Widersprüchliche Signale zerren an den Wertpapiermärkten in beide Richtungen. Hohe Risikobereitschaft wiegt Warnsignale auf.
21. November 2021. Frankfurt (Börse Frankfurt). Trotz anhaltend hoher Inflation und steigender Covid-Infektionszahlen hat der DAX sechsmal in Folge neue Marken gesetzt. Nun könnte eine Konsolidierung anstehen. Zwar sollten US-Konjunkturdaten aus den USA in dieser Woche bestätigen, dass zumindest die US-Wirtschaft auf einem soliden Kurs ist, doch in der Eurozone könnten die Covid-Zahlen die Stimmung belasten.
Die aktuellen Marktrisiken seien kaum eingepreist, stellt Christian Schmidt von der Helaba mit Blick auf die Risikobereitschaft der Anleger fest. Sie habe das höchste Niveau seit der Dotcom-Krise erreicht. Anscheinend erwarteten die Marktteilnehmer weiterhin, „dass die Notenbanken mit ihrer Geldschwemme alle aufkommenden Gefahren ausbügeln werden“. Schmidt sieht jedoch weiterhin sowohl den DAX als auch die US-Börsen vor einer Korrektur.
Schmidt
Konsolidierung auf Rekordniveau wahrscheinlich
Auch Chris-Oliver Schickentanz, Chefanlagestratege der Commerzbank, ist skeptisch für die Marktentwicklung: „Nicht nur in Deutschland, sondern im gesamten Euroraum trübt sich der Konjunkturausblick angesichts rasant steigender Corona-Infektionszahlen immer stärker ein“, beobachtet er. Zwar trotze die positive Grundstimmung an den Aktienmärkten der Pandemie-Entwicklung, doch in der kommenden Woche fehlten die positiven Impulse aus den Zwischenberichten der Unternehmen. „Die Wahrscheinlichkeit einer Konsolidierung auf den Rekordniveaus steigt. Von großen Rückschlägen gehen wir allerdings angesichts der relativen Bewertungsvorteile für Aktien nicht aus“, erklärt der Kapitalmarktstratege.
Unbehaglichere Mischung aus nachlassender Wachstumsdynamik und Inflationsdruck
Ann-Katrin Petersen von Allianz Global Investors stellt im Vorfeld der neuen Konjunkturdaten „eine unbehaglichere Mischung aus nachlassender Wachstumsdynamik einerseits und anhaltendem Inflationsdruck andererseits“ fest. Diese Mischung erhöhe die Wahrscheinlichkeit vorübergehender Kurskorrekturen an den Börsen. Zuletzt hätten zwar globale Früh- und Stimmungsindikatoren auf eine Stabilisierung der Wachstumsdynamik hingedeutet und die Konjunktur in den USA und China wieder Tritt gefasst zu haben. Doch berge das Infektionsgeschehen in Europa kurzfristige Abwärtsrisiken.
Die Stimmung der Einkaufsmanager in den USA, Deutschland und Großbritannien wird nach Ansicht von Petersen in der neuen Woche neue Impulse liefern. Außerdem stelle sich die Frage, ob die neue Corona-Welle der Konsumlaune, und der Stimmung in deutschen Unternehmen bereits einen Dämpfer verpasst haben. Am Montag wird das Verbrauchervertrauen und am Dienstag der ifo-Geschäftsklimaindex veröffentlicht.
Wird „vorübergehende Inflation“ in Frage gestellt?
Auch geldpolitisch verspricht die neue Woche Spannung mit der Interpretation der Sitzungsprotokolle von FED und EZB am Mittwoch bzw. Donnerstag. „Eine Kernfrage an dieser Stelle ist, inwieweit das 'dauerhaft vorübergehende' Inflationsnarrativ der Fed – und anderer ‚zögerliche Normalisierer’ wie der Bank of England und Reserve Bank of Australia, ganz zu schweigen von den ‚unnachgiebigen’ Notenbanken wie der EZB, schwedischen Riksbank, türkischen und indischen Notenbank – in Frage gestellt wird“, kommentiert Petersen.
Weitere Reduzierung des Anleihe-Kaufprogramms der FED?
Analysten der DekaBank gehen davon aus, dass die FED die Mietpreisentwicklung und den Anstieg der Arbeitskosten thematisiert. „Spannend bleibt, wie hoch hier die Befürchtungen der einzelnen Offen-Markt-Ausschuss-Mitglieder wirklich sind.“ Das Ausmaß der Besorgnis könne ein Hinweis sein, ob beim Zinsentscheid im Dezember das Anleihekaufvolumens nicht nur von derzeit monatlich 15 auf 30 Milliarden US-Dollar reduziert wird, sondern stärker.
Was stark steigt, kann tief fallen
Positiv bewerten Analysten, dass der DAX neue Allzeithochs erreicht hat. Das wertet etwa Schmidt von der Helaba als positives Signal. Offen sei aber, wie lange die Märkte die „historisch einmalige Gewinnstrecke“, trotz vieler Warnsignale wie zu hohe Bewertungen und ausgereizte Gewinnmargen aufrecht erhalten können. „Alles, was stark steigt, kann auch tief fallen.“
Zum Black Friday, dem wichtigsten Shopping-Tag in den USA im Jahr, sieht Helaba-Volkswirtin Claudia Windt Online- und Einzelhändler im Fokus des Geschehens, eine Branche, die auch stark von neuen Corona-Maßnahmen beeinflusst werde.
Rückblick
In der vergangenen Woche hatte der DAX neue Rekordhöhen erreicht. Gefragt waren vor allem die Bereiche Automobil, Konsum, Technologie. Mit steigenden Infektionszahlen gehörten Online-Dienstleister wie Hellofresh und Zalando zu den Gewinnern, während Tourismus- und Luftfahrt-Aktien verkauft worden waren. Die mögliche Freigabe von Ölreserven hatte die Öl-Märkte zunächst recht unbeeindruckt gelassen; die Ölpreise gaben erst am Freitag im Zuge steigender Corona-Sorgen nach. Der Euro hatte erneut Rücksetzer hinnehmen müssen.
Anstehende Börsengänge an der Frankfurter Börse
Am Montag nimmt Allterco JSCo das Zweitlisting im Regulierten Markt der Frankfurter Börse auf. Der bulgarische Spezialist für IoT und Smart-home-Lösungen ist seit 2016 an der Börse in Sofia notiert.
Wichtige Konjunkturdaten und Wirtschaftstermine der Woche
Montag, 22. November
16:00 Uhr. USA: Verkäufe bestehender Häuser im Oktober. Einer Jahresrate von zuletzt 6,29 Millionen steht ein Konsens von 6,2 Millionen gegenüber.
Dienstag, 23. November
9:30 Uhr. Deutschland: Einkaufsmanagerindizes. Für das verarbeitende Gewerbe werden nach 57,8 im Vormonat im Konsens 57 Punkte und für die Dienstleistungen nach 52,4 nun 52 Punkte erwartet, also beide schwächer.
10:00 Uhr Eurozone: Einkaufsmanagerindizes. Ebenfalls schwächer erwartet.
Mittwoch, 24. November
10:00 Uhr. Deutschland: ifo-Geschäftsklima-Index. Der fünfte Rückgang in Folge mit 97,7 im Vormonat auf 56,9 Punkte im November wird erwartet
14:30 USA: Erstanträge Arbeitslosenhilfe (Woche). Nach 268.000 Anträgen in der Vorwoche sollten in der vergangenen Woche weniger Menschen erstmalig Arbeitslosenhilfe beantragt haben.
20:00 USA: Das Sitzungsprotokoll der jüngsten FED-Sitzung.
Donnerstag, 25. November
USA: Feiertag. Die Börsen in den USA sind wegen Thanksgiving geschlossen.
8:00 Uhr. Deutschland: GfK-Konsumklima für Dezember. Rückläufige Entwicklung erwartet.
Freitag, 26. November
13:30 USA: Arbeitsmarktbericht 10/21. Nach einem durchwachsenen Vormonat mit einem Beschäftigten-Zuwachs von 194.000 sollte der Oktober einen Zuwachs von 425.000 gebracht haben. Damit sänke die Arbeitslosenquote von 4,8 auf 4,7 Prozent.
von: Antje Erhard, 21. November 2021, © Deutsche Börse AG