Fondsmanager Frank fragt sich angesichts der stark gestiegenen Aktienpreise, ob deutsche Aktien schon zu teuer sind und überprüft wichtige Kennzahlen. Seine These: die erste Phase nach einem Börsenabschwung könnte die profitabelste sein.
4. August 2025. FRANKFURT (pfp Adisory): Die ersten sieben Monate des Jahres sind vorbei, und der deutsche Aktienmarkt ist einer der großen Gewinner. Der Leitindex DAX hat seit Silvester rund 18 Prozent hinzugewonnen – trotz des verlustreichen Starts in den August. Und anders als im Vorjahr, in dem nur die in ihm versammelten Bluechips reüssierten, die Nebenwerte aber überwiegend auf der Stelle traten oder sogar an Wert verloren, sind diesmal auch die Mid- und Smallcaps mit von der Partie: Der MDAX mit den mittelgroßen Werten liegt ebenfalls rund 18 Prozent vorne, der SDAX mit seinen Small-Caps sogar über 24 Prozent. Selbst das Dauer-Sorgenkind Scale All Share Index kommt auf sehr anständige 15 Prozenth. Der Aufschwung hat den deutschen Aktienmarkt in der Breite erfasst. Mit Betonung auf „deutschen“, denn viele andere Regionen sehen 2025 bisher blass aus. So schafften die großen Indizes aus den USA (S&P 500 und Nasdaq Composite) sowie Japan (Nikkei 225) bisher nur einstellige Renditen, die überdies für Anleger aus dem Euro-Raum wegen hoher Währungsverluste größtenteils verdampften.
Sind die ungewöhnlich hohen Renditen deutscher Aktien seit Jahresbeginn überzogen? Fakt ist, dass die Bewertungen deutscher Aktien mit den Kurssteigerungen angezogen haben. Der DAX ist mittlerweile nicht mehr günstig, sondern, je nach betrachteter Kennzahl, meist etwas über seinem langjährigen Durchschnitt bewertet. Beim MDAX ist das Bild gemischt, aber im vertretbaren Bereich. Die niedrig kapitalisierten Unternehmen haben dagegen aus Bewertungssicht noch recht großes Potenzial.
Konkreter am Beispiel des Kurs-Buchwert-Verhältnisses (KBV) gezeigt: Beim DAX notieren nur noch 25 Prozent der Aktien unter Buchwert, also mit einem KBV unter 1,0, aber mittlerweile 45 Prozent bei einem KBV über 2,0. Beim MDAX sind es ähnliche 26 versus 52 Prozent. Dagegen ist der SDAX, trotz seines erst kürzlich erreichten Allzeithochs, deutlich niedriger bewertet: 27 Prozent seiner Bestandteile notieren laut meinen Analysen unter Buchwert, 37 Prozent mit einem KBV von 1,0 bis 2,0 und moderate 36 Prozent mit einem KBV über 2,0. Noch mehr „Schnäppchenalarm“ gibt es beim Blick in die Gruppe der nächstfolgenden 300 Aktiengesellschaften „unterhalb“ des SDAX: 40 Prozent notieren unter Buchwert, 26 Prozent mit einem KBV von 1,0 bis 2,0, und nur 34 Prozent mit einem KBV über 2,0. Bei den „Kleinen“ haben sich die Verteilungen folglich nur unwesentlich verändert, seit ich am 17. Februar 2025 an dieser Stelle schon einmal die Buchwerte deutscher Aktien ausführlich analysierte und schlussfolgerte, dass die damalige Anomalie ungewöhnlich niedriger KBVs bei deutschen Smallcaps „zügig beseitigt“ werden könnte.
Obwohl der SDAX seither rund 15 Prozent zulegte, sind deutsche Smallcaps meiner Meinung nach von einer Überbewertung immer noch weit entfernt, auch mit Blick auf die in den vergangenen Jahrzehnten üblichen KBV-Ausprägungen. Das hat auch damit zu tun, dass diese Smallcaps erst im Dezember 2024 unter ihren aggregierten Buchwert gefallen waren, wie seinerzeit beschrieben. Seither haben sie zwar deutlich hinzugewonnen, aber eben von einem sehr niedrigen Niveau aus. Da bleibt noch jede Menge Potenzial.
Es bewahrheitete sich eine Beobachtung, die ich in den vergangenen 30 Jahren häufiger machte: Mit die profitabelsten Phasen an der Börse sind die, in denen sich die Lage von „sehr schlecht“ zu „mittelmäßig“ verbessert. Ich denke hierbei z. B. an die unteren Wendepunkte des deutschen Aktienmarkts im März 2003 oder im März 2009, als nicht wenige Experten den Aktienmarkt bzw. das gesamte Finanzsystem nahe der Kernschmelze wähnten, und es auch danach noch lange dauerte, bis die Lage wieder „gut“ statt „mittelmäßig“ wurde. Aber die Wenden wurden noch im „Doomsday-Umfeld“ eingeleitet, und die Kursgewinne waren anfangs besonders üppig.
Diese Beobachtung könnte sogar eine Blaupause sein für die kommenden Jahre, wenn sich durch eine hoffentlich bessere Wirtschaftspolitik, weniger Regulierung und staatliche Investitionspakete das Wirtschaftswachstum von sehr schlechten Raten nahe null auf wenigstens mittelmäßige 1 Prozent verbessert. Das haut noch immer niemanden vom Hocker, wäre aber in jedem Fall eine starke Verbesserung und würde insbesondere auch von ausländischen Akteuren, die nun einmal die Kurse am deutschen Aktienmarkt bestimmen, auch so wahrgenommen. Nebenbei bemerkt: 1 Prozent Wachstum pro Jahr statt 0 bedeutet momentan ein um etwa 40 Milliarden Euro höheres Bruttoinlandsprodukt – und dieses „Mehr“ samt seinen positiven Konsequenzen erhöht auch den Spielraum der Politik erheblich.
Von Christoph Frank, 04. August 2025, © pfp Advisory
Christoph Frank ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Roger Peeters steuert der seit über 25 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktive Experte den DWS Concept Platow (WKN DWSK62), einen 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds, sowie den im August 2021 gestarteten pfp Advisory Aktien Mittelstand Premium (WKN A3CM1J). Weitere Infos unter www.pfp-advisory.de. Frank schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.
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