Die massiven Turbulenzen, ausgelöst durch den Ukraine-Krieg, sind erst einmal vorbei. Der Handel hat sich halbwegs normalisiert. Selbst neue Anleihen kommen wieder auf den Markt – sogar richtig viele.
25. März 2022. Frankfurt (Börse Frankfurt). Wirklich gebessert hat sich die Nachrichtenlage nicht, dennoch ist etwas Ruhe eingekehrt im Anleihehandel. „Jetzt ist erst einmal Durchschnaufen angesagt“, meldet Arthur Brunner von der ICF Bank. Die Umsätze seien nun eher niedrig. „Der Markt ist weiterhin dominiert von der Kombination aus Krieg, hohen Rohstoff- und Energiekosten sowie steigenden Zinsen und damit Anleihenenditen“, fasst es Tim Oechsner von der Steubing AG zusammen. Nach der Panik der vergangenen Wochen sei der Anleihemarkt aber fast wieder im alten Fahrwasser: Die Liquidität sei etwas besser, es gebe wieder Käufer und Verkäufer, der Sekundärmarkt funktioniere wieder. „Da die Ukraine-Krise noch ungelöst ist, kann jederzeit zu Rücksetzern kommen,“ bemerkt der Händler.
Notenbanker im Inflationskampf
Immer deutlicher wird, dass die Notenbanken die Zügel tatsächlich straffen wollen. US-Notenbankpräsident Jerome Powell hat diese Woche signalisiert, womöglich noch schneller an der Zinsschraube zu drehen als bislang geplant. Grund seien die „viel zu hohen Inflationsraten“. Die Fed hat den Leitzins bereits um 0,25 Prozentpunkte angehoben, am Markt werden sieben weitere Zinserhöhungen in diesem Jahr erwartet.
Die EZB hat bislang nur beschlossen, die umfangreichen Anleihekäufe schneller zurückzufahren. Doch auch für den Euroraum wird ein erster Zinsschritt in diesem Jahr prognostiziert. Am gestrigen Donnerstag teilte die EZB mit, die im April 2020 eingeführten Erleichterungen bezüglich von Sicherheiten auslaufen zu lassen. Dabei geht es darum, welche Wertpapiere die Notenbank als Sicherheiten für Kredite akzeptiert. Das gilt als weiterer Schritt der Normalisierung. Griechische Staatsanleihen sollen allerdings vorerst weiter akzeptiert werden.
Renditen auf Mehrjahreshochs
Die Renditen von Staatsanleihen sind schon deutlich gestiegen: Zehnjährige Bundesanleihen rentieren mittlerweile mit 0,51 Prozent, kurzzeitig waren es sogar 0,55 Prozent – der höchste Stand seit 2018. Die Rendite zehnjähriger US-Anleihen liegt schon bei 2,34 Prozent.
„Mit den steigenden Inflationsraten in der kommenden Woche erwarten wir weiter steigende Renditen“, erklärt Analyst Hauke Siemßen von der Commerzbank. Zehnjährige Bund-Renditen würden in Richtung 0,6 Prozent steigen.
„Wieder Käufe bei kleineren Anleihen“
Auch der Handel mit Unternehmensanleihen hat sich halbwegs normalisiert. „Insgesamt ist es ruhig“, berichtet Gregor Daniel von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank. Auf den Kaufzetteln der Anleger stand dem Händler zufolge eine bis 2026 laufende Lanxess-Anleihe mit Kupon von 1 Prozent (XS1501367921). Gestiegen im Kurs – bei kleineren Umsätzen – ist laut Oechsner eine etwas ungewöhnliche Anleihe: die Ende dieses Jahres fällige goldpreisgebundene Anleihe der Veragold Mining Company GmbH (<DE000A2TR091>), für die die Zinszahlung erst am Ende der Laufzeit erfolgt. Wichtigstes Asset des Goldproduzenten ist das Mina Santa Rosa-Projekt in Panama.
Zum Erliegen gekommen ist der in den vergangenen Wochen zu beobachtende Ausverkauf von Anleihen kleiner und mittelständischer Unternehmen. „Es gibt sogar wieder einige Käufe“, stellt Brunner fest. Zugegriffen wird zum Beispiel bei der bis 2025 laufenden Anleihe der SGL International mit 7,75 Prozent Kupon (<SE0015810759>). Der Bond wird nach zuvor unter 100 nun zu 101,5 Prozent gehandelt. Umsätze in beide Richtungen beobachtet der ICF-Händler für Papiere des Private Equity-Unternehmens Aurelius Equity Opportunities mit Kupon von 4,25 Prozent und Fälligkeit 2024 (<NO0010861487>).
„Bei schlechten Nachrichten schneller Rückzug“
Unternehmen wagen sich auch wieder mit Neuemissionen auf den Markt. „Sie versuchen, die niedrigen Zinsen noch zu nutzen, gerade auch angesichts der jüngsten Signale der US-Notenbank“, bemerkt Brunner. „Carrefour, Eon, Nestlé, Bayer, VW, EU, L`Oréal, Vonovia, GSK – es war richtig viel los“, stellt auch Oechsner fest. Das Interesse der Anleger sei in jedem Fall da. „Sie ziehen sich aber auch schnell wieder zurück, wenn schlechten Nachrichten kommen.“ Zu beobachten gewesen sei das diese Woche zum Beispiel bei einer Neuemission von Linde. Verhaltendes Interesse meldet Daniel für die neue Anleihe von Nestlé, fällig 2031 und mit Kupon von 1,25 Prozent (XS2462321303). Die Mindeststückelung liegt bei 1.000 Euro.
Seit gestern und bis zum 6. April, vorzeitige Schließung vorbehalten, kann ein Green Bond von AOC Die Stadtentwickler gezeichnet werden. Der Bond des Magdeburger Bauprojektentwicklers im Volumen von bis zu 30 Millionen Euro ist im April 2027 fällig und bietet einen Kupon von 7,5 Prozent. Die zufließenden Gelder sollen in umweltfreundliche Gebäude, erneuerbare Energien und sauberen Transport fließen. Die Neuemission mit Stückelung von 1.000 Euro wird voraussichtlich am 8. April in den Freiverkehrshandel der Frankfurter Wertpapierbörse einbezogen.
von: Anna-Maria Borse 25. März 2022, © Deutsche Börse AG