Die hohe Inflation zu bekämpfen, gleichzeitig aber die Wirtschaft nicht abzuwürgen – für Notenbanker kein leichtes Unterfangen. Der Markt schwankt zwischen Zweifeln und Zuversicht bezüglich des Gelingens. Am Neuemissionsmarkt war einiges los.
20. Mai 2022 Frankfurt (Börse Frankfurt). Die Lage an den Märkten bleibt angespannt. „In dieser Woche standen am Rentenmarkt die Angst vor einer globalen Rezession und viele Kommentare von Fed- und EZB-Mitgliedern im Fokus“, berichtet Tim Oechsner von der Steubing AG. „Die Volatilität ist weiterhin hoch.“
Die Zeichen stehen jedenfalls klar auf steigende Zinsen – auch in der Eurozone. Diese Woche signalisierten einige EZB-Mitglieder eine erste Zinserhöhung im Juni. Etwa äußerte der finnischen Notenbankchef Olli Rehn, dass sich die Leitzinsen relativ schnell aus dem negativen Bereich herausbewegen und der graduelle Prozess der geldpolitischen Normalisierung fortgesetzt werden müssten. „Damit stehe ich nicht allein, denn dies ist auch die Meinung vieler meiner Kollegen“, sagte er.
Zinserhöhungen: „Sparer und Banken würde es freuen“
Noch stärkere Signale sendet die US-Notenbank, Arthur Brunner von der ICF Bank spricht von einem „strammen Kurs bis Jahresende“. Fed-Chef Powell hatte diese Woche erklärt, dass die Leitzinsen so lange steigen würden, bis es überzeugende Belege für einen Rückgang der Inflation gebe. Dafür müsse auch ein niedrigeres Wirtschaftswachstum in Kauf genommen werden.
Viele Banken passen ihre Leitzinsprognosen nun nach oben an. „Wir erwarten nunmehr die Leitzinswende im Sommer“, erklärt etwa Ulf Krauss von der Helaba. Der Einlagensatz werde dann um 25 Basispunkte angehoben werden. Im vierten Quartal, möglicherweise bereits im September, werde ein zweiter Zinsschritt um 25 Basispunkte erfolgen, die nächste Zinsanhebung im ersten Quartal 2023. „Damit dürfte die Negativzinsphase ein relativ zügiges Ende finden. Die Sparer und Banken würde es freuen.“
Brunner
Im Vergleich zur Vorwoche liegen die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen wieder etwas höher: Aktuell sind es 0,98 Prozent nach 0,89 Prozent vergangenen Freitag. Im Hoch Anfang vergangener Woche waren es allerdings 1,19 Prozent. Die Rendite zehnjähriger US-Treasuries liegt am Freitagmittag bei 2,86 Prozent und damit auf dem Niveau der Vorwoche.
Hybridanleihen: Einstieg bei Kursrücksetzern
Im Handel mit Unternehmensanleihen gefragt bleibt die Anleihe der Preos Global Office Real Estate & Technology (DE000A254NA6), wie Brunner berichtet. Ebenso gesucht seien Papiere von Katjes International (DE000A2TST99) mit 4,25 Prozent und Laufzeit bis 2024 und die im April kommenden Jahres fällige Anleihe von Ferratum Capital Germany mit Kupon von 5,5 Prozent (<SE0012453835>). „Rücksetzer bei Hybridanleihen wie von VW (XS1048428442) werden regelmäßig für Käufe genutzt.“
Gregor Daniel von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank berichtet von Käufen in der bis 2026 laufenden VW-Anleihe mit Kupon von 2,25 Prozent (XS1893631769) und der bis 2024 laufenden ThyssenKrupp-Anleihe mit 2,875 Prozent (<DE000A2TEDB8>).
Umsätze um 72 Prozent meldet Tim Oechsner für eine Anleihe von blueplanet Investments mit Kupon von 5,5 Prozent und Fälligkeit 2026 (DE000A3H3F75). „Im März gab es technische Probleme bei der Zinszahlung, die sollen nun aber behoben sein.“ Bei der Anleihe handelt es sich um einen Green Bond. „Der Mittelzufluss dient dem Auf- und Ausbau des Bereichs ‚blueplanet water‘, eines von drei Geschäftsfeldern der blueplanet AG.“ Kontaminiertes Grund-, Ab-, Schmutz-, Regen- und Trinkwasser soll zu sauberem und sicherem Trinkwasser aufbereitet werden.
Daniel
Deutsche Bahn mit neuem Bond
Auch wenn das Emissionsvolumen in diesem Jahr klar rückläufig ist (s. Kasten): Die im Vergleich zu den Hochs vor anderthalb Wochen wieder etwas niedrigeren Renditen wurden diese Woche für viele Neuemissionen genutzt. „Unternehmen standen Schlange“, schildert Brunner die Lage. „Es wurden vielen Deals gepriced, vor allem im etwas risikoreicheren Segment der Unternehmensanleihen, meist jedoch mit einer Mindestanlagesumme von 100.000 Euro“, erklärt Oechsner. Eine Ausnahme bildet Oechsner zufolge die Deutsche Bahn mit einer Neuemission mit 1.000 Euro-Stückelung, achtjähriger Laufzeit und Kupon von 1,875 Prozent (XS2484327999).
Neues auch von Würth und Fresenius
Daniel meldet neue Anleihen von Würth und Fresenius, beide mit Laufzeit bis 2030 und Mindestanlagesumme von 1.000 Euro: Die Anleihe des Schraubenkonzerns Würth bietet 2,125 Prozent im Jahr (XS2480515662), die des Gesundheitskonzerns Fresenius 2,875 Prozent (XS2482872251). „Da passiert aber nicht viel, angesichts der hohen Inflation ist das für die meisten Anleger uninteressant.“
Auf Zuspruch stieß laut Brunner eine neue auf Euro lautende Polen-Anleihe mit Kupon von 2,75 Prozent, Fälligkeit 2032 und Stückelung von 1.000 Euro (XS2447602793).
Die erhebliche Verteuerung der Refinanzierungskosten für Unternehmen macht sich laut Helaba auch an den Primärmärkten bemerkbar: Europäische Unternehmensanleihen verzeichneten im April die niedrigsten Emissionsvolumina seit zehn Jahren. „Auch der Mai verspricht keine Besserung: Zur Monatsmitte liegt das Platzierungsvolumen bei nur 10 Milliarden Euro und wird im Gesamtmonat wohl kaum an den Vorjahreswert von 34 Milliarden Euro anknüpfen können“, erklärt Analyst Ulrich Kirschner. Der Bank zufolge haben die Renditen von Unternehmensanleihen inzwischen den höchsten Stand seit 2014 erreicht. „In der Spitze lag der iBoxx EUR Non-Financials letzte Woche bei 2,57 Prozent. Dies waren ganze zwei Prozentpunkte mehr als noch sechs Monate zuvor“, berichtet Kirschner mit Blick auf den Index für liquide, auf Euro lautenden Anleihen privater Nicht-Finanzunternehmen.
von: Anna-Maria Borse, 20. Mai 2022, © Deutsche Börse AG
Anna-Maria Borse ist Finanz- und Wirtschaftsredakteurin mit den Schwerpunkten Finanzmarkt/Börse und volkswirtschaftliche Themen.
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