Lieber keine Neuengagements – so lautet das Motto diese Woche angesichts des wichtigen Notenbankertreffens in Jackson Hole. Insgesamt wird ein hartes Vorgehen der Fed gegen die Inflation erwartet. Die Renditen steigen weiter.
26. August 2022 Frankfurt (Börse Frankfurt). Die Finanzwelt blickt derzeit gen Jackson Hole im US-Bundesstaat Wyoming. „Die Notenbanker-Konferenz in Jackson Hole und die Energiepreise sind die übergeordneten Themen am Anleihenmarkt“, berichtet Tim Oechsner von der Steubing AG. Vor dem Notenbankertreffen sei die Nervosität und damit die Volatilität am Anleihenmarkt gestiegen. „Die Aussagen der Notenbanker sind für die Entwicklung in den kommenden Tagen und Wochen prägend.“ US-Notenbankchef Jerome Powell wird sich am Nachmittag europäischer Zeit äußern.
Am Markt wird davon ausgegangen, dass die US-Notenbank weiter aggressiv gegen die hohe Inflation vorgehen wird. Doch auch in Bezug auf die EZB setzt sich die Erwartung durch, dass diese die hohe Inflation bekämpfen wird – selbst bei sich verschlechternden Konjunkturaussichten.
„Auch EZB-Zinserwartungen deutlich gestiegen“
Unterdessen hat der erneute Anstieg der Gaspreise die Inflationssorgen weiter geschürt. „Am Rentenmarkt überwiegen die Sorgen vor einer hohen Inflationsrate, die im weiteren Jahresverlauf die 10 Prozent-Markt überschreiten könnte“, bemerkt Anleihenanalyst Hauke Siemßen von der Commerzbank. Die EZB-Zinserwartungen seien im Zuge dessen deutlich gestiegen. Inzwischen rechne der Markt damit, dass die EZB ihre Zinsen das komplette erste Halbjahr 2023 hindurch weiter erhöht. „Als Hochpunkt wird nun ein Leitzins von fast 2 Prozent erwartet.“
Zehnjährige Bundesanleihen rentieren am Freitagmittag wieder mit 1,35 Prozent nach 1,18 Prozent vergangenen Freitag und 0,71 Prozent Anfang August. Auch in den USA weisen die Zinsen wieder nach oben: Die Rendite zehnjähriger US-Treasuries ist wieder über 3 Prozent geklettert und liegt aktuell bei 3,08 Prozent.
Gedämpfte Aktivität
„Akteure halten sich stark zurück“, schildert Arthur Brunner von der ICF Bank die Lage. „Anleger agieren weiterhin vorsichtig“, erklärt auch Oechsner. In ausgesuchten Titeln seien allerdings verstärkt Käufe zu sehen. Etwa seien US-Treasuries gut nachgefragt, zum Beispiel eine bis 2023 laufende Anleihe mit Kupon von 2,75 Prozent (<US9128284X55>), die derzeit eine Rendite von 3,27 Prozent abwirft.
Auch bei Exotischerem wird zugegriffen, wie Gregor Daniel von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank feststellt – wenn auch nicht im großen Stil. Er meldet Käufe in rumänischen Staatsanleihen (XS1312891549, XS1768074319, XS2364200514) mit Kupon von 2,75 Prozent, 3,375 Prozent und 2,875 Prozent und Fälligkeit 2025, 2038 und 2042. „Da lockt wohl die Rendite.“ Die liegt aktuell bei 3 Prozent, 6,17 Prozent und 6,32 Prozent
Gute Nachfrage nach RWE, Grenke und Mutares
Im Geschäft mit Unternehmensanleihen ist laut Oechsner die neue RWE-Anleihe mit Kupon von 2,5 Prozent und Laufzeit bis 2025 (XS2523390271) gesucht. Brunner meldet anhaltend gute Nachfrage nach Grenke Finance-Anleihen (<XS1910851242>), aber auch nach Bonds von Mutares (<NO0010872864>).
Deutliche Abschläge muss Brunner zufolge die Anleihe der Zur Rose Group (<CH0505011897>) hinnehmen, ein Schweizer Arzneimittelversender. Es kursieren Gerüchte über zusätzlichen
Finanzierungsbedarf, das Unternehmen leidet unter anderem an den Verzögerungen bei der Einführung des E-Rezeptes in Deutschland. „Auch der Aktienkurs ist eingebrochen.“
Semper mit Umtauschofferte
Für bestehende Anleihen von Semper idem Underberg gibt es seit dieser Woche ein Umtauschangebot, wie Daniel berichtet. Die bis 2024 (<DE000A2LQQ43>) beziehungsweise 2025 laufenden Papiere (<DE000A2YPAJ3>) können bis zum 26. September in eine neue Anleihe mit Kupon von 5 bis 6 Prozent und Fälligkeit 2028 (DE000A30VMF2) umgetauscht werden. Der endgültige Zinssatz soll bis spätestens 28. September festgelegt werden. Anleihegläubiger sollen je Altanleihe eine neue Anleihe erhalten, zuzüglich eines Barausgleichs in Höhe von 7,50 Euro je Anleihe sowie der jeweils anteiligen Stückzinsen.
Neuemissionen gibt es wieder einige, wie Brunner berichtet, etwa von Eon mit Laufzeit bis 2028, Kupon von 2,875 Prozent und Stückelung von 1.000 Euro. Das Listing in Frankfurt erfolgt am Montag. Außerdem kam Finnland mit einer neuen Anleihe auf den Markt, die 2027 fällig ist und 1,375 Prozent bietet (FI4000527551).
von: Anna-Maria Borse, 26. August 2022, © Deutsche Börse AG
Anna-Maria Borse ist Finanz- und Wirtschaftsredakteurin mit den Schwerpunkten Finanzmarkt/Börse und volkswirtschaftliche Themen.
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