Aktienkurse steigen und steigen, Investoren hierzulande verkaufen und gehen sogar short. Die Gründe dafür und warum das kein schlechtes Zeichen sein muss, weiß Joachim Goldberg.
Auf die starken Kursgewinne seit Jahresbeginnn reagieren etliche mittelfristig orientierte Anleger mit Verkäufen, private wie professionelle. 8 Prozent der Befragten haben seit vergangenen Mittwoch Aktien verkauft und etwa die Hälfte davon sind short gegangen. Die Sentiment-Indizes fallen auf -11 (Profis) und +4 (Private) Punkte. Nach Ansicht von Joachim Goldberg hat die Erholung viele auf dem falschen Fuß erwischt, und wird jetzt als überzogen betrachtet.
Das ergibt dem Verhaltensökonom zufolge eine gute stimmungstechnische Ausgangslage: Den neuen Bären könnten 14.350 bzw. 14.400 Punkte reichen, die bearishen Engagements durch Käufe wieder zu schließen. Auf der anderen Seite seien die verbliebenen die Optimisten auf der Long-Seite nicht gewichtig genug, weitere DAX-Gewinne aus anderen, längerfristigen Quellen durch Gewinnmitnahmen zu stoppen. Auch sollten die Pessimisten nicht mehr lange zusehen können.
11. Januar 2023. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Nun hat der DAX in den ersten zehn Tagen des neuen Jahres eindrucksvoll das nachgeholt, was man vor Weihnachten als Jahresschlussrallye bezeichnet hätte – für viele Akteure an den Finanzmärkten eine faustdicke Überraschung. Denn seit Jahresbeginn hat das Börsenbarometer in der Spitze um rund 6,5 Prozent zugelegt. Obgleich deutlich wurde, dass etwa die US-Notenbank (dies vermittelt das am vergangenen Mittwoch veröffentlichte Protokoll der Sitzung des Offenmarktausschusses aus dem Dezember) die Leitzinsen in diesem Jahr weiter erhöhen möchte, blieb zumindest hierzulande der Anstieg am Aktienmarkt ohne größere Rücksetzer. Dies mag auch den jüngst publizierten ökonomischen Daten wie etwa dem US-Arbeitsmarktbericht geschuldet sein, der die Hoffnungen auf eine milde US-Rezession verbunden mit sinkenden Inflationsbefürchtungen befeuerte.
Zum anderen zeigt die Heftigkeit der bullishen DAX-Entwicklung aber auch – und dies dürfte der wichtigere Grund für die Rallye sein –, dass vor allem viele institutionelle Investoren gleich zu Beginn der ersten Börsenwoche wohl auf dem falschen Fuß erwischt wurden. Selbst verglichen mit dem DAX-Stand unserer vergangenen Sentiment-Erhebung ergibt sich ein Kursplus von rund3,3 Prozent.
Allein, es fehlt der Glaube
Unterdessen hat sich die Stimmung bei den von uns befragten mittelfristig orientierten institutionellen Investoren gegenüber der Vorwoche trotzdem verschlechtert. Denn unser Börse Frankfurt Sentiment-Index ist um 13 Punkte auf einen neuen Stand von -11 gefallen. Dabei hat sich die Gruppe der Bullen um 8 Prozentpunkte weiter verringert. Zum Teil gab es Gewinnmitnahmen bei den Optimisten, von denen sich eine Mehrheit von rund 62 Prozent sogar gegen den DAX-Trend direkt auf die Bärenseite gewagt, ihre Position also um 180 Grad gedreht hat.
Auch bei den Privatanlegern gab es Gewinnmitnahmen in ähnlicher Größenordnung. Allerdings war in dieser Gruppe bei der vergangenen Erhebung wesentlich mehr Optimismus als bei den institutionellen Pendants zu spüren gewesen. Dennoch ist unser Börse Frankfurt Sentiment-Index um 10 Punkte auf einen neuen Stand von +4 gefallen. Genau wie bei den institutionellen Investoren hat sich die Gruppe der Optimisten um 8 Prozentpunkte verkleinert, wobei sich allerdings drei Viertel der wechselwilligen Akteure mit Gewinnmitnahmen begnügten, während sich lediglich das letzte Viertel direkt auf die Bärenseite zu wechseln traute.
Günstige Ausgangsbasis
Die heutige Erhebung verdeutlicht, dass viele sowohl der privaten als auch institutionellen Investoren der jüngsten Börsenentwicklung mit einer gehörigen Skepsis gegenüber stehen. Bei Ersteren können wir allerdings unterm Strich noch das Vorhandensein eines geringfügigen Optimismus feststellen. Die Motive für den Stimmungsumschwung mögen zum einen darin bestehen, dass man mancherorts die globale Inflation wegen eines einzelnen US-Arbeitsmarktberichts noch längst nicht für bekämpft hält, zumindest aber nicht erwartet, dass Fed und EZB so schnell ihre falkenhafte Einstellung ändern werden. Entscheidender dürfte allerdings sein, dass der DAX in kurzer Zeit für viele Akteure viel zu schnell gestiegen und deswegen, so die Folgerung, vermutlich reif für eine veritable Gegenbewegung.
Daraus ergeben sich zweierlei Erkenntnisse, die für den weiteren Aufwärtsimpuls des DAX günstig sein dürften: Zum einen werden die neuen Pessimisten vermutlich mit einem Rücksetzer auf 14.350/14.400 Zähler zufrieden sein, um ihre bearishen Engagements wieder zu schließen und auf relativ günstigerem Niveau gegenüber heute einen Einstieg als Käufer zu wagen. Auf der anderen Seite hätten die verbliebenen Optimisten (knapp ein Drittel aller Befragten) einem weiteren DAX-Anstieg, womöglich begünstigt durch langfristige (internationale) Kapitalzuflüsse, nicht allzu viel entgegenzusetzen. Ganz zu schweigen davon, dass der eine oder andere Pessimist von heute nicht ewig einem fortgesetzten Aufwärtstrend der Aktienkurse tatenlos zusehen kann.
11. Januar 2023, © Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de
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Bullish | Bearish | Neutral | |
Total | 32% | 43% | 25% |
ggü. letzter Erhebung | -8% | +5% | +3% |
DAX (Veränderung zu vergangener Erhebung): 14.830 (+280 Punkte)
Börse Frankfurt Sentiment-Index Institutionelle Anleger: -11 Punkte (Stand vergangene Erhebung: -13 Punkte)
Bullish | Bearish | Neutral | |
Total | 40% | 36% | 24% |
ggü. letzter Erhebung | -8% | +2% | +6% |
DAX (Veränderung zu vergangener Erhebung): 14.830 (+280 Punkte)
Börse Frankfurt Sentiment-Index Private Anleger: +4 Punkte (Stand vergangene Erhebung: -10 Punkte)
Der Börse Frankfurt Sentiment-Index bewegt sich zwischen -100 (totaler Pessimismus) und +100 (totaler Optimismus), der Übergang von positive in negative Werte markiert die neutrale Linie.
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