Ob risikoscheu oder renditeorientiert: Für ein perfekt strukturiertes Wertpapier-Portfolio braucht es nur wenige ETFs. Welcher Anlagen-Mix im aktuellen Umfeld der richtige ist
8. August 2025. MÜNCHEN (ETF Magazin). Mark Twain sagte einst: „Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen. “ Obwohl er dabei nicht an die Börse dachte, trifft diese Aussage heute besonders zu. Donald Trumps „America First“-Politik verändert die Welt. Sie führt zu einer Rückkehr zu mehr Protektionismus und Zöllen. Auch die transatlantische Verteidigungspolitik ist betroffen. Diese Veränderungen beeinflussen Handelsströme, Staatsfinanzen und Währungen. Ebenso wirken sie auf Zinsmärkte und Unternehmensgewinne.
Die neue Weltlage erfordert ein Umdenken, denn eines ist klar: Nach den zwei außergewöhnlich guten Jahren 2023 und 2024 für den US-Aktienmarkt, wird es kein „weiter so“ geben. Im Wealth Management von BNP Paribas sind wir deshalb der festen Überzeugung, dass es in diesen unsicheren Zeiten ganz besonders auf ein gut strukturiertes und richtig ausbalanciertes Wertportfolio ankommt. Das gilt sowohl für eher risiko-averse Anleger als auch für jene, die lieber eine offensivere Strategie fahren. Im folgenden zeigen wir, wie sich beide Anlegertypen jetzt positionieren sollten – und präsentieren zwei passende Musterportfolios, die sich leicht mit ETFs nachbilden lassen (s. Grafik S. xx).
Gedrückte Stimmung.
Die Unsicherheit in der US-Handelspolitik, vor allem durch die Zollpolitik, hat Rekordniveaus erreicht. Dies beeinträchtigt die Stimmung bei Unternehmen und Verbrauchern. Indikatoren wie der Einkaufsmanagerindex ISM und der CEO-Confidence Index sind gefallen. Auch bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) ist die anfängliche Euphorie verflogen. Eine Umfrage des Branchenverbands „NFIB“ zeigt, dass die Stimmung in diesem Segment deutlich schlechter geworden ist. Die Investitionspläne werden massiv zurückgefahren. Der entsprechende Sub-Index ist auf das Niveau vom Beginn der Corona-Pandemie zurückgefallen. Nur während der Finanzkrise 2008 stand der Index niedriger.
Auch die Verbraucher sind pessimistischer geworden. Erhebungen der Universität von Michigan und des Conference Board zeigen steigenden Pessimismus. Sorgen um den Arbeitsplatz und steigende Inflation treiben diese Stimmung. Dies wirkt sich negativ auf den Konsum aus. Preissteigerungen und hohe Zinsen führen zu einem Anstieg der Kreditausfälle.
Trotz dieser Stimmung zeigt sich beim US-Wirtschaftswachstum ein stabileres Bild. Die amerikanische Wirtschaft wuchs im ersten Quartal 2025 um 2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Stimmung könnte jedoch ein Vorbote einer Wachstumsverlangsamung sein. Daher haben wir unsere Wachstumsprognose für die USA gesenkt. Nach Inflation erwarten eine Zuname des US-Brutto-Inlandprodukts (BIP) um 1,8 Prozent in diesem Jahr und um 1,3 Prozent im Jahr 2026. Eine Rezession befürchten wir bislang nicht, obwohl das Risiko besteht, besonders bei einer Eskalation im Handelskonflikt. Die Zollpolitik dürfte zu steigenden Preisen in den USA führen, sodass die Inflationsrate in diesem und dem nächsten Jahr über drei Prozent liegen sollte. Dies schränkt den Spielraum der US-Notenbank FED für Zinssenkungen ein. Wir rechnen mit maximal zwei Zinssenkungen bis Jahresende.
Steigende Renditen am langen Ende des Rentenmarkts, also bei Anleihen mit Restlaufzeiten von zehn Jahren und mehr setzen die USA unter Druck. Hohe Zinsen wirken sich negativ auf die Wirtschaft aus, besonders im Baugewerbe, wo der Verlust von etwa 750000 Stellen droht. Gleichzeitig steigt die Zinslast bei neuen Schulden. Die USA müssen 2025 etwa $9,2 Billionen refinanzieren und zusätzlich wohl zwei Billionen Dollar neue Schulden aufnehmen. Beim aktuellen Zinsniveau dürfte so die Zinslast um mehrere 100 Milliarden Dollar pro Jahr steigen. Dies erklärt, warum US-Präsident Donald Trump die Zolleinnahmen erhöhen will, obwohl dies eine Milchmädchenrechnung sein könnte.
Chancen für Europa.
Die Lockerung der Schuldenbremse in Deutschland und die geplanten Infrastrukturausgaben könnten das Wachstum in Deutschland und Europa beschleunigen. In Verbindung mit steigenden Verteidigungsausgaben sind die Aussichten für die europäische Wirtschaft positiv. Diese Programme brauchen jedoch Zeit, um ihr volles Potenzial zu entfalten. Wir rechnen damit, dass 2029 der maximale Wachstumseffekt von etwa 0,9 Prozent des BIP erreicht wird. In den Jahren 2025 bis 2027 dürfte der Stimmungsaufschwung einen größeren Einfluss auf das Wachstum haben als die Ausgaben selbst. Die Unsicherheit in der Handelspolitik könnte diesen Stimmungsaufschwung jedoch konterkarieren. Daher haben wir unsere Wachstumsprognose für den Euroraum auf ein Plus von einem Prozent in diesem und 1,3 Prozent im nächsten Jahr gesenkt. Wir bleiben jedoch grundsätzlich optimistisch und sehen dies als eine Verschiebung des Wachstums auf spätere Jahre. Aufgrund des langsameren Wachstums haben wir auch unsere Inflationsprognosen gesenkt, auf eine Rate von 2,1 Prozent in diesem Jahr und 1,9 Prozent im Jahr 2026. Da diese erwarteten Inflationsraten nahe am Ziel der europäischen Zentralbank liegen, sind weitere Zinssenkungen bis Jahresende möglich.
Blick auf den Aktienmarkt
Wie sollten sich Anleger jetzt im Aktienbereich positionieren? Angesichts der skizzierten erwarteten Entwicklung untergewichten wir US-Aktien in den Portfolios. Die starke Konzentration auf wenige Titel und die erneut hohe Bewertung der US-Aktien geben wenig Grund für Optimismus. In der Vergangenheit haben hohe Konzentrationsniveaus oft zu einer unterdurchschnittlichen Entwicklung der Aktien geführt. Auch die aktuellen Schätzungen des Gewinnwachstums der großen US-Unternehmen erscheinen ambitioniert. Der Vorsprung beim Gewinnwachstum der „Glorreichen 7“ zum Gesamtmarkt fällt.
Daher sollte auch ihr stattlicher Bewertungsaufschlag zu den übrigen 493 Aktien im S&P-500-Index fallen, der aktuell noch etwa 40 Prozent beträgt.Bei US-Aktien bevorzugen wir gleichgewichtete Lösungen oder Produkte mit einer Obergrenze der Gewichtung, die den Fokus auf Aktien mit hoher Marktkapitalisierung legen. US-Nebenwerte meiden wir aktuell. Die Gewinnerwartungen für die kleinen Aktien sind aktuell unrealistisch hoch.
Bei europäischen Aktien sehen wir mittelfristig positive Signale, aber auch das Risiko einer aus den USA angestossenen Korrektur. Die aktuelle Bewertung der europäischen Aktien deutet darauf hin, dass die positiven Impulse aus den Konjunkturpaketen weitestgehend eingepreist sind. Wir warten auf einen attraktiveren Zeitpunkt für Zukäufe. Innerhalb von Europa bevorzugen wir Großbritannien. Die Aktien im britischen FTSE-100-Index sind weniger stark von der Entwicklung des globalen Handels abhängig. Sie sind zudem noch attraktiv bewertet und bieten eine gute Dividendenrendite. Der FTSE-100-Index dürfte davon profitieren, dass Großbritannien seine Handelsbeziehungen zu Indien, Europa und den USA verbessert hat.
Japanische Aktien dürften weiterhin von den laufenden Unternehmensreformen profitieren. Viele Weltmarktführer im Bereich der Automatisierung sind in Japan ansässig. Kurzfristig können jedoch die Unsicherheiten in der Handelspolitik und der starke Yen belasten. Wir bleiben übergewichtet, legen jedoch den Fokus auf Werte mit größerer Binnenmarktorientierung. Diese sind weniger abhängig von den genannten Risikofaktoren und profitieren von den reflationären Tendenzen und dem wachsenden Konsum im Land.
In den Schwellenländern sind wir ebenfalls übergewichtet, vor allem wegen unserer positiven Meinung zu China. Wir sehen bei chinesischen Technologiefirmen weiteres Potenzial. Das regulatorische Risiko hat sich reduziert, während die Gewinne weiter gewachsen sind. Der HS-Tech-Index weist ein höheres Gewinnwachstum als der S&P-500-Index auf und dürfte diesen Vorsprung halten. Dennoch handelt der Index mit einem deutlichen Bewertungsabschlag von 25 Prozent bezogen auf das KGV.
Der indische Aktienmarkt bietet langfristig gute Chancen. Eine gut ausgebildete, englischsprachige und wachsende Bevölkerung stellt ein solides Fundament für langfristiges Wachstum dar. Indien könnte zudem als Profiteur der Handelsstreitigkeiten zwischen China und den USA hervortreten. Osteuropa, vor allem Polen, ist bereits gut gelaufen und wirkt überkauft. Die Bewertung bleibt jedoch unterhalb des historischen Durchschnitts. Die Region sollte mittelfristig von den besseren konjunkturellen Aussichten in Europa profitieren. Ein Frieden in der Ukraine könnte als Katalysator für weitere Kurssteigerungen fungieren. Korrekturen könnten interessante Möglichkeiten bieten, Positionen auf- oder auszubauen.
Zinsen und Währungen
Wir denken, dass die Zeiten des starken Dollars vorbei sind. Die unterschiedlichen Wachstumspfade in Europa und den USA dürften zu Verschiebungen der Kapitalströme führen. Die aktuellen Turbulenzen am US-Anleihemarkt zeigen, das heute US-Staatsanleihen nicht mehr uneingeschränkt ein „sicherer Hafen“ sind. Dieser Trend wird durch „America First“ weiter verstärkt. Es ist gut möglich, dass sich der Dollar in den nächsten zwölf Monaten weiter abschwächt. Dies sollten Investoren berücksichtigen, wenn sie über Anlagen im Dollar-Raum nachdenken.
Aufgrund der jüngsten Anstiege der Renditen gefallen uns Staatsanleihen aus den Kernländern der EU und aus Großbritannien und wir bevorzugen längere Laufzeiten von bis zu zehn Jahren. In den USA bevorzugen wir Staatsanleihen mit einer Laufzeit von maximal fünf Jahren. Aufgrund des Währungsrisikos setzen wir jedoch US-Anleihen in den Portfolios europäischer Anleger nur zurückhaltend ein.
Bei Unternehmensanleihen setzen wir auf Qualität und bevorzugen Emittenten mit guter bis sehr guter Bonität (Investment-Grade-Rating). Die absoluten Renditen im bei den riskanteren Hochzinsanleihen wirken zwar attraktiv, die Risikoaufschläge sind jedoch zu gering. Nach unserer Einschätzung wird damit das Risiko einer potenziellen Konjunkturabschwächung ausreichend vergütet.
Gold und Rohstoffe
Gold hat von den hohen Käufen der Zentralbanken aus den Schwellenländern profitiert. Wir erwarten, dass dieser Trend weiter anhält. Unabhängig davon haben wir unsere Einschätzung zuletzt auf neutral reduziert, da Gold überkauft wirkt und es Zeichen einer Entspannung im Handelskonflikt zwischen China und den USA gab. Auch die Ankündigung von Gesprächen zwischen Russland und der Ukraine führte zu einem Abbau der Risikoprämie. Mittel- bis langfristig beurteilen wir jedoch die Aussichten für Gold positiv. Silber ist aktuell unser Top-Pick bei den Edelmetallen. Aufgrund von Wachstumssorgen hat es zuletzt etwas korrigiert, wir sehen jedoch diverse positive Treiber: Silber profitiert von einem Substitutionseffekt im Schmuckbereich, da Gold relativ teuer geworden ist. Die Nachfrage in der Industrie dürfte weiter steigen, unter anderem für Elektronik, Solarmodule, Luft- und Raumfahrt und Rechenzentren. Gleichzeitig bleibt das Wachstum des verfügbaren Angebotes begrenzt.
Der richtige Portfolio-Mix
Eine ausgewogene Anlagestrategie sollte sich durch eine breite Streuung unterschiedlicher Assetklassen auszeichnen. Anleihen sollen die Schwankungen des Portfolios reduzieren und gleichzeitig Zinsen generieren. In unserem Musterportfolio für defensive Anleger präferieren wir daher Unternehmensanleihen mit guter Bonität, um von deren Zinsaufschlag zu Staatsanleihen zu profitieren. Angesichts der erwarteten Dollarabschwächung investieren wir schwerpunktmäßig im Euroraum. Der Aktienanteil ist beim ausgewogenen Portfolio der wesentliche, langfristige Werttreiber. Mit einer balancierten Mischung unterschiedlicher Regionen soll an der positiven Entwicklung von Aktien profitiert werden, ohne zu große Klumpenrisiken einzugehen. Aufgrund unserer Markteinschätzung sind wir aktuell in den USA weniger stark investiert als üblich. Zudem halten wir mit einem Anteil von 6,5 Prozent am Gesamtportfolio mehr Bargeld, um Kurschancen in der von uns erwarteten Korrektur nutzen zu können.
Alternative Strategien wie Hedge Fonds, Edelmetalle oder andere Rohstoffe dienen der weiteren Diversifizierung. Ziel ist, damit Erträge zu erwirtschaften, die möglichst unkorreliert zu den Anlageklassen Aktien und Anleihen sind. Angesichts unserer positiven Einschätzung zu Edelmetallen, insbesondere Silber, sind wir aktuell übergewichtet bei Edelmetallen.
Eine offensive Anlagestrategie fokussiert auf die Chancen am Aktienmarkt und ist daher mit einer höheren Schwankungsbreite verbunden. Mit einer ausgewogenen Mischung von Aktien aus unterschiedlichen Regionen der Welt läßt sich von der positiven Entwicklung der Aktienmärkte profitieren. Doch auch hier wollen wir Klumpenrisiken vermeiden. Aufgrund unserer Markteinschätzung sind wir im offensiven Portfolio ebenfalls bei US-Aktien untergewichtet, während Aktien aus Japan und den Schwellenländern leicht übergewichtet werden.
Über- oder untergewichtet bezieht sich dabei auf unsere strategische Allokation, die sich am MSCI All Country World Index anlehnt, jedoch mit Abweichungen wie einem deutlich reduzierten US-Anteil. Auf Grund der hohen Gewichtung der US-Aktien im Vergleichsindex stellen US-Aktien dennoch auch in unserem Musterportfolio weiterhin den größten Teil. Auch im offensiveren Portfolio haben wir erhöhte Barbestände, um Kurschancen in der erwarteten Korrektur nutzen zu können.
Von Stephan Kemper, Juli 2025, © ETF Magazin
Der Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe des ETF Magazins, dem Fachjournal für Profis und informierte Anleger*innen.
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