Am Rentenmarkt sind sowohl sichere Häfen wie auch risikoreichere Mittelstandsanleihen gesucht. Der Facebook-Mutterkonzern Meta Platforms platziert bei seinem Anleihen-Debüt vier Tranchen erfolgreich.
5. August 2022Frankfurt (Börse Frankfurt). Das Sommerloch hat auch den Anleihenmarkt erfasst. „Wir sehen geringere Umsätze und abgekühlte Volatilität bei nahezu unveränderten Renditen“, fasst Tim Oechsner von der Steubing AG die Lage zusammen.
„Nach dem deutlicher Renditerückgang der Vorwoche konnten deutsche Staatsanleihen diese Woche ihr Niveau im Großen und Ganzen halten“, bestätigt Arthur Brunner von der ICF Bank. Der Bund Future steht bei 157,95 Punkten am Schluss der Vorwoche. Die zehnjährige Bundesanleihe rentiert mit 0,81 Prozent.
„Einerseits bleiben Bundesanleihen als sicherer Hafen im Fokus, andererseits wagen Investoren zumindest aktuell wieder etwas mehr Risiken“, fasst Rentenexperte Brunner zusammen. Zugleich hat sich der Renditeabstand deutscher und italienischer Staatstitel mit 10 Jahren Laufzeit von 240 auf 213 Basispunkte verringert. Brunner verweist auf das neue Kriseninstrument der EZB, TPI. Mit diesem Transmission Protection Instrument kann die Zentralbank Liquidität aus ausgelaufenen Bundesanleihen in italienische Papiere investieren. „Die Zahlen belegen, dass das auch passiert.“
Sorgen nicht aufgehoben, nur aufgeschoben
„Die großen übergeordneten Sorgen der Geopolitik, die Inflation, die Zinserhöhungen der Notenbanken sowie die konjunkturelle Lage sind zwar etwas in den Hintergrund getreten, doch sie sind immer noch präsent“, erklärt Oechsner. Aufgeschoben sei nicht aufgehoben.
Oechsner
Die Rezessionssorgen zeigen sich nach Einschätzung von Oechsner bereits am US-Rentenmarkt: „Die Renditen zweijähriger Anleihen sind höher als die Renditen für 10 Jahre laufende Papiere.“ Damit hat sich die so genannte Zinsstrukturkurve umgekehrt. Deshalb würden nun mit Spannung die US-Arbeitsmarktdaten am Nachmittag erwartet, schaut Oechsner voraus. Die Entwicklung des Arbeitsmarktes in den USA würde einen weiteren Rückschluss zulassen, ob die US-Notenbank FED Zinserhöhungen wie geplant fortsetzt. „Entwickelt sich der Arbeitsmarkt schwächer, steigt die Angst, dass die FED mit ihren Zinserhöhungen eine Rezession ausgelöst haben könnte“, ergänzt Oechsner.
„Alles in allem steht der Arbeitsmarkt den US-Währungshütern nicht im Wege, das Leitzinsband weiter zu erhöhen“, beurteilen Ulrich Wortberg und Ralf Umlauf von der Helaba die Lage. Zuletzt hätten einige FED-Vertreter keinen Zweifel an der Entschlossenheit der Notenbank aufkommen lassen. Für September wurde eine Erhöhung von mindestens 50 Basispunkten angedeutet. „Mit einer Forcierung der Zinserwartungen ist heute aber nicht zu rechnen, nachdem diese in den letzten Tagen schon etwas zugelegt hatten. Bis zum Ende dieses Jahres wird ein Leitzinsniveau von etwa 3,4 Prozent eskomptiert.“
Bank of England erhöht Leitzinsen wie geplant
Die Bank of England hatte positive Stimmung bei Renten ausgelöst, nachdem sie die Leitzinsen um 50 Basispunkte angehoben hatte und damit so stark wie seit 27 Jahren nicht. Für den Herbst erwartet sie dennoch eine Inflation von 13,3 Prozent in Großbritannien. „Vor diesem Hintergrund sind Renten-Anleger hier zu Lande noch vollkommen unbeeindruckt davon, was auf die Eurozone zukommen kann“, formuliert Brunner. Die Inflationsaussichten und auch der Besuch von Nancy Pelosi, der Sprecherin des U-Repräsentantenhauses, in Taiwan hätten kaum Einfluss auf die Rentenmärkte genommen.
Auch positive Quartalszahlen aus USA haben Stimmung beeinflusst
„Positive Quartalszahlen vor allem von US-Technologieunternehmen haben im Wochenverlauf auch die Stimmung am Anleihenmarkt freundlich beeinflusst“, ergänzt Oechsner. Zum Wochenschluss überraschte denn auch die deutsche Industrie positiv: Trotz Lieferengpässen und Ukraine-Krieg stieg die Produktion im verarbeitenden Gewerbe Juni, während Volkswirte mit einem Rückgang gerechnet hatten.
Meta debütiert am Anleihenmarkt
Die Facebook-Mutter Meta Platforms hat erstmals Anleihen begeben. Mit vier Tranchen (<USU59197AB66>), (USU59197AD23), (USU59197AF70), (USU59197AE06) mit Laufzeiten von 5 bis 40 Jahren will das Unternehmen Kapital für Investitionen, Übernahmen und Aktienrückkäufe generieren. „Die Platzierung verlief trotz des Sommerlochs gut“, stellt Oechsner fest.
Bei Brunner war unter den Großunternehmen General Motors (US37045VAY65) gefragt. Er berichtet von großen Käufen eines bis 2029 laufenden Titels, der mit 5,4 Prozent Kupon ausgestattet ist. Außerdem sieht Brunner verstärkte Käufen risikoreicherer Anleihen wie Mittelstandspapiere. In seinen Orderbüchern waren vor allem Mutares (<NO00010872864>) mit 6 Prozent Kupon und Laufzeit bis 2024 gefragt. Darüber hinaus verzeichnet die ICF Bank Käufe von Grenke Finance-Papieren, die noch gut ein Jahr laufen. Der jährliche Zins beträgt 1,5 Prozent.
Positive Unternehmensnachrichten hier zu Lande kaum umgesetzt
„Selbst positive Unternehmensnachrichten, die am Aktienmarkt honoriert werden, werden am Anleihenmarkt im aktuellen Sommerloch nicht umgesetzt“, berichtet Gregor Daniel von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank GmbH aus dem Tagesgeschäft und verweist in diesem Zusammenhang auf Meldungen der Lufthansa, die sich mit ihrem Bodenpersonal auf mehr Gehalt geeinigt hatte, infolgedessen die Anleihen nahezu umsatzlos blieben. „Anleger scheinen mit den aktuellen Kursniveaus gut leben zu können.“
Die Umsätze seien im Sommerloch unterdurchschnittlich. „Doch es gibt immerhin Ausnahmen, die sehr häufig bei den Anlegern Anklang finden“, berichtet Daniel: Generell gesucht sei eine thyssenkrupp-Anleihe (<DE000A2TEDB8>), deren Laufzeit 2024 endet und Investor:innen jährlich 2,875 Prozent an Zinsen bringt. Aktuell weist das Orderbuch von Daniel auch Nachfrage nach Zinspapieren der PNE AG aus (DE000A30VJW3), für das jährlich 5 Prozent Kupon bis 2027 gezahlt werden.
von: Antje Erhard, 5. August 2022, © Deutsche Börse AG
Antje Erhard ist Journalistin und Moderatorin mit den Schwerpunkten Börse, Wirtschaft und Finanzen.
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