Die goldenen Zeiten, in denen der starke US-Dollar Euro-Anlegern einen Rendite-Turbo bescherte, sind vorbei. Wer 2025 auf US-Aktien gesetzt hat, sieht sich mit doppeltem Gegenwind konfrontiert: schwache US-Börsen und ein US-Dollar, der gegenüber dem Euro Federn lässt. Wie Anleger jetzt mit dem Währungsrisiko umgehen sollten und warum die Verlockung hoher US-Zinsen kein Selbstläufer ist, erläutert Ali Masarwah, Fondsanalyst und Geschäftsführer des Finanzdienstleisters envestor.
14. Juli 2025. FRANKFURT (envestor): 2025 brachte ein unangenehmes Erwachen im Anlegerwunderland: Über ein Jahrzehnt profitierten Euro-Anlegerinnen und -Anleger gleich doppelt. Wer auf den S&P 500 oder auch den MSCI World setzte, wurde seit dem Ende der Finanzkrise nicht nur mit Kursgewinnen, sondern auch mit satten Währungsgewinnen belohnt. Der starke Dollar wirkte als Rendite-Booster auf die Aktienanlage.
Fünfzehn Jahre sind zwar eine lange Zeit, aber diese Zeitspanne begründet dummerweise kein Naturgesetz. In den vergangenen sechs Monaten hat der US-Dollar über 10 Prozent gegenüber dem Euro eingebüßt, und US-Aktien hinken ihren europäischen Pendants, allen voran deutschen Titeln, hinterher. Das Ergebnis: ein „double whammy“ – die Underperformance von US-Aktien und Währungsverluste gehen 2025 Hand in Hand.
Euro-Anleger müssen ihre Renditeerwartungen an die neue Realität anpassen. Währungsgewinne sind kein Automatismus, sondern oft schlicht Glück. Wer sich auf den Dollar als immerwährenden Renditebringer verlassen hat, hat in diesem Jahr ein böses Erwachen erlebt. Dennoch sollten Inhaberinnen und Inhaber von US-Aktien nicht überreagieren: Währungszyklen können zwar lange andauern, aber typischerweise mitteln sich Währungsverluste und -gewinne langfristig aus. Aktienanleger sollten also nicht zwingend Währungsabsicherungen einsetzen – diese können richtig viel Geld kosten. Es gilt vielmehr, ihre Renditeerwartungen bei US-Aktien der US-Dollar-Performance anzupassen.
Das bringt uns zu einer weiteren Renditefalle, in die viele Anleger tappen. Die Rede ist von US-Anleihen.
US-Anleihen: Zinsvorteil mit Haken
Die stabilen Zinsen in den USA und die sinkenden Zinsen in der Eurozone könnten Anleihen-Investorinnen und -Investoren zu folgender Überlegung bringen: Sollten sie sich nicht die attraktiven US-Zinsen zunutze machen und das Währungsrisiko absichern? Während die EZB den Leitzins im Juni auf 2 Prozent gesenkt hat, locken US-Staatsanleihen mit Renditen von deutlich mehr als 4 Prozent. Doch die Sache hat einen Haken.
Die Absicherung gegen einen weiter schwächelnden Dollar ist kein Geschenk des Himmels. Sie kostet Geld – und zwar ziemlich genau die Zinsdifferenz zwischen den beiden Währungsräumen. Das liegt am Mechanismus der sogenannten Covered Interest Rate Parity: Wer US-Dollar gegen Euro absichert, gibt die US-Zinsen ab und erhält stattdessen die niedrigeren Euro-Zinsen. Die vermeintliche Renditearbitrage wird durch den Forward-Kurs neutralisiert. Das muss auch so sein, denn ohne diese Kosten könnte jeder risikolos von den höheren US-Zinsen profitieren – ein (theoretischer) Freifahrtschein würde zu schwerwiegenden Marktverwerfungen führen.
Ein Rechenbeispiel aus der Praxis: Die US-Dollar-Tranche eines US-Anleihefonds erzielte zuletzt ein Plus von 6,6 Prozent in den vergangenen zwölf Monaten. Die Tranche des identischen Fonds mit Währungs-Hedge kam nur auf ein Plus von 4,5 Prozent. Die Differenz entspricht ziemlich genau den Kosten der Absicherung – und damit der Zinsdifferenz zwischen US-Dollar und Euro.
Warum sich US-Dollar-Anleihen trotzdem lohnen können
Trotzdem gibt es Argumente für ein Engagement in gehedgte Fremdwährungsanleihen – selbst wenn die Zinsdifferenz durch Hedging weitgehend aufgezehrt wird. Viele US-Unternehmensanleihen bieten einen positiven (wenn auch bescheideneren) Renditeaufschlag gegenüber vergleichbaren Euro-Anlagen. Zweitens sorgt die Diversifikation über verschiedene Währungsräume und Konjunkturzyklen für Stabilität im Portfolio. Gerade in Zeiten moderaten Wachstums in der Eurozone können Anleihen aus den USA, Kanada oder Australien einen Beitrag zur Risikostreuung leisten. Das könnte sogar auch für Schweizer Anleihen gelten: Dort gibt es zwar erneut nur noch 0 Prozent Zinsen, allerdings machen Euro-Anleger mit der Absicherung des Währungsrisikos einen Gewinn, der die Zinsdifferenz relativiert – eine gute Nachricht für die Fans der Schweizer Stabilität – und sind wir das nicht alle?
Anlegern bleibt natürlich auch die Möglichkeit, flexibel mit dem Währungsrisiko umzugehen. Wer eine klare Meinung zur Richtung von Fremdwährungen hat, kann einen Teil seines Engagements ungesichert lassen – sollte sich aber der Risiken bewusst sein. Nicht umsonst ist die Straße der hoffnungsfrohen Währungsfonds gesäumt von den Trümmern vieler gescheiterter Strategien. Im Zweifel lautet für die meisten Anleger die Devise: Bei Anleihen lieber auf Nummer sicher gehen und das Währungsrisiko absichern, auch wenn dadurch ein Teil des Zinsvorteils verloren geht.
Fazit: Kein Free Lunch an den Kapitalmärkten
Die Jahre der US-Dollar-Stärke zwischen 2009 und 2024 waren ein Glücksfall – aber kein Naturgesetz. Wer in dieser Zeit Währungsgewinne eingefahren hat, hatte schlicht Glück. Und wer die neue Realität der US-Dollar-Schwäche akzeptiert, muss auch die Kosten der Währungsabsicherung in seine Kalkulation einbeziehen. Am Ende bleibt die alte Börsenweisheit: An den Kapitalmärkten gibt es nichts geschenkt – erst recht nicht bei Währungsrisiken.
Von Ali Masarwah, 14. Juli 2025, © envestor.de
Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor.de, eine der wenigen Fondsplattform, die Cashbacks auf Fonds-Vertriebsgebühren zahlt. Masarwah analysiert seit über 20 Jahren Märkte, Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar. Seine Expertise wird auch von zahlreichen Finanzmedien im deutschsprachigen Raum geschätzt.
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