Bestandsaufnahme der Lage am Markt und in den Depots, spannende Trends in Themen gebündelt, Krpytos und kritische Punkte – die wichtigsten Erkenntnisse beim 15. ETF-Forum in aller Kürze.
18. Mai 2022. Frankfurt (Börse Frankfurt). Die Freude darüber, sich wieder persönlich zu treffen, war deutlich zu spüren und prägte die Grundstimmung des diesjährigen 15. ETF-Forums der Deutsche Börse AG, das am 5. Mai in Frankfurt stattfand. Beim großen Branchen-Treffen für professionelle Investor*innen, Berater*innen und die ETF-Industrie kamen rund 245 Teilnehmer zusammen, informierten sich in sechs Sessions und sprachen viel miteinander.
Der konjunkturelle Ausblick
Ein zentrales Thema, die Herausforderungen momentaner Krisen und konjunktureller Unsicherheiten, für die Investmentbranche, zogen sich durch die Veranstaltung. Die eröffnete Eric Leupold, Leiter des Bereichs Cash Market bei der Deutschen Börse, zunächst mit einer positiven Bestandsaufnahme des Markts für passive Investment: 2021 überschritt das in auf Xetra® gehandelten ETFs investierte Vermögen der Deutschen Börse erstmals 1 Billion Euro, plus 39 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das Produktangebot ist weiter stark gestiegen auf rund 1.800 ETFs. Allein in 2021 kamen über 208 neue Listings dazu, die höchste Zahl der vergangenen 10 Jahre. Mit dieser Produktauswahl und einem durchschnittlichen monatlichen Handelsvolumen von 19 Milliarden Euro – angesichts der hohen Volatilität im Markt zurzeit sogar rund 25 Milliarden Euro – ist Xetra der führende Handelsplatz für ETFs in Europa.
Indexprodukte mit Ansätzen der Nachhaltigkeit erfahren weiterhin das größte Wachstum: Das auf Xetra in ESG-ETFs investierte Vermögen lag Ende 2021 bei 200 Milliarden Euro an – plus 150 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Sie machen inzwischen ein Fünftel des Marktes aus, Tendenz stark steigend. Das zweite Boom-Thema im ETP-Segment sind Kryptowährungen. Aus vier Produkten im Jahr 2020 sind 77 ETNs von zehn Anbietern geworden. Der durchschnittliche monatliche Handelsumsatz liegt inzwischen bei über 1 Milliarde Euro.
Traditionell startet ein konjunktureller Ausblick der Chefökonomen die Diskussionen. In diesem Jahr mit sehr viel Einigkeit: Alle drei Volkswirte sehen die Konjunktur noch am Verdauen der Corana-Krise. Nach Ansicht von Ulrich Kater, DekaBank, waren die Rettungsmaßnahmen der Notenbanken zu erfolgreich. „Wenn der Geist der Inflation aus der Flasche ist, kriegt man ihn schwer wieder rein.“ Felix Hüfner von der UBS erkennt vor allem in der Energiekrise große Risiken. Ein Stopp der Gasimporte mit weiter steigendem Ölpreis bis über 180 US-Dollar führe direkt in die Rezession. Das Ausmaß der Inflation hänge vom Arbeitsmarkt ab, bzw. den Lohnsteigerungen, die mit Faktor 0,5 die Inflation nach oben drücken sollten. Michael Holstein, DZ Bank, sieht mit dem Ukraine-Krieg vor allem die Auto- und die Baubranche vor einer Krise. Alle drei Ökonomen erwarten, dass die Notenbanken zügiger handeln werden als bisher, sind sich aber uneinig, welche Assetklasse jetzt die bessere sei. Während sich Kater für Sachwerte ausspricht, würde Holstein eher auf Anleihen setzen.
Knifflige Fragen im Asset-Management
Um passende Strategien in der Asset-Allokation drehte sich die zweite Session. Und auch hier waren sich die drei Teilnehmer*innen ziemlich einig. Viele Investor*innen sehen sich jetzt in einer Marktphase des Stock-Picking. Stephanie Lang von BlackRock verwies darauf, dass sich die Trends sehr gut mit ETFs abbilden lassen könnten – bei deutlich niedrigeren Risiken. Peter Warken, DWS, zählt auch solide Bilanzen, Dividenden, Margen-Stabilität und andere Qualitätsfaktoren bei der Wertpapierauswahl auf. Die typische Diversifikation der vergangenen Jahre zwischen Aktien und Anleihen sei im Moment auf den Kopf gestellt. Was aber, in einem längeren zeitlichen Kontext betrachtet, nicht ungewöhnlich wäre.
Helen Windischbauer von Amundi sieht Chancen in sonst „unattraktiven“ Branchen wie Grundstoffe oder Lebensmittel.
Gezielte Trend-Investments in ETF-Form
Mit Themen-ETFs, „spannende Anlagetrends in Wachstumsbranchen“ laut Titel, befasste sich das dritte Panel. Die drei Vertreter der Anbieter, Florian Berberich von Rize, Ulrich Cord von Invesco und Florian Körner von VanEck, glauben vor allem an ‚Pure Player‘, d.h. Unternehmen, deren Geschäftsschwerpunkt in dem jeweiligen Thema liegt, nicht nur in der Sparte. Spannend seien auch Kompositionen mit Unternehmen aus verschiedenen Bereichen der Wirtschaft, nicht nur die Abbildung einer Industriegruppe.
Das Marktrisiko, das häufig mit Themen-ETFs verknüpft werde, hält Körner für handhabbar, wenn die Investments im Kontext des gesamten Portfolios bewertet werden. Für Berberich hängt viel an der gewählten Gewichtung im ETF mit Verweis auf Liquiditätsrisiken.
In ihrem Ausblick sehen die drei Spezialisten einen klaren Trend weg von Wachstumsthemen zu niedrigerem, dafür stabilerem Wachstum. Mit viel Gelächter aus dem Publikum für das Beispiel Haustierbranche.
Was steckt drin im ESG-ETF
Die Klassifizierung von ESG-ETFs ist für die Teilnehmer der vierten Session weiterhin eine zentrale Herausforderung. Allerdings, betont Veronika Kylburg von Qontigo, sei das große Angebot an Indizes auch eine Folge des Bedarfs institutioneller Investoren an vielen kleinen Stellschrauben für die jeweiligen Konzepte. Für Dag Rodewald von der UBS wird bedeutsam, dass die mediale Geschichte der Gleich- bis Überperformance seit ein, zwei Jahren nicht mehr funktioniere durch den Ausschluss vom Performance-Treiber Energie. Aber ohnehin sei Nachhaltigkeit für ihn ein Risiko-Tool, kein Alpha-Tool.
Stark wachsendes Segment der Krypto-Tracker
Einen interessanten Einblick in die Welt der Krypto-Tracker und deren Unterschiede zu anderen ETPs bot das fünfte Panel. Andre Voinea von HANetf berichtet, dass vor allem private Anleger*innen den Markt treiben würden. 40 Prozent der Zuflüsse stammten aus dieser Anlegergruppe gegenüber 20 Prozent bei den anderen ETFs und ETPs von HANetf. Was für Patrick Heusser von Crypto Finance viel der Volatilität von Coins erklärt: „Emotionale Trades analog zu Preisschwankungen“, während institutionelles Geld eher stabilisiert. Site-Kick: Ein 100tel der Assets in Kryptowährungen seien echte Zuflüsse, die große Mehrheit Preissteigerungen. Für Bernhard Wenger von 21Shares ist das Börsen-Listing der ETNs ein Qualitätsmerkmal, das den Markt deutlich vergrößere.
Der Corporate Governance von ETFs, bzw. wie passives Investment die Unternehmensführung beeinflusst, ging die letzte Session des Tages nach. Mit dem Fazit, dass einige Anbieter wie die Deka die Verantwortung übernehmen und mit dem Management auch die Strategie diskutieren möchte. Eine Gegenstimme auf der Hauptversammlung öffne Türen. Man mache keinen Unterschied zwischen aktiv und passiv. Damit schlossen Speich, Deka, Carlo M. Funk von State Street und Phil Kuhn von Vanguard das Programm und überließen die verbliebene Zeit vom Forum den Gesprächen, nicht nur über passive Investments, vor der Tür.
von Edda Vogt, 19. Mai 2022, © Deutsche Börse AG