Lange wurden EZB-Sitzungen kaum beachtet – niemand rechnete mit einer veränderten Geldpolitik. Das ist jetzt anders, die nächste Sitzung wird mit Spannung erwartet. Risikofreudigere Anleger setzen auch schon mal auf Bonds angeschlagener Unternehmen.
3. September 2021. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Dass die Geldpolitik in der Eurozone nicht auf ewig im Krisenmodus bleiben kann, haben diese Woche zwei Mitglieder des EZB-Rats deutlich gemacht. Österreichs Zentralbankchef Robert Holzmann, der auch dem EZB-Rat angehört, hat eine Debatte über die EZB-Wertpapierkäufe gefordert. Die wirtschaftliche Erholung im Euroraum erlaube es, über reduzierte Anleihekäufe nachzudenken. Der niederländische Notenbankchef Klaas Knot äußerte sich ähnlich.
„Daher wird es nächste Woche spannend“, bemerkt Arthur Brunner mit Blick auf die am kommenden Donnerstag anstehende EZB-Sitzung. Viel Interesse gilt auch den US-Arbeitsmarktzahlen, die heute Nachmittag veröffentlicht werden. Von denen erhoffen sich Anleger Auskunft über die weitere US-Geldpolitik.
„EZB-Sitzung wird mit Spannung erwartet“
Schon leicht höhere Renditen
Die Renditen zogen diese Woche jedenfalls an: Für zehnjährige Bundesanleihen liegen sie am Freitagmorgen bei minus 0,39 Prozent, vor einer Woche waren es minus 0,42 Prozent. In den USA sind es mit 1,30 Prozent für zehnjährige Papiere deutlich mehr.
„Wegen der höheren Zinsen in den USA sehen wir viele Käufe von US-Treasuries“, berichtet Tim Oechsner von Steubing. Anleger setzten zum Beispiel auf eine bis 2023 laufende Anleihe mit Kupon von 1,75 Prozent (<US912828VB32>). Die wird allerdings schon zu 102,58 Prozent gehandelt, was die Rendite auf 0,22 Prozent drückt.
Oechsner
Deutsche und griechische Staatsanleihen gefragt
Über mangelndes Interesse an Bundesanleihen kann sich die deutsche Finanzagentur nicht beklagen, wie Brunner berichtet: „Für eine neue Bundesanleihe mit Laufzeit von 30 Jahren im Volumen von 5,5 Milliarden Euro lag die Nachfrage bei 18 Milliarden Euro – und das bei einer leicht negativen Rendite.“ Noch besser an kam Brunner zufolge die Aufstockung von zwei griechischen Staatsanleihen mit Laufzeit bis 2026 und 2052: Da übertraf die Nachfrage das Angebot um den Faktor sechs beziehungsweise neun.
Fresenius und VW auf Einkaufslisten
Im Handel mit Unternehmensanleihen geht es eher ruhig zu, wie Gregor Daniel von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank feststellt. Er meldet Käufe für eine bis 2033 laufende Fresenius-Anleihe mit Kupon von 1,125 Prozent (XS2237447961). Oechsner von Steubing berichtet von Interesse an bis 2027 laufenden Volkswagen-Anleihen (XS2374595044) mit Kupon von 0,125 Prozent. „Die „Retail-Nachfrage ist groß.“
Hylea und Evan: Appetit auf Riskanteres
Eher spekulativ eingestellte Anleger setzen laut Oechsner auf Papiere des bolivianischen Paranussproduzenten Hylea Group (DE000A19S801). Das Unternehmen leidet heftig unter der Corona-Krise, die Zinszahlungen sind ausgesetzt, die Anleihe soll restrukturiert werden. „Der Kurs scheint bei 9 Prozent aber einen Tiefpunkt erreicht zu haben, wir sehen jetzt vermehrt Käufe.“ Ebenfalls gut an kommt Oechsner zufolge eine Anleihe des Immobilienentwicklers Evan Group (DE000A19L426). Der Bond mit Kupon von 6 Prozent läuft bis 2022 und wird aktuell zu 72 Prozent gehandelt.
Zulegen konnten laut Brunner Papiere des insolventen Herstellers von Druckluftnaglern Joh. Friedrich Behrens (DE000A2TSEB6). „Das Unternehmen hat die erwartete Insolvenzquote von 40 bis 65 Prozent bekräftigt“, erläutert der Händler. Der Kurs war nach der Insolvenzmeldung im November 2020 unter 10 Prozent gefallen, jetzt sind es wieder 48 Prozent.
von Anna-Maria Borse 3. September 2021 © Deutsche Börse