Aktive ETFs kombinieren die Vorteile passiver Indexfonds mit denen aktiv gesteuerter Fonds – und sie können bei günstigen Kosten einen Index schlagen. Das Angebot wächst stetig, erklärt das ETF Magazin.
31. Juli 2023. MÜNCHEN (ETF Magazin). Als Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine läutete Bundeskanzler Olaf Scholz im vergangenen Februar eine Zeitenwende für die Politik ein. Fünf Monate später folgte eine weitere Zäsur, dieses Mal geldpolitisch und mit etwas weniger Pathos: EZB-Chefin Christine Lagarde kündigte das Ende der Null- und Negativzinspolitik an und erhöhte erstmals seit elf Jahren die Zinsen. Die daraus folgenden Marktreaktionen haben viele Anleger zum Nachdenken gebracht, wie sie ihre Portfolios für die neue Zeit anpassen sollten, in der die Kurse nicht mehr „automatisch“ steigen. Dabei sind aktive ETFs stärker ins Blickfeld gerückt. Doch was genau verbirgt sich hinter aktiven ETFs?
Diese neue Generation der ETFs orientiert sich wie klassische ETFs an einem Börsenindex. Während jedoch die rein passiven ETFs darauf abzielen, den Index eins zu eins abzubilden, weichen aktive ETFs bewusst davon ab, häufig mit dem Ziel, den Index zu schlagen. Die Portfoliomanager der aktiven ETFs nutzen zwar in der Regel einen bestehenden Index als Referenz, verändern aber die Zusammensetzung und die Gewichtung der Titel und lassen damit aktive Komponenten in den Investmentansatz einfließen. Dies kann – muss allerdings nicht – zur Folge haben, dass aktive ETFs auch in puncto Branchen- und Ländergewichtungen von ihren Indizes abweichen.
In Deutschland wurden im Jahr 2000 die ersten rein passiven ETFs angeboten. Ab Mitte der 2010er-Jahre folgten Faktor- beziehungsweise Smart-Beta-ETFs. Hintergrund war, dass Anlegerinnen und Anleger gezielt auf Anlagefaktoren, wie zum Beispiel Value, Growth, Momentum, Size sowie Dividenden, setzen wollten und auch ungewünschte Klumpenrisiken infolge der Titelgewichtung nach Marktkapitalisierung meiden wollten. Smart-Beta-ETFs bilden also ebenfalls Indizes nach, die jedoch bei der Indexkonstruktion anderen Regeln folgen.
Schließlich erkannten ETF-Vordenker, dass man mit aktiven ETFs die Vorteile einer ETF-Struktur mit einem aktiven Investmentansatz kombinieren kann – die Idee der aktiven ETFs war geboren. So können die Portfoliomanager beispielsweise aktiv auf Marktereignisse reagieren, Nachhaltigkeitsaspekte integrieren, Anlagerisiken besser abfedern oder auch außerhalb des Benchmark-Universums anlegen.
Teil des ETF-Booms
Blickt man auf den globalen ETF-Markt mit einem Volumen von rund 9 Billionen US-Dollar, dann erscheinen aktive ETFs bislang nur als eine kleine Teilmenge. Das gilt auch für Europa, wo der Marktanteil aktiver ETFs mit 1,7 Prozent am gesamten ETF-Markt noch überschaubar ist. Nach Berechnungen der Londoner ETF-Marktforscher ETFGI waren in europäischen aktiven ETFs Ende April 2023 gut 26 Milliarden Euro investiert, während in den klassischen indexfolgenden ETFs knapp 1,6 Billionen Euro steckten.
Dabei sind aktive ETFs keine völlig neue Erfindung. Vor mehr als zehn Jahren lancierte PIMCO seinen ersten aktiven ETF. Weitere Fondsgesellschaften – darunter JP Morgan und Fidelity International – folgten dem Beispiel. Seit 2018 hat die Listing-Dynamik stark zugenommen, so dass in Deutschland inzwischen 92 aktive ETFs an Xetra notieren (s. Grafik).
Im Schnitt beträgt das verwaltete Vermögen dieser aktiven ETFs fast 200 Millionen Euro, in gut einem Drittel sind deutlich mehr als 100 Millionen Euro investiert. Das ist insofern interessant, als man ab einem Volumen von mehr als 100 Millionen Euro vom Überschreiten einer „Schallgrenze“ spricht, ab der ETFs dauerhaft wirtschaftlich angeboten werden können.
Marktbeobachter erwarten, dass aktive ETFs im Vergleich zu rein passiven Indexprodukten weiter überproportional wachsen sollten. Nachdem die Aktienmärkte jahrelang von der ultralockeren Geldpolitik profitierten, ist dies nach dem Umschwenken von Fed und EZB nicht mehr zwingend der Fall. In einem solchen Umfeld können aktive ETF-Strategien punkten. Auch eine Verschiebung der Anlegerstruktur könnte für aktive ETFs sprechen. Während der ETF-Markt über viele Jahre hinweg von institutionellen Investoren dominiert wurde, steigen nun auch die Investitionen der Privatanleger.
Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass sich viele Privatanleger während der Corona-Pandemie die Zeit genommen haben, ihre Geldanlage neu zu organisieren. Vor allem in Deutschland begann damit der Siegeszug der Sparpläne, bei denen „klassische“ ETFs und auch aktive ETFs sehr verbreitet sind. So gibt es in Deutschland inzwischen mehr als 3,7 Millionen ETF-Sparpläne und es wird erwartet, dass die Anzahl weiter dynamisch wachsen sollte.
Starke Argumente
Aktive ETFs bieten viele Vorteile. Dazu gehört vor allem die Chance auf eine Überrendite: Die meisten in Europa angebotenen aktiven ETFs investieren zwar nah an ihrer Benchmark, streben aber an, einen Mehrwert gegenüber diesem Index zu erzielen. Bei den aktiven Fidelity Sustainable Research Enhanced ETFs wollen wir beispielsweise den breiten Markt um ein Prozent pro Jahr vor Kosten übertreffen. Mit unserer Erfahrung als aktiver Fondsmanager sind wir überzeugt, dass sich aktives Portfoliomanagement lohnt und ein globales Analystennetzwerk einen Renditevorsprung für unsere aktiven ETFs und damit auch für unsere Anleger erwirtschaften kann.
Nicht nur die Rendite, sondern auch die Kosten eines Investmentprodukts sind für viele Anleger ein wichtiges Kaufkriterium. Auch in diesem Wettbewerb können aktive ETFs punkten, denn sie sind relativ günstig. Während die Gesamtkostenquoten für aktive Aktienfonds meist zwischen 1,5 Prozent bis 2,5 Prozent rangieren, liegen sie bei aktiven ETFs deutlich darunter zwischen 0,05 Prozent und 0,85 Prozent. Komplexere Strategien, etwa bei bestimmten Themeninvestments, bewegen dabei eher am oberen Ende dieses Spektrums, vergleichsweise einfache Renten-Strategien am unteren Ende. Im Prinzip wird aber deutlich, dass aktive ETFs preislich deutlich attraktiver sind als aktive Fonds und nur leicht über passiven ETFs liegen.
Ein weiterer Vorteil aktiver ETFs ist ihre Transparenz. Infolge europäischer regulatorischer Vorschriften müssen die Anbieter passiver und aktiver ETFs die Bestandteile ihrer Portfolios auf Einzelwertpapierebene täglich veröffentlichen. Das heißt, Anlegerinnen und Anleger erkennen unmittelbar und tagesaktuell, in welchen Marktbereichen und sogar in welchen Unternehmen ihre Gelder investiert sind. Bei traditionellen aktiven Fonds ist das nur begrenzt der Fall. Die vollständigen Investments gibt es nur in den Jahres- und Halbjahresberichten in der Retrospektive. Darüber hinaus erhalten Anleger meist nur eine Übersicht über die größten Positionen.
Zeitgemäßer Ansatz
Das aktuelle Börsenjahr steht bislang im Zeichen höherer Inflationsraten und Rezessionsrisiken. Geopolitische Spannungen, insbesondere die Auseinandersetzungen zwischen China und dem Westen, nehmen zu. Außerdem wird der demografische Wandel in Ländern wie Japan, Italien und Deutschland zu einer wachsenden Herausforderung für Unternehmen und Regierungen. Kurzum: Wir sind mit einer Polykrise konfrontiert, in der viele nach Investments suchen, die Renditechancen bei moderaten Risiken bieten und die zudem eine günstige Kostenstruktur haben. Herkömmliche passive Anlagen stehen in Phasen, in denen sich die Großwetterlage an den Märkten ändert und beispielsweise die Indexschwergewichte nicht mehr performen, vor Schwierigkeiten. Denn auch dann schwimmen Anleger mit dem Strom. Sie haben keine Chance, beispielsweise die schwächsten Aktien zu meiden.
In solch einem Umfeld sind unter anderem Dividendenstrategien ein Klassiker, da die Dividenden in einem volatileren Umfeld relativ stärker zur Gesamtrendite beitragen. Dividendenaktien sind tendenziell keine Wachstumstitel, sondern etablierte Unternehmen mit starker Marktstellung, hohen Margen, soliden Bilanzen und prognostizierbaren Gewinnen. Außerdem haben sie in Phasen mit einer höheren Inflation oft eine besonders gute relative Performance aufgewiesen. Dividendenaktien bieten Anlegern also nicht nur Ausschüttungen, sondern meist auch geringere Kursschwankungen.
Wer allerdings einen ETF auf einen einfachen Dividendenindex wählt, der die Titel nur auf Basis der Dividendenrendite auswählt, kann auch danebengreifen. Mit Blick auf nachhaltig überzeugende Dividendenstrategien sind bei der Titelselektion neben der Dividendenrendite auch Aspekte wie die Dividendenentwicklung im Zeitablauf, der Anteil der Ausschüttung am Cashflow und die fundamentalen Perspektiven des Unternehmens relevant.
Auch resultieren bei einfachen Dividendenstrategien meist unerwünschte Konzentrationen auf einzelne Branchen wie Versorger, Energietitel oder Telekommunikation. Mit einem aktiven Dividendenaktien-ETF kann man diese Herausforderungen bewältigen.
Fidelity International bietet eine Reihe von Quality-Income-Strategien an, die ein systematisches Engagement in dividendenstarken Unternehmen mit hoher Qualität und einer ESG-Komponente ermöglichen. Dazu haben unsere ETF-Spezialisten einen eigenen Index auf qualitativ überzeugende Dividendentitel entwickelt, bei dem die Abweichung zum Standardindex minimiert, sowie Sektor- und Länderkonzentrationen weitgehend ausgeschaltet werden. Der Index spiegelt die Wertentwicklung von Dividendenaktien Unternehmen mit hoher und mittlerer Marktkapitalisierung aus Industrieländern wider, die qualitativ hochwertige fundamentale Merkmale aufweisen.
Fazit
Anleger, die ihr Geld am Kapitalmarkt anlegen wollen, stehen vor einer grundsätzlichen Entscheidung. Vertrauen sie ihr Geld aktivem Fondsmanagement an oder investieren sie in einen Index? Aktive ETFs haben den Anspruch, diesen Konflikt zu lösen, indem sie das Beste aus beiden Welten liefern: Sie streben eine Mehrrendite im Vergleich zum zugrundeliegenden Index an, indem sie auf die Expertise eines Analystenteams zugreifen, sie sind günstig, bieten tagesaktuelle Transparenz und sind fortlaufend über die Börse handelbar. Speziell in turbulenten Marktphasen könnten aktive Dividenden-ETFs einen zusätzlichen Stabilitätspuffer ins Portfolio bringen, ohne dass sie dazu dem Index stur folgen müssen. Wie groß der Anteil aktiver Indexfonds am Siegeszug des ETFs in den kommenden Jahren sein wird, ist noch unklar. Das Potenzial, für viele Anleger eine veritable Alternative zu werden, ist allerdings groß.
von Steffan Kuhn, Juli 2023, © ETF Magazin
Der Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe des ETF Magazins, dem Fachjournal für Profis und informierte Anleger*innen.
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