Fondsmanager Frank blickt auf die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs für die Deutsche Wirtschaft und bespricht, wie Aktionäre agieren und reagieren sollten.
4. April 2022. FRANKFURT (pfp Adisory). Ist die Globalisierung am Ende? Muss sich Deutschland ein neues „Geschäftsmodell“ suchen? Oder wird alles wieder wie vorher sein, sobald die dunklen Wolken Corona, hohe Inflation und Ukraine-Krieg vorbeigezogen sind? Kommt nach dem Ende des Blutvergießens gar eine „Globalisierung 2.0“?
Vermutlich liegt die Wahrheit auch diesmal wieder in der Mitte. Fest steht allerdings für mich, dass der Ukraine-Krieg eine Zäsur darstellt, nach der die Welt in einigen Bereichen doch merklich anders aussehen wird als zuvor. Sechs Wochen nach dem Angriff Russlands auf seinen Nachbarstaat ist nach wie vor unklar, wann und mit welchem Ergebnis der Krieg enden wird. Eines scheint indes schon jetzt absehbar: Eine Rückkehr in die Welt vor dem Ukraine-Krieg, als sei alles nur ein böser Traum gewesen, ist schwer vorstellbar. Russland hat sich durch den Angriffskrieg politisch weit von Europa entfernt. Viele wirtschaftlichen und finanziellen Verbindungen wurden gekappt, eine Sanktionsspirale in Gang gesetzt. Ob tatsächlich ein neuer „Eiserner Vorhang“ durch Europa gezogen wird und erneut ein „Kalter Krieg“ beginnt, hängt vom weiteren Kriegsverlauf und schwer kalkulierbaren Vorgängen innerhalb Russlands ab.
Fakt ist hingegen, dass das „Geschäftsmodell der deutschen Wirtschaft“ auf eine harte Probe gestellt wird. Kaum eine Volkswirtschaft hat so stark von der Globalisierung profitiert wie die deutsche. Deshalb ist auch kaum eine andere Wirtschaft dermaßen abhängig von der Zulieferung von Rohstoffen und Vorprodukten, funktionierenden Lieferketten, Energiesicherheit, aufnahmebereiten bzw. nicht sanktionierten Absatzmärkten, friedlichem Freihandel und Rechtssicherheit.
Wie sehr, zeigen schonungslos Corona-Krise und Ukraine-Krieg. Die Welt staunt, wie abhängig sich Deutschland von russischen Energielieferungen gemacht hat und welche „Schönwetter-Wirtschaft“ in den vergangenen Jahren betrieben wurde. Solange das deutsche „Auenland“ grünte, schien es auch keinen Grund zu geben, sich allzu lange mit lästigen Fragen wie der Sicherung von Rohstoffen oder der Energieversorgung zu befassen. Und wenn, dann wurden diese Themen in der Politik oft wahltaktisch und ideologisch („ökologische Energiewende“) angegangen statt pragmatisch und lösungsorientiert.
Die Scherben dieser wenig vorausschauenden Politik können wir jetzt begutachten. Es ist keine angenehme Entscheidung, entweder den Absturz der deutschen Wirtschaft zu riskieren, oder mangels Alternative weiterhin auf russische Erdgaslieferungen zu setzen, wohlwissend, dass damit auch Putins Militärmaschine am Laufen gehalten wird. Ich beneide niemanden, der hier wählen muss. Und ich weiß nicht, wie spätere Generationen und Historiker dereinst darüber urteilen werden.
Meine Einschätzung ist, dass der Ukraine-Krieg ein Einschnitt ist, der vieles ändern wird, aber keinesfalls alles. Vielleicht werden wir in Zukunft wieder mehr in Deutschland produzieren. Einen großen Schwenk sehe ich aber alleine schon aus Kostengründen nicht. Dass klug agierende Manager dem Thema Versorgungssicherheit mehr Beachtung schenken, war schon während der Corona-Krise zu beobachten. Mittlerweile wird beispielsweise innerhalb der großen Autokonzerne heftig diskutiert, ob es sinnvoll war, für essentielle Bestandteile wie Kabelbäume nur einen einzigen Zulieferer einzusetzen, der einen Großteil seiner Produkte in der Ukraine fertigen lässt.
Unabhängig davon steht für mich fest, dass Deutschland in Sachen Energieversorgung, Infrastruktur, Digitalisierung, Entbürokratisierung und Wettbewerbsfähigkeit einiges nachzuholen hat, was in den vergangenen Jahren verschlafen wurde. Das zu korrigieren, ist eine mittel- bis langfristige Aufgabe der Politik, teilweise auch der Großindustrie. Kurzfristig gilt es, die schwerwiegendsten Schocks abzumildern und eine allzu tiefe Rezession zu verhindern.
Wie können Aktionäre agieren und reagieren? Da ich ein Verfechter des „Stock-Picking“ bin, also auf die Chancen und Risiken einzelner Unternehmen schaue, liegt für mich eine Schlussfolgerung auf der Hand: Ich würde nur Aktien von Unternehmen kaufen, die auf die neue Zeit vorbereitet sind. Umgekehrt würde ich Firmen meiden, 1. deren Geschäftsmodelle durch die neuen Rahmenbedingungen grundsätzlich gefährdet erscheinen; 2. deren Manager mir mangelhaft vorbereitet wirken, nicht willens sind zu reagieren oder die Gefahren kleinreden; 3. die nicht solide finanziert sind (denn das erhöht die Anfälligkeit für Schocks und das Risiko einer Insolvenz); 4. die schon in guten Zeiten Probleme hatten, nachhaltig profitabel zu wirtschaften (in schwierigeren Phasen werden sie das erst recht nicht schaffen); 5. die schon vorher über unzureichende Wachstumsperspektiven verfügten (das dürfte sich in der Krise selten ändern, von wenigen Ausnahmen wie Rüstungsfirmen abgesehen); 6. deren Aktien schon in guten Zeiten überbewertet waren (denn die krisenbedingt verschlechterten Aussichten dürften die Bewertungen tendenziell noch unattraktiver machen).
Anders gesagt: Wer schon vorher ein wetterfestes Geschäftsmodell hatte, muss nach der Krise kein neues suchen.
von Christoph Frank, 4. April 2022, © pfp Advisory
Christoph Frank ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Roger Peeters steuert der seit über 25 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktive Experte den DWS Concept Platow (WKN DWSK62), einen 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds, sowie den im August 2021 gestarteten pfp Advisory Aktien Mittelstand Premium (WKN A3CM1J). Weitere Infos unter www.pfp-advisory.de. Frank schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.
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