Die Zinswende in Europa rückt näher. Auch die EZB will nun die Inflation bekämpfen. Anleihen-Investor*innen waren von der Klarheit der Ankündigung überrascht.
27.Mai 2022Frankfurt (Börse Frankfurt). Die Ankündigung von EZB-Präsidentin Christine Lagarde zu Wochenbeginn, negative Zinsen zum Ende des dritten Quartals abzuschaffen, hat für Druck bei Anleihen gesorgt, insbesondere bei kürzeren Laufzeiten. Im Verlauf der Debatte forderten weitere EZB-Ratsmitglieder noch schnellere Zinserhöhungen. Die Renditen zweijähriger Staatsanleihen erreichten zeitweise das höchste Niveau seit 2011. Zuletzt beruhigte sich die Lage: Der Bund Future steht bei 153,71 Zählern. Die zehnjährigen Bundesanleihen rentieren mit 0,94 Prozent.
„Der Alleingang von Christine Lagarde dürfte eine kontroverse Diskussion innerhalb des EZB-Rates nach sich ziehen“, erklärt Arthur Brunner von der ICF Bank. Von Zinserhöhungen über 50 Basispunkte sei aber zunächst noch nicht auszugehen.
Ratsmitglied Francois Villeroy hatte im Wochenverlauf betont, dass eine Erhöhung um 50 Basispunkte derzeit nicht das Basisszenario der EZB sei. Hingegen schloss EZB-Ratsmitglied Robert Holzmann einen solch größeren Zinsschritt nicht aus.
FED-Protokoll erhöht Druck auf EZB
Positiv hingegen reagierten die Anleihenmärkte auf das jüngste FED-Protokoll. Es bestätigt einen Konsens für FED-Chef Powells Basisszenario von Erhöhungen um 50 Basispunkte im Juni und Juli und eine restriktive Haltung der Geldpolitik. „Nun erhöht sich der Druck auf den EZB-Rat weiter, die Zinsen schneller zu straffen“, kommentiert Tim Oechsner von der Steubing AG. Ein straffer Kurs der FED sei aber eingepreist. Zugleich färbe aber nach seiner Ansicht das schwache Umfeld für Technologie-Aktien und die damit verbundene Unsicherheit der Anleger*innen auf das Sentiment am Anleihenmarkt ab.
Gregor Daniel von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank berichtet von generell moderaten Umsätzen im Anleihenhandel. „Das Interesse der Anleger*innen wäre größer, wenn Risiken adäquat verzinst werden würden“, erklärt Daniel. Aktuell sei nicht absehbar, dass die Marktrisiken wie Ukraine-Krieg, Inflation und drohende Rezession weichen. Auch wenn die Zinsen steigen, blieben die Realrenditen im aktuellen Umfeld negativ. „Investor*innen haben hier noch keinen Ausgleich.“
Daniel
Österreich legt ersten Green Bond auf
Bewegung ist im Markt für Staatspapiere: Frankreich, Finnland und Litauen seien hier diese Woche aktiv gewesen, berichtet Brunner. Nach seinen Angaben ist in dieser Woche Österreich in den Markt für Green Bonds eingestiegen. Die Alpenrepublik stieß mit ihrer ersten grünen Anleihe über 4 Milliarden Euro auf hohe Nachfrage: „Es gab Gebote im Wert von 25 Milliarden“, berichtet Brunner. Österreich wolle nun innerhalb von zwei Jahren grüne Staatspapiere mit einem Volumen von 10 Milliarden Euro emittieren.
Brunner verweist insbesondere auf die Bewegung bei Immobilien-Unternehmen: So seien Zinspapiere von Publity (DE000A254RV3) mit Laufzeit 2025 und einem Kupon 5,5 Prozent in dieser Woche auf den Kauflisten. „Das überrascht vor allem hinsichtlich der Negativ-Nachrichten aus dem Sektor“, ergänzt Brunner. Die Staatsanwaltschaft soll strafrechtliche Ermittlungen gegen die Adler Group, einem der großen Immobilien-Unternehmen mit Sitz in Luxemburg, eingeleitet haben.
Oechsner berichtet in diesem Zusammenhang von Einbrüchen bei einem Papier der Corestate (DE000A19SPK4). Das Papier mit Laufzeit 2022 und 1,375 Prozent Kupon hatte Anfang März noch bei 90 gestanden, notiere nun nur noch bei 45. Der Immobiliensektor an sich sei auf Grund der Negativ-Meldungen nicht zuletzt von Adler unter Druck.
Käufe registriert Oechsner in dieser Woche in der Anleihe des Fintechs 4Finance (XS1417876163) mit 11,25 Prozent Zins und Fälligkeit 02/2025. Das Fintech ist Anbieter von Verbraucherkrediten. „Mit einem Moody's Rating der Anleihe von B2 gehen Investor*innen hier ein sehr hohes Risiko ein.“ Nach Veröffentlichung der Zahlen für das erste Quartal handelte die Anleihe bei 97 Prozent, zuletzt bei 95 Prozent.
Hohe Nachfrage verzeichnet Brunner nach Ferratum-Anleihen, die bis 2023 laufen bei 5,5 Prozent Kupon.
Gekauft wurde eine Anleihe des Automobil-Zulieferers Schaeffler, berichtet Daniel, das auf Wochensicht Kursgewinne verzeichnet. Das Papier (DE000A2YB7B5) läuft bis 2027 und wird mit 2,875 Prozent verzinst.
von: Antje Erhard 27. Mai 2022, © Deutsche Börse AG