Der prominente Hedgefondsmanager Ray Dalio warnt vor einer Schuldenkrise in den USA. Viele Beobachter stimmen ein und raten zu Cash, Gold oder Kryptos. Ali Masarwah, Fondsanalyst und Geschäftsführer des Finanzdienstleisters envestor, warnt vor Radikallösungen und Handelsreisenden in eigener Sache.
Wenn Bridgewater-Gründer Ray Dalio warnt, hören Anlegende weltweit zu. Jüngst kam die oft zitierte „Hedgefonds-Legende“ in einem Interview mit der Financial Times auf ihr Lieblingsthema zu sprechen: den „Schuldeninfarkt“ in den USA. „Die großen Exzesse, die als Folge des neuen Budgets prognostiziert werden, werden wahrscheinlich in naher Zukunft zu einem schuldenbedingten Herzinfarkt führen.“ Dalio taxiert den Zeitpunkt X auf drei Jahre – „plus/minus ein oder zwei Jahre“.
Nun wollen wir hinsichtlich seiner Timing-Prognosen Milde walten lassen – ob die Finanzwelt nun 2026 oder im Jahr 2030 untergehen wird, ist angesichts der Gravitas des Themas eine Petitesse. Zumal sich Anlegende Sorgen machen über eine drohende Überschuldung vieler Staaten; im Fokus stehen nicht nur die USA und Frankreich, auch Deutschland befindet sich nach Ansicht mancher Beobachter auf einem fiskalpolitischen Irrweg.
Und überhaupt: Wer wollte dem Investor, der die Krisen der Jahre 2000 und 2008 prognostiziert hat, widersprechen?
Wenn Sie mich fragen, sollten alle Dalio zumindest hinterfragen, so wie man jeden Augur am Finanzmarkt hinterfragen sollte. Bridgewater ist ein Hedgefonds, der keine klassischen Aktien- und Anleihenstrategien verfolgt. (Was Bridgewater genau macht, ist vielen Experten unklar, aber das ist ein anderes Thema.) Daher gehört es zu Dalios DNA, die Risiken an den Märkten in schillernden Farben auszumalen. Das tut er gerne und oft. Daher treten seine Szenarien meistens nicht ein – wer googelt, findet zahlreiche Kostproben von Dalios Weltuntergangswarnungen. Zuletzt war das 2023 und 2018 der Fall. Ich finde es schade, dass viele Medien Doomsday-Warnungen wiedergeben, ohne darauf hinzuweisen, dass Dalio und andere Marktteilnehmer Handlungsreisende in eigener Sache sind.
Das soll nicht heißen, dass es falsch wäre, heute US-Staatsanleihen zu meiden und das USA-Risiko im Portfolio insgesamt zu senken. Manche Anleger suchen ihr Heil in Cash, andere in Bitcoin und anderen Krypto-Assets, Traditionalisten setzen auf Gold (ich persönlich finde Goldminen-Aktien aussichtsreicher). Wer nicht auf Anleihen verzichten möchte – und das sollten die wenigsten tun –, kommt mitunter zum Schluss, dass Unternehmensanleihen und andere alternative Rentensegmente interessant sind. CAT-Bonds, Nachranganleihen, CLOs und Portfolios gebündelter Verbraucherkredite bieten höhere Renditen bei zugleich niedrigeren Laufzeitrisiken als Staatsanleihen. Auch das Kreditrisiko ist in vielen Spread-Segmenten niedriger als bei Staatsanleihen – zumindest heute.
Aber, um mit Trainerlegende Giovanni Trapattoni zu sprechen: Investieren ist nicht nur Ding und nicht nur Dong, sondern Ding-Dong! Soll heißen: Thesen sind keine Wahrheiten, und selbst wenn sie es wären, könnten sie niemals absolut und immerwährend sein. Anleger sollten Staatsanleihen nicht abschreiben. Irgendwann wird auch bei US-Treasuries ein Kipppunkt kommen – und zwar nicht zwingend in Gestalt eines Meltdowns. Wie wäre es mit diesem Szenario: Die Bondmärkte treiben die Renditen vieler Staaten zunächst sehr stark nach oben. Das diszipliniert die Fiskalpolitik zügig, und dann sind Staatsanleihen ein hervorragendes Langfristanlage-Investment; Anlegende könnten sie kaufen, liegen lassen und genüsslich zusehen, wie sie die Renditekurve herunterrutschen – gegebenenfalls jahrzehntelang, so wie zwischen 1980 und 2015. Wann bei US-Treasuries dieser Kipppunkt erreicht ist, lässt sich auch klar bestimmen: in zehn Jahren, plus/minus fünf Jahren. Ganz bestimmt!
Von Ali Masarwah, 8. September 2025, © envestor.de
Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor.de, eine der wenigen Fondsplattform, die Cashbacks auf Fonds-Vertriebsgebühren zahlt. Masarwah analysiert seit über 20 Jahren Märkte, Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar. Seine Expertise wird auch von zahlreichen Finanzmedien im deutschsprachigen Raum geschätzt.
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