die Politik. Er sagt: "Die
Politik muss erkennen, dass sich Fachkräftemangel und Massenentlassungen nicht
ausgleichen, sondern beides eigenständige Problemfelder darstellen."
Harald Müller verdeutlicht die Zusammenhänge: "Unser gesamter Sozialstaat hängt
von einer starken Wirtschaft ab: Rente, Krankenversicherung, Sozialleistungen.
Ohne eine leistungsfähige Wirtschaft in Deutschland wird der Wohlfahrtsstaat
nicht zu halten sein. Die politischen Verwerfungen einer solchen Entwicklung
sind längst sichtbar."
Der BWA-Chef hält die anstehenden Umwälzungen für vergleichbar mit dem
Strukturwandel der ehemaligen Montanunion, "aber nicht auf das Revier
beschränkt, sondern bundesweit." Er sagt: "Im Grunde braucht ganz Deutschland
ein Rescaling."
Die BWA Akademie ("Consulting, Coaching, Careers") ist seit über 25 Jahren unter
der Geschäftsführung von Harald Müller und Astrid Orthmann als Spezialist für
Personalentwicklung, Outplacement, Personalberatung und Training sowie für
Arbeitsmarktprogramme wie Beschäftigtentransfer erfolgreich. Die BWA versteht
sich als neutraler Vermittler zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften zum
Vorteil der Arbeitnehmer. Mit Hilfe der BWA haben mehr als zehntausend
Arbeitnehmer eine neue berufliche Zukunft gefunden. Das Spektrum reicht von der
Begleitung von Change Management-Prozessen über Vermittlung und Coaching von
Führungskräften bis hin zur Unterstützung bei der Gründung eines eigenen
Unternehmens.
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