Alles Gute zum 25ten. Am 11. April 2000 hat die Deutsche Börse als erste Börse den ETF-Handel in Europa gestartet. Seither ist seine Verbreitung eine einzige Erfolgsstory. Zeit für das ETF Magazin, um mit Stephan Kraus, Head of ETF und ETP bei der Deutschen Börse, in Erinnerungen zu schwelgen und in die Zukunft zu blicken.
Stephan Kraus ist Head of ETF & ETP bei der Deutsche Börse AG und verantwortet das ETF & ETP Segment. Er ist seit 2000 für die Deutsche Börse tätig und hat seither Xetra zum größten börslichen Handelsplatz für ETFs und ETPs in Europa aufgebaut.
Vor etwa 25 Jahren wurde erstmals ein ETF auf Xetra/in Europa gehandelt. Hatten Sie damals schon eine Ahnung davon, wie der ETF die Geldanlage verändern würde; welches Potenzial dahintersteckt?
Als die Deutsche Börse am 11. April 2000 den Handel mit ETFs in Europa startete, war dies zunächst mal ein großer Erfolg für das Projektteam, denn diesem Handelsstart gingen Wochen intensiver Arbeit voraus. Zwar wurden damals bereits erste ETFs in den USA gehandelt, der Markt war aber noch überschaubar und weit von den heutigen Dimensionen entfernt. Das Ziel bestand darin, dem neuen Produkttyp ETF möglichst frühzeitig auch eine Chance in Europa zu geben. Die ersten Jahre waren vor allem von Aufklärungsarbeit geprägt, bei der es darum ging, Anlegerinnen und Anlegern die Funktionsweise von ETFs und deren Vorteile gegenüber klassischen Fonds und einer Einzelanlage in Aktien zu erklären. Die Resonanz auf Investorenseite war grundsätzlich positiv, aber insgesamt noch sehr zurückhaltend. Dies änderte sich erst einige Jahre später, zunächst bei institutionellen Investoren und dann auch bei Privatanlegerinnen und Privatanlegern. Die Bedeutung, die ETFs heute bei der Geldanlage einnehmen, war damals sicher noch nicht absehbar.
Wie hat der ETF auch das Geschäft der Deutschen Börse verändert?
ETFs spielen inzwischen eine zentrale Rolle im Geschäftsmodell der Gruppe Deutsche Börse. Aus dem anfänglichen Nischenprodukt ist ein hocheffizientes Finanzprodukt geworden. Diese Entwicklung hat die Deutsche Börse gemeinsam mit vielen weiteren Marktakteuren in den vergangenen Jahren aktiv vorangetrieben. Unser Dienstleistungsspektrum ist dabei sehr breit aufgestellt – von der Indexauflage unter unseren Marken DAX und STOXX, über den Handel der Produkte auf Xetra und dem Risikomanagement durch Eurex Clearing, bis hin zur Abwicklung der Handelsgeschäfte und der Verwahrung von ETF-Anteilen bei Clearstream. Zudem bietet die Eurex eine Vielzahl an Derivaten, mit denen sich Positionen in ETFs effektiv absichern lassen. Das Zusammenspiel hat einen wesentlichen Beitrag zur Effizienzsteigerung des ETF-Ökosystems geleistet.
Welche Bedeutung hat der ETF für die Xetra bzw. die Deutsche Börse?
Seit Auflage der ersten ETFs in Europa stehen die Produkte im Fokus der Deutschen Börse. Unser Ziel war es von Beginn an, mit unserer elektronischen Handelsplattform Xetra eine führende Rolle beim Handel von ETFs in Europa einzunehmen. Dieses Ziel haben wir über die vergangenen 25 Jahre konsequent durch umfassende Aufklärungsarbeit und innovative Service- Angebote verfolgt. Dabei standen für uns immer auch die Interessen unserer Kunden im Vordergrund, sowohl auf Seiten der Emittenten und Market Maker, mit denen wir gemeinsam den Markt aufgebaut haben, als auch die der verschiedenen Investorengruppen. Wir haben beispielsweise schon früh das Potenzial von ETFs als Baustein der privaten Altersvorsorge erkannt und dieses bereits im Jahr 2019 durch Einführung eines Programms zur kostenfreien Ausführung von ETF-Sparplänen auf Xetra unterstützt. Darüber hinaus setzen wir aktuell mit der Einführung unseres Xetra Retail-Angebots für ETFs neue Maßstäbe im Handel für Privatanlegerinnen und -anleger.
Durch den neuen Service können diese bei teilnehmenden Banken und Brokern eine nochmalige Preisverbesserung gegenüber den Referenzpreisen im Xetra- Orderbuch erhalten. Maßnahmen wie diese haben dazu beigetragen, dass der Anteil des ETF-Handels auf Xetra im vergangenen Jahr ein neues Rekordhoch verzeichnen konnte und mittlerweile mit 212 Mrd. Euro rund 17 Prozent des gesamten Xetra- Handelsumsatzes ausmacht.
Etwa 2.500 ETFs sind auf Xetra handelbar. Weltweit sind es etwa 10.000. Meinen Sie, der Markt wird irgendwann gesättigt sein?
Als wir im Jahr 2012 das 1.000ste ETF-Listing auf Xetra feierten, waren damals viele Marktbeobachter der Meinung, dass mittlerweile nahezu alle relevanten Märkte über ETFs abgebildet seien. Doch wie uns die vergangenen Jahre immer wieder gezeigt haben, gibt es nach wie vor eine Vielzahl an Investmentansätzen, die noch nicht über ETFs erschlossen sind.
Treiber hinter dieser Entwicklung können technologischer Wandel, regulatorische Änderungen oder auch einfach neue, innovative Anlagekonzepte sein. Beispiele hierfür aus der jüngeren Vergangenheit sind Themen-ETFs mit Fokus auf Künstliche Intelligenz, ETFs mit nachhaltigen Anlagegrundsätzen oder Laufzeit- ETFs im Anleihenbereich. Das spiegelt sich auch in der Listingaktivität wider, mit der Folge, dass wir im vergangenen Jahr mit 281 ETF-Neuzulassungen die höchste Anzahl an neuen ETF-Listings innerhalb eines Jahres seit Start des Segments vor 25 Jahren verzeichnen konnten.
Allerdings hinterfragen Anbieter auch immer wieder, ob ein neu aufgelegter ETF seine Ziele erreicht und ausreichendes Investoreninteresse gefunden hat. Ist dem nicht so, werden Produkte wieder vom Markt genommen. Es findet also ein kontinuierlicher Bereinigungsprozess statt. Dennoch gehen wir davon aus, dass die Zahl der Produkte im europäischen Markt weiter zunehmen wird.
Wie wird sich Ihrer Meinung nachder ETF-Markt auf mittel- bis langfristige Sicht verändern?
Derzeit sehen wir auf Anbieterseite großes Interesse an aktiven Strategien. Bereits 2024 verzeichneten aktive ETFs auf Xetra hohe Wachstumsraten und neue Rekordmarken, sowohl bei der Anzahl, dem Fondsvermögen als auch beim Handelsvolumen. Mittlerweile sind über 220 aktive ETFs in unserem Segment notiert, ein Zuwachs von mehr als 100 Produkten gegenüber 2023. Dieser Trend dürfte sich in den nächsten Jahren fortsetzen, auch getragen von neuen Anbietern, die sich Gedanken über einen Markteintritt machen.
Ähnlich sieht es im Privatanlegerbereich aus. Wie auch Ihre regelmäßig erscheinenden Marktberichte und Sparplan-Studien zeigen, wächst deren Anzahl von Monat zu Monat. Das beobachten wir auch auf Xetra, wo sich der geschätzte Anteil von Privatanlegerinnen und -anleger am ETF-Handelsvolumen in den vergangenen zehn Jahren von vier auf 13 Prozent erhöht hat. Sollte es von Regierungsseite künftig zusätzliche Anreize für eine private Altersvorsorge mit ETFs geben, könnte dies einen weiteren Impuls geben.
Spannend ist auch das Thema Technologie. Hier sehen wir im institutionellen Bereich eine zunehmende Nutzung von Algorithmen beim Handel von ETFs. Im gleichen Zug werden auch die Market Maker bei ihrer Liquiditätsbereitstellung immer effizienter und geben dies in Form von engeren Geld-Brief-Spannen an den Markt weiter. Damit sollten auch Privatanlegerinnen und -anleger weiter von sinkenden Kosten profitieren.
Zum Abschluss: Haben Sie ein paar „Wünsche“ für den ETF als Jubilar?
Ich würde mir wünschen, dass ETFs den Weg der letzten Jahre fortsetzen und sich als Standardprodukt der privaten Altersvorsorge etablieren. Mit ihrer breiten Risikostreuung und günstigen Kostenstruktur sind sie geradezu prädestiniert, die Menschen von den Vorteilen eines langfristigen, kapitalgedeckten Vermögensaufbaus zu überzeugen. Dabei sollte der Markt bei aller Innovationsfreude seinen Wurzeln treu bleiben.
E wie einfach, T wie transparent und F wie flexibel – diese drei Merkmale sollten auch in Zukunft die Leitlinien für die Produktgestaltung sein. Als größter börslicher Handelsplatz für ETFs in Europa freuen wir uns darauf, die Zukunft des Marktes weiterhin aktiv mitzugestalten.
Das Interview führte Jens Jüttner für das Extra-Magazin, mehr auf extraetf.com.
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