Die Konjunkturaussichten werden immer düsterer, die USA befinden sich – zumindest technisch – schon in der Rezession. Doch an der Börse regiert wieder die Hoffnung.
1. August 2022 Frankfurt (Börse Frankfurt). Der Start in den August fällt zwar etwas verhaltener aus, doch haben die vergangenen Wochen kräftige Gewinne an den Börsen gebracht. Jüngste Auslöser: die Hoffnungen, dass die US-Notenbank nun doch etwas moderater vorgehen wird. Dazu kamen sehr gute Unternehmenszahlen, etwa von Amazon und Apple.
Der DAX startet die neue Handelswoche mit 13.470 Punkten, am Freitag zu Handelsschluss waren es 13.516 Zähler. Damit hat der Leitindex seit dem Tief bei 12.383 Punkten Anfang Juli über 1.000 Punkte zulegen können.
„Aktien nur während Finanz- und Eurokrise noch billiger“
Laut Markus Reinwand von der Helaba hat sich der für Aktien ungünstige Mix aus mehr Inflation und weniger Wachstum in den großen Industrieländern zwar fortgesetzt. „Aktien haben allerdings bereits sehr viel Negatives eingepreist.“ Das zeige die Bewertung: Gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis sei der DAX inzwischen so niedrig bewertet wie in den meisten früheren Rezessionen. „Lediglich im Sog der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 und der Euro-Staatsschuldenkrise 2011 waren deutsche Standardwerte noch billiger.“
Gleichzeitig zeigten sich die Unternehmensgewinne erstaunlich robust. „In den USA haben schon mehr als die Hälfte der S&P 500-Mitglieder ihre Ergebnisse vorgelegt, 73 Prozent lagen über den Erwartungen“, stellt der Analyst fest. Aus dem DAX hätten erst 12 Unternehmen berichtet, 11 davon besser als erwartet. „Der Wachstumspessimismus vieler Marktteilnehmer dürfte bald seinen Höhepunkt erreicht haben.“
Reinwand
Nur kurzfristig aufwärts?
Die Analysten der Commerzbank sind skeptischer: Sie bezeichnen die US-Berichtssaison für das zweite Quartal als „gemischt“. Positiv sei zwar, dass bislang etwas mehr als 60 Prozent der Unternehmen die Erwartungen der Analysten übertroffen hätten. Das entspräche etwa dem Durchschnitt. „Absolut betrachtet fallen die Gewinne im zweiten Quartal allerdings niedriger aus.“ Auch die Ausblicke der Unternehmen blieben gemischt. Eine Begründung für die dennoch solide Kursentwicklung seien möglicherweise aufgelöste Short-Positionen von Hedgefonds. „Dies legt nahe, dass die jüngste Aktienerholung nicht nachhaltig sein dürfte.“
„Zinswende heißt nicht unbedingt fallende Kurse“
Nach Einschätzung von Christoph Geyer könnte der vom DAX gebildete Doppelboden für eine Trendwende sorgen. „Es hat sich in der vergangenen Woche wieder einmal gezeigt, dass Zinserhöhungen nicht unbedingt zu fallenden Kursen führen müssen“, erklärt der technische Analyst. „Der DAX hat den seit Anfang des Jahres bestehenden Abwärtstrend brechen können, schon mit diesem Bruch hat sich die technische Lage verbessert.“ Die Indikatoren befinden sich Geyer zufolge im überkauften Bereich und bieten derzeit keine Hinweise oder Unterstützung. „Zudem wird noch nicht in dem Umfang investiert, den man sich für einen Trendbruch wünschen würde.“
Die Berichtssaison geht weiter, in Deutschland legen diese Woche unter anderem Fresenius, Covestro, Uniper, Siemens Healthineers, BMW, Infineon, Vonovia, Merck, Bayer, Lufthansa, Allianz, Deutsche Post und Rheinmetall ihre Bücher offen.
Geyer
Wichtige Konjunktur- und Wirtschaftsdaten
Mittwoch, 3. August
OPEC+-Sitzung über Förderquoten. Höheren Schwankungen bei Energiepreisen möglich.
Donnerstag, 4. August
8.00 Uhr. Deutschland: Auftragseingänge Industrie Juni. Die deutsche Wirtschaft steht vor zunehmenden Herausforderungen, stellt die Commerzbank fest: Die chinesische sowie die US-Wirtschaft hätten deutlich an Schwung verloren. Die Auftragseingänge für die Industrie seien wohl um 0,5 Prozent gefallen.
13.00 Uhr. Großbritannien: Zinsentscheid der Bank of England. Die DekaBank geht davon aus, dass die Bank of England abermals ihren Leitzins anheben wird, wahrscheinlich um 50 Basispunkte von 1,25 auf 1,75 Prozent. Denn die Lage am Arbeitsmarkt bleibe unverändert angespannt, das Lohnwachstum kräftig, die Inflation hoch, und Unternehmen könnten Preiserhöhungen gegenüber privaten Konsumenten gut durchsetzen.
Freitag, 5. August
8.00 Uhr. Deutschland: Industrieproduktion Juni. In Anbetracht der sich verlangsamenden globalen Konjunktur sowie der geopolitischen Unsicherheiten sollte die Industrieproduktion der Deutschen Bank zufolge gesunken sein.
14.30 Uhr. USA: Arbeitslosenzahlen Juli. Der US-Arbeitsmarktbericht wird laut DekaBank wohl bestätigen, dass die Aufwärtsdynamik am Arbeitsmarkt zunehmend schwächer wird. Der Corona-bedingte Nachholeffekt habe in den vergangenen Monaten langsam an Bedeutung verloren. Zugleich drohe eine zyklische Abschwächung aufgrund der massiven geldpolitischen Straffung.
von: Anna-Maria Borse
1. August 2022, © Deutsche Börse AG
Anna-Maria Borse ist Finanz- und Wirtschaftsredakteurin mit den Schwerpunkten Finanzmarkt/Börse und volkswirtschaftliche Themen.
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