Raus aus allem, was mit Russland zu tun hat, rein in sichere Häfen – der Anleihehandel steht ganz im Zeichen des Krieges. Gegenüber gestern zeichnet sich allerdings eine kleine Beruhigung ab. Nun geht es auch um die Frage: Was bedeutet das alles für die Geldpolitik?
25. Februar 2022. Frankfurt (Börse Frankfurt). Ukraine und nochmal Ukraine. „Der Krieg ist das alles beherrschende Thema“, berichtet Arthur Brunner von der ICF Bank fest. „Wir sehen extreme Verwerfungen“, stellt Tim Oechsner von der Steubing AG fest. „Anleger sind stark verunsichert.“
„Alles, was irgendwie mit Russland oder der Ukraine zu tun hat, ist betroffen“, erklärt Gregor Daniel von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank: etwa eine 2025 fällige Staatsanleihe der Ukraine (<XS1303925470>), die vergangenes Jahr noch bei 110 Prozent gehandelt wurde und jetzt nur noch bei 37 Prozent notiert. Die Kurse anderer Ukraine-Anleihen (XS1303929894) fielen von 67 auf 22,62 Prozent beziehungsweise 83 auf 40,55 Prozent (<XS1303927179>).
Handelsverbot soll kommen
Ebenfalls betroffen sind Anleihen der russischen Föderation, wie Oechsner (<RU000A0JS3W6>, <RU000A0JU4L3>, <RU000A0JTJL>, <RU000A0JSMA2>) meldet. „Anleger wollen raus aus den Anleihen, es ist aber schwierig“, bemerkt Brunner. Käufer gebe es kaum. Auch die Abwicklung könne zum Problem werden.
Wann und wie genau das im Rahmen der EU-Sanktionen beschlossene Verbot des Handels mit russischen Staatanleihen greift, ist noch unklar. „Wir gehen davon aus, dass das Verbot ähnlich umgesetzt wird wie im Fall Venezuela“, sagt Oechser. Papiere wie die 2026 fällige venezolanische Staatsanleihe (<USP17625AE7>) stünden seitdem nur noch als Merkposten auf Bloomberg.
Oechsner
Swift-Ausschluss würde Russland hart treffen
Auch der Ausschluss Russlands aus dem Banken-Kommunikationsnetzwerk Swift stand zur Debatte, wurde aber noch nicht beschlossen. Mit einem solchen Schritt würde Russland quasi komplett vom globalen Finanzsystem abgeschnitten. „Bereits dreimal wurden Banken in bestimmten Ländern von dem Zahlungssystem ausgeschlossen: Iran, Afghanistan und Nordkorea“, berichtet Oechsner. „In allen drei Ländern hatte das schwerwiegende wirtschaftliche Folgen.“ So seien iranische Banken 2012 in Reaktion auf das Atomprogramm des Landes abgeschnitten worden. „Der Großteil der Exporte sowie Importe des Landes konnte nicht mehr bezahlt werden. Seitdem befindet sich das Land in einer Wirtschaftskrise.“
„Geldpolitische Straffung nicht ganz aus der Welt“
Wie immer in Krisensituationen setzen Anleger*innen auf bonitätsstarke Anleihen. „Wir sehen eine Flucht in sichere Häfen“, erklärt Rainer Petz von Oddo BHF. Der Euro Bund Future legte deutlich zu. Die Rendite für zehnjährige Bundesanleihen liegt wieder bei nur 0,18 Prozent. Zuvor war sie in Erwartung einer strafferen Geldpolitik bis auf 0,33 Prozent gestiegen.
Diskutiert wird nun, ob die Notenbanken die geldpolitischen Zügel tatsächlich straffen werden. „Die Zentralbankkommentare in dieser Woche hatten eigentlich eher auf einen schnelleren Ausstieg aus der ultra-lockeren Geldpolitik hingedeutet“, bemerkt Analyst Hauke Siemßen von der Commerzbank. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine bleibe aber abzuwarten, ob dieser Konsens im EZB-Rat auf der Sitzung am 10. März Bestand behalten werde. Die geldpolitische Straffung könne aber nicht ganz aus der Welt sein: „Die steigenden Energiepreise werden den Inflationsdruck weiter befeuern.“
Petz
„Alle Anleihen russischer Unternehmen leiden“
Viele Unternehmensanleihen haben ebenfalls kräftige Kursverluste zu verschmerzen. „Alle Anleihen von russischen Unternehmen leiden“, erklärt Daniel, etwa Gaz Capital (<XS0191754729>). Der Kurs fiel von 125,90 auf 90 Prozent.
Auch Anleihen zahlreicher kleiner und mittelständischer Unternehmen sind betroffen. Vor allem solche mit schwächerer Bonität oder solche mit Russland-Bezug. Stark nach unten geht es Daniel zufolge etwa für die Papiere von Ekosem-Agrar (<DE000A2YNR08>), der deutschen Holdinggesellschaft der Ekoniva Gruppe, einem der größten russischen Agrarunternehmen. Die Anleihe wird am Freitagmorgen nur noch zu 38 Prozent nach zuvor 68,50 Prozent gehandelt.
von: Anna-Maria Borse 25. Februar 2022, © Deutsche Börse
Anna-Maria Borse ist Finanz- und Wirtschaftsredakteurin mit den Schwerpunkten Finanzmarkt/Börse und volkswirtschaftliche Themen.
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