Es geht weiter nach oben mit den Renditen am Anleihenmarkt – zumindest nominal. Staatsanleihen fliegen aus den Portfolios, auch viele Unternehmensanleihen stehen auf den Verkaufslisten. Im KMU-Segment plant Ekosem eine Umschuldung.
8. April 2022. Frankfurt (Börse Frankfurt). Der Zinsanstieg hat, mit kurzer Unterbrechung Anfang der Woche, weiter an Fahrt aufgenommen: Die Rendite für zehnjährige US-Staatsanleihen liegt mittlerweile bei 2,68 Prozent, Anfang des Jahres waren es noch 1,50 Prozent. Zehnjährige Bundesanleihen werfen 0,69 Prozent ab, nach minus 0,18 Prozent Anfang des Jahres.
Hintergrund ist die hohe Inflation und die Erwartung anziehender Leitzinsen. In der Eurozone sind die Verbraucherpreise im März gegenüber dem Vorjahr um 7,5 Prozent gestiegen. Für die am kommenden Dienstag zur Veröffentlichung anstehenden US-Verbraucherpreise im März rechnen die Volkswirte der Commerzbank sogar mit 8,5 Prozent.
Fed meint es ernst
Die US-Notenbank will im Kampf gegen die Inflation Nägel mit Köpfen machen. Wie das am Mittwoch dieser Woche veröffentlichte Protokoll zur letzten US-Notenbanksitzung zeigt, plant die Fed aggressive Zinsschritte und eine rasche Rückführung ihrer Bilanzsumme. Die EZB zeigte sich lange zögerlich. „Doch das EZB-Sitzungsprotokoll hat gestern gezeigt, dass einige Ratsmitglieder auf eine schnellere Reaktion zur Bekämpfung der hohen Inflationsraten drängen“, berichtet Ralf Umlauf von der Helaba. Auch in der Eurozone verfestige sich somit die Erwartung steigender Zinsen. Am Markt sind mittlerweile Zinserhöhungen in der Eurozone um jeweils 0,25 Prozentpunkte im September und Dezember 2022 und im Januar und März 2023 eingepreist.
Für die EZB-Sitzung am kommenden Donnerstag werden keine wichtigen Entscheidungen erwartet. „Die EZB hat mit dem Ende des PEPP-Anleihekaufprograms die Normalisierung bereits eingeläutet“, erklärt Anleihenanalyst Hauke Siemßen von der Commerzbank. Die Notenbanker würden wohl ihre Ausstiegsplanung bestätigen und mit dem Auslaufen der Nettoanleihekäufe über die kommenden Monate die Tür für zwei Zinserhöhungen vor Jahresende aufstoßen.
„Risse im Fundament des strukturellen Niedrigzinsumfelds“
Einige Ökonomen rechnen mit einem aggressiveren Vorgehen auch der EZB: Carsten Brzeski von der ING Group hält es für möglich, dass die EZB die Leitzinsen im September um 50 Basispunkte anheben wird. Auch der Deutschen Bank zufolge sind Anhebungen um 50 Basispunkte bei einer oder mehreren Sitzungen möglich.
„Auf längere Sicht sind die Risse im Fundament des strukturellen Niedrigzinsumfelds nicht zu übersehen“, erklärt Siemßen. Er geht davon aus, dass der Rentenmarkt von Inflationssorgen und daraus resultierenden steigenden Zinserwartungen getrieben bleiben wird. „Der Weg zu höheren Nominalrenditen dürfte in Wellen verlaufen, während die Realrenditen vorerst negativ bleiben werden.“ Die Bank hebt ihre Renditeprognose für zehnjährige Bundesanleihen von 0,6 auf 1,1 Prozent zum Jahresende an.
Kursminus bei ThyssenKrupp und Grenke
Wegen des deutlichen Zinsanstiegs trennen sich auch viele Anleger*innen von Unternehmensanleihen. „Im Moment ist der Abgabedruck groß, auf Dauer werden Anleihen wegen höherer Zinsen aber wieder attraktiver“, bemerkt Rainer Petz von Oddo BHF.
Moderate Kursverluste verzeichneten diese Woche ThyssenKrupp-Anleihen. „Das Unternehmen hat wohl Probleme wegen des Ukraine-Kriegs und den unterbrochenen Lieferketten“, erklärt Petz. Laut Gregor Daniel von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank nutzen Anleger*innen die Kursschwäche aber auch für Käufe der bis 2024 laufenden Anleihe mit Kupon von 2,875 Prozent (<DE000A2TEDB8>).
Abgaben melden die Händler für Grenke-Anleihen, da der Leasingkonzern eine Neuemission mit Kupon von 4,125 Prozent (<XS2469031749>) auf den Markt gebracht hat, allerdings mit Stückelung von 100.000 Euro. Die alten Anleihen, etwa die bis 2023 laufende mit Kupon von 1 Prozent (<XS1799162588>), gaben nach, wie Daniel berichtet.
Daniel
Ekosem will längere Laufzeit und gekappten Zins
Weiter nach unten geht es diese Woche für die Anleihen von Ekosem Agrar, der deutschen Holding des russischen Milchproduzenten Ekonovia. Am Dienstag dieser Woche gab der Konzern in einer Ad hoc-Meldung bekannt, sich wegen der Auswirkungen des Russland-Ukraine-Konflikts in einer finanziellen Krise zu befinden. Ekosem schlägt seinen Gläubigern daher eine Laufzeitverlängerung der beiden Anleihen (<DE000A2YNR08>, DE000A1R0RZ5>) um jeweils fünf Jahre und eine Reduzierung der Kupons von 7,5 bzw. 8,5 Prozent auf nur noch 2,5 Prozent vor.
Am 9. und 10. Mai sollen die Anleihegläubiger in außerordentlichen Versammlungen der Änderung zustimmen. „Damit bekommen sie die Pistole auf die Brust gesetzt. Denn wenn sie nicht zustimmen, geht das Unternehmen wohl in die Insolvenz“, bemerkt Daniel. Viele hätten sich schon von den Papieren verabschiedet, Daniel sieht aber auch einzelne Käufer. Die 2024 fällige Anleihe mit Kupon von 7,5 Prozent wird aktuell zwischen 10 und 11 Prozent gehandelt.
von: Anna-Maria Borse 8. April 2022, © Deutsche Börse AG