Verdopplung gar Verdreifachung – die Kursentwicklung von Tesla und Nvidia geht einigen zu weit. Sie setzen auf fallende Kurse. Den Siemens Energy-Absturz halten hingegen die meisten für überzogen. Auch bei Gold und Öl wird mit Anstiegen gerechnet.
13. Juli 2023. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Das kräftige Plus am Aktienmarkt im ersten Halbjahr hat so manchen skeptisch werden lassen. Das gilt einmal mehr bezüglich vieler Tech-Aktien, die noch stärker gestiegen sind als der Durchschnitt. „Wir sehen auffällig viele Short-Positionen, bei Produkten auf den DAX, aber auch auf Einzelwerte wie Nvidia (<DE000SV6R6S6>)“, erklärt Patrick Kesselhut von Société Générale. Markus Königer von der ICF Bank sieht ebenfalls Positionierungen auf fallende Kurse, aber auch auf steigende, sowohl beim DAX, Nasdaq und S&P 500 als auch bei Adressen wie Nvidia und Tesla.
DAX und S&P 500 haben im ersten Halbjahr um rund 16 Prozent zugelegt, der Nasdaq 100 sogar um 39 Prozent. Nach Erreichen des neuen Allzeithochs bei fast 16.428 Punkten und dem darauffolgenden Rückgang bis auf 15.600 Zähler steht der DAX am Donnerstagmorgen wieder bei 16.021 Punkten.
Dabei geht es derzeit eher gemächlich zu im Zertifikate-Handel. „Vielleicht wird auf die Ende der Woche startende US-Berichtssaison gewartet“, meint Königer. Auch Kesselhut spricht von einem ruhigen Handelsgeschehen. „Die Volatilität ist weiter sehr niedrig.“ Beliebteste Basiswerte der vergangenen vier Wochen waren bei der ICF Bank DAX, Nasdaq, Dow Jones, Gold, Tesla, Öl, Nvidia und Siemens Energy, bei Société Générale DAX, Dow Jones, Nasdaq, Gold, Öl, Tesla, Euro/US-Dollar und Deutsche Bank.
„Kaum jemand will sich länger binden“
Im Handel mit Anlageprodukten bleiben Discount-Zertifikate gefragt. „Gesucht sind kurze Laufzeiten. Kaum jemand will sich derzeit länger binden“, bemerkt Kesselhut und verweist auf ein Discount-Zertifikat auf den DAX mit Cap bei 16.200 Punkten und Fälligkeit am 20. Juli (<DE000SN2UTX8>).
Bei Hebelprodukten auf große Indizes dominieren laut Kesselhut Positionierungen auf fallende Kurse, etwa mit einem Faktor-Short-Optionsschein mit Hebel 10 (DE000SQ4DB29) oder einem Open-End-Knock-Out-Put (<DE000SF3WZ48>). Viel Aufmerksamkeit zieht auch der Nasdaq auf sich. Bei der ICF weisen Open-End-Knock-Out-Calls mit Basispreis bei rund 14.116 Punkten (<DE000DJ1YXW9>) und -Puts mit Basispreis bei rund 15.718 Punkten (<DE000HG0KML5>) hohe Umsätze auf.
„Seitwärtsrendite überzeugt“
Auch was Einzelwerte angeht, sind Discount-Zertifikate gesucht. „Viele versprechen eine gute Seitwärtsrendite“, bemerkt Königer. Beliebt seien etwa Discounter auf Airbus, Infineon, LVMH oder Schneider Electric. Kesselhut nennt Microsoft, Apple, Amazon und Meta als gefragte Underlyings. Simon Görich von der Baader Bank sieht zudem Interesse an Discount-Zertifikaten auf Shell (<DE000SQ6L5P0>). „Da scheint eine mögliche Seitwärtsrendite von über 10 Prozent den ein oder anderen Anleger überzeugt zu haben.“
Tesla und Nvidia im Fokus
Bei Hebelprodukten auf Einzelaktien dreht sich ebenfalls viel um Tech-Werte. „Vor allem Produkte auf Hightech- und Chip-Aktien sind eine interessante Spielwiese für Investoren“, schildert Görich die Lage. Er nennt Call-Optionsscheine auf AMD (<DE000KG56UE3>) und Open-End-Knock-Out-Calls auf Apple. Bei der ICF stehen Tesla und Nvidia im Mittelpunkt. Bezüglich Tesla – der Aktienkurs hat sich seit Jahresanfang mehr als verdoppelt – geht es laut Königer etwa um Call-Optionsscheine (<DE000PD98UQ5>) oder Faktor-Short-Optionsscheine (DE000PE3TSS4), Positionierungen in beide Richtungen also.
Ebenfalls beide Seiten gespielt würden im Fall von Nvidia, dem US-Chipkonzern, der so stark wie wohl kaum ein anderer vom KI-Hype der vergangenen Monate profitiert hat. Seit Jahresanfang hat sich der Kurs verdreifacht, die Marktkapitalisierung ist über eine Billion US-Dollar geklettert. Hohe Umsätze weisen Mini-Future-Puts (<DE000DJ1W322>) und Open-End-Knock-Out-Calls (<DE000PN30MQ4>) auf. Bezüglich Microsoft herrscht vor allem Zuversicht, wie die ICF-Zahlen zeigen: Beliebt seien beispielsweise Call-Optionsscheine (<DE000TT8V295>).
Siemens Energy: Zu stark abgestraft?
Ebenfalls im Fokus: Siemens Energy. Der Kurs des DAX-Wertes war im Juni innerhalb kurzer Zeit von 23 auf 14 Euro gefallen. Wegen anhaltender Qualitätsprobleme bei der Windanlagentochter Siemens Gamesa hatte Siemens Energy die Prognose für das Geschäftsjahr 2022/23 reduziert. Die meisten halten den Kurssturz aber wohl für übertrieben: Bei der ICF dominieren bullishe Positionierungen, etwa mit Relax-Express-Zertifikaten (<DE000PF99UC8>) und Open-End-Knock-Out-Calls (<DE000PE4W6G8>).
„Bei Öl klar auf steigende Preise gesetzt“
Zertifikate auf Gold sind ebenfalls beliebt, wie Görich feststellt, etwa Tracker-Zertifikate (DE000DB0SEX9) und Open-End-Knock-Out-Calls (DE000SQ3VU74). Der Goldpreis war Anfang Mai noch auf 2.059 US-Dollar die Feinunze gestiegen, dann aber bis auf rund 1.900 US-Dollar gefallen. Aktuell sind es 1.961 US-Dollar. Bei der ICF überwiegen die bullishen Positionierungen, etwa mit Open-End-Knock-Out Calls (<DE000HG67HJ2>).
Stets beliebt: Öl-Zertifikate. „Diese haben eine breite, stabile Anhängerschaft. Hier sieht man immer Interesse“, berichtet Kesselhut. Gesuchteste Produkte seien Open-End-Knock-Out-Calls, oft auf Brent Crude (<DE000SQ49SF1>, <DE000SV3PC58>). „Bei Öl wird klar auf steigende Preise gesetzt.“ Seit Anfang Mai hatte der Preis für ein Barrel der Nordseesorte Brent um 75 US-Dollar gependelt, in dieser Woche kletterte er erstmals seit April wieder über 80 US-Dollar.
Kryptos: Wieder mehr Interesse
In Krypto-Zertifikaten geht wieder mehr um, wie Königer meldet. Das Tracker-Produkt auf Der Aktionär Krypto TSI (CH1171791515) ist sogar umsatzstärktes Produkt bei der ICF. „Es sind vor allem Käufe, Anleger positionieren sich wieder.“ Die wichtigste Kryptowährung Bitcoin war Anfang Juli kurz über 31.000 US-Dollar gestiegen, aktuell sind es 30.304 US-Dollar, ein Plus von 83 Prozent seit Jahresanfang. Das Allzeithoch im November 2021 lag allerdings bei fast 69.000 US-Dollar.
von: Anna-Maria Borse, 13. Juli 2023, © Deutsche Börse
Anna-Maria Borse ist Finanz- und Wirtschaftsredakteurin mit den Schwerpunkten Finanzmarkt/Börse und volkswirtschaftliche Themen.
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