Wie die Notenbanken die drohende Rezession verhindern wollen, bewegt die Märkte. Anleger*innen setzen auf fallende Aktienindizes, Rückgänge beim Bund-Future und beim Währungspaar Euro/US-Dollar. Uneinig sind sie über die Entwicklung der Ölpreise.
14. Juli 2022. Frankfurt (Börse Frankfurt). Die vorherrschenden Rezessionssorgen dominieren auch den Zertifikatehandel in diesem Monat. Der DAX schwankte in einer Spanne von 12.390 und 13.640 Punkten, steht derzeit bei 12.756 Punkten. Das Marktumfeld veranlasst viele, weiter auf fallende Kurse zu setzen, berichten Marktteilnehmer.
Allein die höher als erwartet ausgefallene Inflationsrate in den USA im Juni von 9,1 Prozent belastet Aktien- und Anleihekurse einmal mehr, dürfte aber die US-Notenbank FED in ihrer Zinserhöhungspolitik bestärken: „Ein 75-Basispunkte-Zinsschritt der US-Notenbank Fed am 27. Juli scheint mit den gestern veröffentlichten Inflationsdaten und dem robusten Arbeitsmarktbericht ausgemachte Sache“, kommentiert die Deutsche Bank in ihrem Tagesausblick.
„In einem herausfordernden Marktumfeld verzeichnen wir nur leichte Umsatzrückgänge im Zertifikategeschäft, die aber in den vergangenen Handelstagen bereits in Belebung umgeschlagen sind“, berichtet Anouch Wilhelms von der Société Générale.
Wilhelms
Atakan Sahin von der ICF Bank registriert in den vergangenen Wochen trotz der Kursverluste an den Aktienmärkten rege Umsätze. „Die um sich greifenden Inflations- und Rezessionsängste und die damit einhergehenden Entscheidungen der Notenbanken werden am Markt aufgegriffen und gehandelt.“
DDV: Nur leicht gesunkenes Handelsvolumen mit strukturierten Wertpapieren
Der Deutsche Derivate Verband (DDV) wertet aus, dass das Handelsvolumen mit strukturierten Wertpapieren im Juni um lediglich 3,3 Prozent auf 4,6 Milliarden Euro gesunken ist. In einigen Geschäftsfeldern stiegen die Umsätze sogar: „Bei den Anlageprodukten kam es jedoch zu einem 8,4-prozentigen Umsatzwachstum im Einklang mit attraktiveren Produktkonditionen bei steigenden Volatilitäten.“ Das habe den Marktanteil dieses Anlagesegements von 23,3 Prozent im Vormonat auf 26,1 Prozent erhöht.
Die beliebtesten Basiswerte bei der Société Générale sind DAX, NASDAQ 100 und Dow Jones. „Dahinter folgen wenig überraschend Brent und Gold sowie Produkte auf den Bund Future und das Währungspaar Euro/US-Dollar“, beschreibt Wilhelms die Nachfragesituation in seinem Haus. „Bei Einzelaktien sind Tesla, Mercedes, Deutsche Bank, HelloFresh und Amazon besonders gefragt.“ Zugleich berichtet Sahin, dass der Bund-Future zu den meistgehandelten Basiswerten gehört wie auch Öl.
DAX: Erwartung fallender Kurse dominiert
Wenngleich Produkte, die auf einen fallenden DAX setzen, das Geschäft der Société Générale mit dem Wert überwiegen, so bilden die beiden meist gehandelten DAX-Produkte beide Richtungen ab: Der bearishe Knock-out-Schein (<DE000SH5J9Z5>) mit einer Barriere bei 14.756 Punkten gewinnt bei fallenden Kursen, der bullishe Knock-out-Schein mit Barriere bei 11.000 Punkten bei steigenden Kurse gesetzt.
BYD die Nummer Eins
Sahin berichtet, dass bei der ICF Bank die Nachfrage nach Knock-out-Produkten zum DAX besonders hoch sei. Unter den Einzelwerten sticht nach seinen Angaben ein Papier des chinesischen Elektroautoherstellers BYD (<DE000HG3DDD0>) hervor. „Das ist bei uns die Nummer Eins beim Umsatz und bei den Kursfeststellungen, hier wird fast ausschließlich gekauft“, beschreibt Sahin den Handel mit diesem Titel. Zuletzt hätten allerdings Gerüchte, wonach Warren Buffetts Beteiligungsfirma Berkshire Hathaway seine Anteile an BYD verkaufen wolle, den Aktienkurs belastet. In Hongkong war die Aktie am Dienstag mit knapp 12 Prozent Minus aus dem Handel gegangen. In der Vorwoche hatte sie ein neues Jahreshoch erreicht.
Simon Görich von der Baader Bank stellt fest: „Viele verhalten sich im aktuellen Marktumfeld eher risikoavers und das spiegelt sich deutlich in der Produktauswahl wider.“ Von daher seien Gold (DE000DB0SEX9 und CO2-Emissionsrechte-Tracker (DE000CU3RPS9) gefragt. Sie waren bereits in der Vergangenheit häufig Favoriten.
Auch Gesundheitsprodukte sind in den vergangenen Wochen bei Görich besonders stark nachgefragt worden, wobei die Mehrheit optimistisch in die Zukunft zu schauen scheint und Produkte handeln, die auf steigende Kurse setzen: Zu den am meisten gehandelten Produkten des Sektors gehören demnach ein Call auf die Unitedhealth Group (<DE000SF1G3R6>) sowie ein Turbo Call Optionsschein auf den Gesundheits- und Konsumgüterhersteller Johnson & Johnson (DE000KE35WR0>).
Fallende Kurse beim Bund-Future gehandelt
Selten unter den Top-Basiswerten ist nach Angaben von Wilhelms der Bund-Future. Doch das habe sich mit den Aussichten auf eine Zinswende in der Eurozone geändert: „Viele erwarten seit Wochen steigende Zinsen und kaufen entsprechend Produkte für fallende Kurse der zehnjährigen Bundesanleihe“, berichtet Wilhelms. Besonders gefragt ein Faktor-Zertifikat bezogen auf den Bund-Future mit Verfall September 2022 und einem negativen Hebel von zehn, mit dem man auf fallende Kurse setzt.
Auch bei Sahin sind Short-Produkte auf den Bund Futures auf den Kauflisten. „Besonders gut gelaufen ist ein Knock-out-Schein, bei dem jetzt aber erste Gewinnmitnahmen einsetzen.“ Das Hebelprodukt auf fallende Kurse (<DE000HG29ST8>) ist von 2,13 Euro (Mitte Mai) auf zeitweise 14,65 Euro (Mitte Juni) gestiegen und steht aktuell bei 4,82 Euro.
Der sinkende Euro zum US-Dollar ist für Anleger*innen ebenfalls Anlass, diese Tendenz abzubilden: „Das Bild ähnelt hier dem Bund Future, unsere Kund*innen setzen auf fallende Kurse“, fasst Wilhelms zusammen. In dieser Woche war der Euro erstmals seit 2002 wieder einen US-Dollar wert. Nach Ansicht von Experten spiegeln sich in den Kursverlusten der europäischen Gemeinschaftswährung die Sorgen vor einer Gaskrise, die eine Rezession auslöst, ebenso wider wie das zögerliche Vorgehen der Europäischen Zentralbank. „Die sich in Europa verschärfenden Rezessionsrisiken, gepaart mit einer möglicherweise zu zögerlich vorgehenden EZB sind aktuell die Hauptbelastungsfaktoren für den EUR/USD-Wechselkurs, welcher erstmalig seit 20 Jahren wieder auf die Parität gefallen ist“, fasst David Kepper von der Commerzbank zusammen.
Anleger uneins über die Richtung der Ölpreise
Das Auf und Ab der Ölpreise lässt Anleger*innen unentschieden zurück. Sie setzen sowohl auf fallende wie auf steigende Preise. So würde nach Angaben von Wilhelms ein Indexzertifikat (DE000CU0L1S5) ebenso stark nachgefragt wie ein bearisher Knock-out-Schein bezogen auf Brent-Rohöl-Future, Verfall September 2022, dessen Barriere bei 122,2235 US-Dollar liegt. Derzeit kostet ein Barrel der Nordseesorte Brent rund 100 US-Dollar. Noch Anfang Juni wurde das Fass für mehr als 139 US-Dollar gehandelt und um 80 US-Dollar vor Ausbruch des Ukrainekrieges.
Bei Kryptowährungen scheint der Verkaufsdruck gestoppt. Sahin berichtet, dass bis zu einem Bitcoin-Kurs von 20.000 Euro Verkäufe dominiert hatten. „Jetzt ist die Verkaufswelle gestoppt. Wir sehen auf diesem Kursniveau wieder mehr Käufe.“
von: Antje Erhard, 14. Juli 2022, © Deutsche Börse AG
Antje Erhard ist Journalistin und Moderatorin mit den Schwerpunkten Börse, Wirtschaft und Finanzen.
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