Ein sehr konzentriertes Portfolio kann überdurchschnittliche Rendite bringen. Doch die Statistik zeigt, dass breite Diversifikation meistens der bessere Weg ist, weiß das ETF Magazin.
31. Oktober 2022. MÜNCHEN (ETF Magazin). Für viele Investoren und Asset-Manager ist es naheliegend, sich bei der Wertpapieranlage auf die attraktivsten Titel eines Segments zu konzentrieren und aus wenigen Highflyern ein sogenanntes Best-Ideas-Portfolio zusammenzustellen. Dahinter steckt der Gedanke, die Rendite der Top-Performer nicht durch zweit- oder drittklassige Anlageideen zu verwässern. Die Fokussierung auf hoch konzentrierte Portfolios gewinnt umso mehr Charme, wenn man weiß, dass die Kursentwicklung breiter Aktienindizes oft nur von relativ wenigen Aktien abhängt.
Was auf den ersten Blick überaus einleuchtend erscheint, sieht bei näherer theoretischer und empirischer Betrachtung allerdings anders aus. So ist kaum jemand dazu in der Lage, über einen längeren Zeitraum kontinuierlich die richtigen Anlageentscheidungen zu treffen. Das Risiko, dass die „Microsofts“ oder „Apples“ dieser Welt trotz geschickter Auswahl einzelner Unternehmen gerade in Zeiten ihrer größten Outperformance im Depot fehlen, steigt mit zunehmender Konzentration des Portfolios deshalb immer weiter an. Zudem ist es nach einer falschen Entscheidung viel schwieriger, Verluste auszugleichen und positive kumulierte Renditen zu erwirtschaften.
Moderne Portfolio-Theorie
Schon Anfang der 50er-Jahre hat Harry M. Markowitz modelltheoretisch dargelegt, dass das Spekulieren mit nur sehr wenigen Risikopapieren trotz gelegentlicher Erfolgsgeschichten dauerhaft keine sinnvolle Anlagestrategie sein kann. Für die von ihm formulierten Grundlagen der modernen Portfolio-Theorie erhielt er 1980 den Nobelpreis. Er hatte das abnehmende Anlagerisiko nachgewiesen, ausgedrückt durch eine reduzierte Volatilität, das mit einer Erhöhung der Titelanzahl innerhalb eines Portfolios verbunden ist. Welche Effekte sich dabei schon mit relativ wenigen Wertpapieren erzielen lassen, verdeutlicht ein einfaches Zahlenbeispiel.
Dazu sollen Anlegern am Kapitalmarkt drei gleich teure Aktien mit exakt denselben Ertragserwartungen und derselben Volatilität sowie einer Korrelation von jeweils 0,6 zur Verfügung stehen. Beim Kauf eines dieser Wertpapiere gehen die Investoren ein ganz bestimmtes, genau errechenbares Risiko ein. Verteilen sie den zur Verfügung stehenden Betrag stattdessen gleichmäßig auf zwei der drei Wertpapiere, können sie ihr Risiko bei unveränderten Ertragserwartungen um 20 Prozent reduzieren. Bei gleichmäßiger Aufteilung auf alle drei Aktien ist eine weitere Reduktion um 8,3 Prozent, also insgesamt eine Verminderung um 26,7 Prozent möglich. Dieser Prozess lässt sich theoretisch bis zum Halten des „Marktportfolios“ fortführen, wobei die prozentuale Risikominderung mit jedem zusätzlich aufgenommenen Asset immer weiter abnimmt. Dabei sind die risikomindernden Vorteile einer marktweiten Diversifizierung bei Anlegern auch weitestgehend bekannt und werden von diesen als überwiegend positiv eingestuft.
Weniger bewusst sind vielen allerdings die negativen Effekte, die eine mangelnde Streuung auf die Portfolio-Rendite haben kann. Der Hauptgrund für die negative Wirkung ist der Zinseszinseffekt. Zur Verdeutlichung werden dazu zwei Portfolios mit unterschiedlicher Volatilität betrachtet. Portfolio eins erzielt im ersten Jahr einen Gewinn von 5 Prozent und im zweiten Jahr einen Verlust in selber Höhe. Portfolio zwei, mit deutlich höherer Volatilität, gewinnt zunächst 40 Prozent hinzu, um im zweiten Jahr 40 Prozent einzubüßen. Die durchschnittliche Rendite beider Portfolios beträgt null. Aber: Per saldo verliert das zweite Portfolio über die beiden Perioden 16 Prozent an Wert (100*1,4*0,6 = 84), während das erste mit einem kumulierten Verlust von 0,25 Prozent (100*1,05*0,95 = 99,75) auskommt. Im Englischen wird diese Wirkung höherer Volatilitäten auf die Portfolio-Rendite als „Volatility Drag“ bezeichnet. Welche Konsequenzen der Volatility Drag für die Rendite unterschiedlich stark diversifizierter Portfolios mit sich bringt, hat Vanguard im Rahmen einer Simulation empirisch untersucht.
Als Datensatz diente dabei das Aktienuniversum des Russel-3000 im Zeitraum von Anfang 1987 bis Ende 2017 unter der Verwendung monatlicher Renditen. Die betrachteten Aktien wurden nach dem Zufallsprinzip aus dem Index ausgewählt und für eine Haltedauer von jeweils drei Monaten zu gleichgewichteten Portfolios mit unterschiedlicher Titelanzahl zusammengestellt. Anschließend wurde für jedes Portfolio eine Mehr- oder Minderrendite im Vergleich zur Benchmark (gleichgewichtetes Marktportfolio aller im jeweiligen Zeitraum im Russel-3000 enthaltenen Aktien) ermittelt. Für jede Portfolio-Größe wurden auf diese Weise 10.000 Simulationen durchgeführt.
Renditechance erhöht
Es zeigt sich zunächst, dass die Wahrscheinlichkeit, die Benchmark zu übertreffen, mit zunehmender Portfolio-Größe rapide ansteigt. Beträgt sie bei den Ein-Aktien-Portfolios lediglich 11,1 Prozent, sind es bei den Fünf-Aktien-Portfolios schon 28,7 Prozent. Bei 500 Titeln ist die 50-Prozent-Wahrscheinlichkeit nahezu erreicht. Ceteris paribus erhöhen also Portfolio-Manager, statistisch betrachtet, ihre Chancen auf eine Outperformance der Benchmark, an der ihre Leistungen möglicherweise gemessen werden, allein dadurch, dass sie mehr Titel ins Portfolio nehmen.
Mindestens genauso entscheidend ist aber die Frage, wie hoch die durchschnittliche Out- bzw. Underperformance im Fall ihres Eintreffens bei unterschiedlichen Portfolio-Größen im Mittel jeweils ausfällt. Bei der entsprechenden Betrachtung werden im Wesentlichen zwei Punkte deutlich: Zum einen nimmt die Renditestreuung mit steigender Portfolio-Größe kontinuierlich ab. Zum anderen ergibt sich eine Asymmetrie zur Benchmark dahingehend, dass die durchschnittlichen Mehrrenditen der Portfolios, die die Benchmark übertroffen haben, unabhängig von der Portfolio-Größe unter den jeweiligen Minderrenditen der Portfolios liegen, die schlechter als die Benchmark abgeschlossen hatten. Während bei Fünf-Aktien-Portfolios die entsprechenden Werte beispielsweise 2,41 Prozent und –3,77 Prozent betragen, schmelzen sie bei den Zehn-Aktien-Portfolios auf 1,86 Prozent und –2,55 Prozent zusammen.
Die statistischen Renditeverluste, die sich durch den Verzicht auf Diversifikation und die Bildung stark konzentrierter Portfolios ergeben, lassen sich nun durch die Multiplikation der Eintrittswahrscheinlichkeiten mit den jeweiligen abnormalen Renditen ermitteln. Für die Zehn-Aktien-Portfolios stellt sich dies beispielsweise wie folgt dar:
Ein aktiver Portfolio-Manager muss dementsprechend eine Outperformance gegenüber der Benchmark von 1,03 Prozent schaffen, um dauerhaft das höhere Risiko zu kompensieren, das durch die Konzentration auf zehn Aktien entsteht. Bei der Konzentration auf lediglich fünf Titel muss sogar regelmäßig eine Überrendite von 1,99 Prozent erzielt werden.
Wurden an dieser Stelle „lediglich“ Aktienportfolios betrachtet, wirken sich die Effekte bei der Einbeziehung unterschiedlicher Asset-Klassen aufgrund der geringeren Korrelation nochmals deutlich stärker aus. Je geringer der Gleichlauf zwischen einzelnen Wertpapieren, desto höher ist die Diversifizierung. Auch deshalb haben Mischportfolios aus Aktien und Anleihen, die sich in den vergangenen 20 Jahren oft sehr unterschiedlich entwickelt haben, in diesem Zeitraum hohe risikobereinigte Renditen erzielt.
Wie viel ist genug?
Wie gezeigt, kann sich die Konzentration auf wenige Wertpapiere in erheblichem Maß negativ auf die Performance auswirken, da die Wahrscheinlichkeit steigt, nicht die entscheidenden Aktien im Portfolio zu haben. Im Hinblick auf den abnehmenden Grenznutzen und die steigenden Transaktionskosten stellt sich nun noch die Frage, wie viel Diversifikation genug ist. Aus Sicht von Vanguard weisen Portfolios, die aus lediglich zehn oder zwanzig verschiedenen Positionen bestehen, eine zu hohe Konzentration auf. Um die Renditechancen deutlich zu erhöhen, sollten Anleger – natürlich auch in Abhängigkeit von der Höhe des zur Verfügung stehenden Kapitals – mindestens in 50 bis 100 Werte investieren. Entscheidend ist letztendlich immer der Einzelfall, doch ab dieser Größenordnung kann in der Regel von einer nur noch geringen Portfolio-Anfälligkeit für den Volatility Drag ausgegangen werden.
von Fabian Behnke, 18. Oktober 2022, © ETF Magazin
Der Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe des ETF Magazins, dem Fachjournal für Profis und informierte Anleger*innen.
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