Die Frage „ETFs oder aktive Fonds?“ ist eine heiß diskutierte Frage, die jedoch in die Irre führt. Ali Masarwah, Fondsanalyst und Geschäftsführer des Finanzdienstleisters Envestor, erläutert, warum es eine goldene Mitte gibt.
2. Juni 2025. FRANKFURT (envestor): Die Frage, wie Anleger ihr Portfolio optimal strukturieren, ist eine Herausforderung, an der viele scheitern – selbst wenn sie die wichtigsten Leitsätze („Diversifikation“, „Buy and Hold“, „Kosten senken“) beherzigt haben. Ich komme auf diese Frage über den Umweg einer weiteren Menschheitsfrage: ETFs oder aktiv verwaltete Fonds. Anleger gewinnen viel, wenn sie den scheinbaren Widerspruch zwischen ETFs und aktiv verwalteten Fonds auflösen. Wer das tut, rückt den wirklich wichtigen Fragen zu Leibe: Wie investiert man in die Kernmärkte, wie investiert man in Anleihen und Nebenmärkten?
Bei Aktien sind für die breite Marktabdeckung, insbesondere bei Standardwerten und großen Aktienmärkten wie den USA oder Europa, ETFs das Mittel der Wahl. Sie bieten einen effizienten, kostengünstigen Zugang zu den wichtigsten Märkten und ermöglichen es, das Fundament eines Portfolios mit hoher Diversifikation und niedrigen Gebühren zu legen. In diesen Segmenten haben ETFs über die Jahre hinweg bewiesen, dass sie dem Durchschnitt aktiv verwalteter Fonds überlegen sind – und zwar um Längen. Deshalb sind sie hier die Default-Option. Umgesetzt wird dies idealerweise bei einer Bank oder einem Broker, der dauerhaft günstige Handelsmöglichkeiten bietet, sowie bei einem ETF-Anbieter, der seine Produktpalette stetig pflegt und nicht häufig ETFs liquidiert oder fusioniert.
Ein spezielles Bild zeigt sich indes bei Randmärkten und Anleihen. Hier spielen aktiv verwaltete Fonds ihre Stärken aus. Besonders in komplexen Märkten wie Japan oder den Schwellenländern sind ETFs oft nicht die beste Wahl, da sie Konstruktionsschwächen aufweisen oder wichtige Marktsegmente nicht ausreichend abbilden. Qualitativ hochwertige, günstige, aktiv gemanagte Fonds können in diesen Aktienmärkten durch gezielte Titelauswahl und flexibles Risikomanagement einen Mehrwert bieten.
Aktiv verwaltete Fonds haben jedoch vor allem Vorteile bei Anleihen. Auf den ersten Blick punkten ETFs auch bei liquiden Staatsanleihen wegen ihrer niedrigen Kosten und der Effizienz. Doch die vermeintliche Effizienz erweist den meisten Anlegern hier einen Bärendienst, der die Kostenvorteile relativiert. Bond-ETFs sind zumeist starr nach Laufzeitenbändern und entsprechend der Schuldengewichtung gestaltet. Das ist oft nicht zielführend aus Sicht der Anlegerinnen und Anleger.
Bevor sie „den ganzen Markt kaufen“, sollten sie kritisch reflektieren, ob Mr. Market wirklich immer Recht hat. Wer diese Frage verneint, ist bei aktiv verwalteten Rentenfonds gut aufgehoben. Ein weiterer Pluspunkt bei aktiv verwalteten Anleihenfonds: Sie können ungestört in wenig liquiden Bereichen wie High Yield, Loans, CAT-Bonds oder Nachranganleihen investieren. Sie eröffnen dort einen effizienten Zugang zu attraktiven Renditechancen, die ETFs wegen besagter Marktineffizienz und hoher Liquiditätsanforderungen zumeist verschlossen bleiben. Aktiv verwaltete Fonds und ETFs – mit einer guten Mischung sind sie aus Sicht der Anleger ein unschlagbares Duo.
Von Ali Masarwah, 2. Juni 2025, © envestor.de
Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor.de, eine der wenigen Fondsplattform, die Cashbacks auf Fonds-Vertriebsgebühren zahlt. Masarwah analysiert seit über 20 Jahren Märkte, Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar. Seine Expertise wird auch von zahlreichen Finanzmedien im deutschsprachigen Raum geschätzt.
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