Das offene Orderbuch von Xetra gibt für jeden ETF online Einblick in die aktuelle Handelslage. So lassen sich ETF-Kauf- und Verkaufsaufträge optimal platzieren. Edda Vogt erklärt im ETF Magazin wie.
12. September 2023. MÜNCHEN (ETF Magazin). Vor der Digitalisierung des Börsenhandels führten Kursmakler für jedes Wertpapier ein Orderbuch, eine Art Kladde. Dort wurden Kauf- und Verkaufsaufträge notiert und auf dieser Basis dann die Preise festgelegt. Das Orderbuch des Handelsplatzes Xetra ist im Prinzip ähnlich, mit dem für Investoren nützlichen Unterschied, dass es alle einsehen können. Xetra-Händler haben im Handelssystem Zugang, allen anderen bietet die Internetseite der Börse Frankfurt Einblick in das Orderbuch.
Xetra ist mit mehr als 2.000 ETFs sowie einem durchschnittlichen monatlichen Umsatz von 15 Milliarden Euro der liquideste Marktplatz Europas für diese Asset-Klasse. Rund 470.000 Trades werden in dieser Asset-Klasse monatlich ausgeführt. Im Xetra-Orderbuch werden alle Kauf- und Verkaufsangebote, die mit Limit aufgegeben worden sind, dem Preis nach sortiert. Die Limite legen fest, welcher Preis mindestens erzielt oder maximal bezahlt werden soll. Market-Orders werden sofort „bestens“ oder „billigst“ ausgeführt werden, sodass sie nicht im Orderbuch erscheinen.
Was Investoren sehen
Auf der Internetseite der Frankfurter Börse findet sich das offene Orderbuch auf jedem Datenblatt eines ETFs. Die wichtigsten Spalten im Orderbuch sind „Bid“ und „Ask“. Dort stehen die Limite der aufgegebenen Orders. In der linken Bid-Spalte finden sich die besten Kaufangebote, also die zehn höchsten Preise, zu denen in diesem Moment Marktteilnehmer bereit sind, ETF-Anteile zu kaufen. Wer verkaufen will, für den ist die Bid-Seite des Orderbuchs relevant. In der rechten Hälfte werden in der Spalte Ask die zehn niedrigsten aktuellen Verkaufsangebote aufgelistet. Bid und Ask, auf deutsch Geld und Brief, ergeben zusammen die Handelsspanne eines Wertpapiers, den Spread. In den Spalten jeweils links und rechts von Bid und Ask ist das Volumen zu den jeweiligen Verkaufs- und Kaufangeboten verzeichnet, genauer gesagt die aufaddierte Stückzahl der ETF-Anteile zu diesem Preis. Das Volumen der Kaufangebote zeigen zusätzlich noch grüne Balken an, den Umfang der Verkaufsangebote verdeutlichen rote Balken.
Der Screenshot zeigen zwei typische Situationen. Der obere Screenshot zeigt einen rege gehandelten DAX-ETF. Dabei stehen 11.408 Anteile zu einem Preis von 153,62 Euro an erster Stelle auf der Bid- bzw. Geldseite des Orderbuchs. Darauf folgen 10.052 Kauforders, bei denen die Käufer bereit sind, 153,60 Euro für die ETF-Anteile zu bezahlen. Diesen beiden Kaufwünschen stehen Verkaufsangebote für 3.837 Anteile zu 153,68 Euro gegenüber, gefolgt von Verkaufsaufträgen für 10 129 Anteile zu 153,68 Euro.
Wie kommt es zur Ausführung? Gehandelt wird auf Xetra, wenn Bid und Ask zueinander passen. Entweder entsprechen sich die Limite der Aufträge oder es gibt eine unlimitierte Market-Order, die sofort zum nächsten verfügbaren Preis ausgeführt wird. Market-Orders haben Vorrang vor Limit-Orders. Grundsätzlich gilt dabei Preis-Zeit-Priorität. Zuerst bestimmt das Limit, wer zum Zug kommt, danach wird der Zeitpunkt der Ordereingabe berücksichtigt. Ausgeführte Aufträge verschwinden aus dem Buch, und die nächstbesten Kauf- und Verkaufsangebote rücken nach.
Zur Gewährleistung von Liquidität und Preisqualität müssen ETF-Emittenten für das Listing ihres Produkts auf Xetra mindestens einen Designated Sponsor verpflichten. Bei ETFs, die hohe Umsätze versprechen, sind viele Liquiditätsspender aktiv. Die Designated Sponsors haben strenge Vorgaben hinsichtlich des maximalen Spreads, des minimalen Volumens, für das die Quote gültig sein muss, und für die zeitliche Präsenz mit Preisangeboten im Orderbuch. Die Limite der Designated Sponsors stehen nach denselben Regeln im Orderbuch wie die der übrigen Marktteilnehmer.
Das Orderbuch lesen
Bei Aktien, bei denen ja der Preis Angebot und Nachfrage bestimmt, kann das Orderbuch eine kurzfristige Indikation geben, ob ein Wert eher steigen oder fallen dürfte. Außerdem bietet es wichtige Hinweise, wie liquide eine Aktie aktuell gehandelt wird. Bei ETFs hängt der Preis dagegen vom Referenzindex ab und die Designated Sponsors garantieren Liquidität. Trotzdem kann das Orderbuch auch bei ETFs hilfreich sein, vor allem um Kauf- oder Verkaufsaufträge geschickt zu platzieren.
Im offenen Orderbuch sehen Anleger die zehn besten Limite. Steht dort eine Quote mit hohem, auf beiden Seiten identischem Volumen, ist dies vermutlich der Quote eines Designated Sponsors. Dieser rangiert allerdings nicht unbedingt an der Spitze des Buches, wie das Beispiel eines seltener gehandelten Vietnam-ETFs zeigt (Screenshot rechts unten). Hier werden zunächst kleinere Mengen zum Kauf mit Kursen bis 25,555 Euro gesucht. Dann gibt es ein Kaufangebot für 1000 Stück zu 25,55 Euro. Unter Berücksichtigung des Mindestquotierungsvolumens von 1.000 Stück, das die Börse bei diesem ETF von ihren Liquiditätsspendern, Designated Sponsor genannt, fordert, ist zu vermuten, dass dieser Quote vom stammt Designated Sponsor stammt. Ohne offenes Orderbuch sehen die Marktteilnehmer nur die Limite an der Spitze des Orderbuchs.
Investoren bietet dieser Einblick in die Markttiefe mehrere Vorteile: Zum einen können sie ihren Auftrag bewusst zu einem Limit platzieren, das ausreichend Volumen für ihre Verkaufsorder bietet, im Beispiel des wenig liquiden Vietnam-ETFs etwa eine Verkaufsorder mit einem Limit von 25,75 Euro für maximal 255 Anteile. Zum anderen zeigt das Orderbuch die Liquidität eines ETF anhand der Markttiefe. Das ist insbesondere bei großen Aufträgen wichtig, wenn an der Spitze nur Orders mit geringen Stückzahlen stehen. In dieser Situation können Investoren bereits bei der Orderaufgabe den zu erwartenden Durchschnittspreis ermitteln und erfahren diesen nicht erst in der Abrechnung.
Oder sie stellen sich bewusst mit einer Limit-Order in den aktuellen Spread und können bei Ausführung ihrer Order von einem besseren Preis gegenüber dem aktuell besten Geld- oder Brieflimit profitieren. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass sich der Markt auch vom aktuellen Preisniveau entfernen kann und eine Ausführung in diesem Fall nicht sichergestellt ist.
von Edda Vogt, Juli 2023, © ETF Magazin
Der Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe des ETF Magazins, dem Fachjournal für Profis und informierte Anleger*innen.
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