Roger Peeters zieht Halbjahresbilanz und sieht vor vielen Anlageklassen rote Vorzeichen. Bei wenigen mit gelb bis grünen fragt er sich, ob dies nicht nur an fehlenden Preisen liegen könnte.
11. Juli 2022. FRANKFURT (pfp Adisory). In diesem ausgesprochen schwachen Aktienjahr 2022 ist neben dem in dunkelrot gefärbten absoluten Veränderungen auf den Kurstafeln auch die relative Veränderung von Interesse. Gerade vor dem Hintergrund, dass in den Vorjahren durch freundliche Unterstützung der Notenbanken verschiedenste Anlageklassen wie etwa Aktien, Renten, Immobilien oder auch die vor allem bei jüngeren Anlegern in Mode gekommenen Kryptowährungen fast im Gleichklang nach oben zogen, ist besonders interessant, was nun ähnlich steil fällt.
Tatsächlich erlebten, vor dem Hintergrund der Zinswende wenig verwunderlich, Anleger in Renten ebenfalls ein Horror-Halbjahr historischen Ausmaßes. Zwar waren die absoluten Verluste nicht ganz so stark wie bei Aktien; in Relation zur vorherigen Rendite und zur generell geringeren Volatilität sind die Einbrüche hier auch bemerkenswert. Bei Bitcoin und Co., bei denen die Frage, ob es wirklich eine Asset-Klasse ist, gerne intensiv diskutiert wird, gab es spiegelverkehrt zur Hausse der Vorjahre sehr bemerkenswerte Einbußen. Soweit alles konsistent und logisch. Das gilt auch für den klassischen Krisengewinnler Gold und Rohstoffe, die auch von partieller Verknappung deutlich profitieren.
Was zumindest mich immer wieder aufs Neue erstaunt in solch Marktphasen, von denen ich in meinem Berufsleben nun schon einige erlebt habe: Die vermeintlich Sicherheit, die von Anlegerseite illiquideren Anlageformen zugesprochen wird – beispielsweise Immobilien. Intuitiv ist dies ja auch nachvollziehbar: Beim Blick auf das Depot nach dem ersten Semester fallen die hohen Verluste bei Aktien auf, während etwa Fonds, die in Immobilien investieren deutlich stabiler sind. Die spannende Frage: Wie viel der relativen Stärke ist einem wirklich höheren Werterhalt der Assets zuzuschreiben? Und wie viel der Robustheit basiert darauf, dass für das eine Anlagevehikel permanent neue Kurse/Preise gestellt werden und im anderen Fall eben nicht?
Am deutlichsten lässt sich der Gedanke beim Vergleich Public Equity vs. Private Equity (PE) nachvollziehen. Da jeweils in Unternehmensbeteiligungen investiert wird, könnte man meinen, dass Lieferkettenprobleme, Zinswende, der Russland/Ukraine-Krieg oder auch die wohl nahende Rezession eine ähnliche Wirkung hinterlassen. Tatsächlich reagiert der Aktienmarkt nach dem, was man von außen so wahrnimmt, deutlich schneller und intensiver. Die permanente Preisfeststellung mitsamt der ganzen Nervosität der Investoren und der Einflüsse von Leerverkäufern wird so zum möglichen Nachteil. Eigentlich eine Absurdität, angemessen wäre es, den Vorteil der Handelbarkeit eher mit einem Preis-Agio zu belohnen.
Ob es tatsächlich zu einem deutlichen Kontrast der Bewertungen von Public Equity und Private Equity kommt, ist nicht einfach ersichtlich und auch noch nicht ausgemachte Sache. Als ganz leichte Indikation für diese These könnte man aber den Fakt einordnen, dass durch PE gehaltene Firmen zurzeit ausgesprochen selten via IPO an die Börse gelangen. Dies macht aus Sicht der PE-Fonds ja auch zumeist erst dann Sinn, wenn die Bewertungen an der Börse mindestens gleich hoch oder besser noch höher sind.
Und genau hier ist auch das potentielle Trostpflaster für Aktionäre zu finden. Sobald es zu einem deutlichen Discount von börsennotierten Unternehmen kommt, dürften Übernahmeangebote durch PE für gelistete Unternehmen mitsamt ordentlicher Prämien auf den aktuellen Kurs wieder eher zunehmen. Am Ende glättet der Markt doch viele Unebenheiten.
von Roger Peeters, 11. Juli 2022, © pfp Advisory
Roger Peeters ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Christoph Frank steuert der seit über 25 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktive Experte den DWS Concept Platow (WKN DWSK62), einen 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds, sowie den im August 2021 gestarteten pfp Advisory Aktien Mittelstand Premium (WKN A3CM1J). Weitere Infos unter www.pfp-advisory.de. Peeters ist weiterhin Mitglied des Vorstands der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) e.V.. Roger Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.
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