Auf die tragischen Ereignisse in Osteuropa reagieren die Profis mit Wechsel auf die Short-Seite, während sich die Privatanleger eher zurückziehen. Unterm Strich dominieren die Nachrichten, jedoch mit mehr Überraschungspotential nach oben.
Angesichts der enormen Verunsicherung verwundert es nicht, dass ein großer Teil der Profis Aktien verkauft hat. Bemerkenswert findet Joachim Goldberg, dass viele direkt auf die Short-Seite gewechselt sind. 12 Prozent sind aus den Bluechips raus, 9 Prozent aktiv zu den Bären gewechselt. Etwas verhaltener ist die Reaktion der Privatanleger, von denen sich insgesamt 6 Prozent an die Seitenlinie bewegt haben. Die Sentiment-Indizes beider Anlegergruppen stehen mit +3 und +6 Punkten eher im neutralen Bereich.
Stimmungstechnisch sehe die Lage gar nicht so schlecht aus, stellt der Verhaltensökonom fest. Allerdings sei der Anteil der Pessimisten noch längst nicht hoch genug, um weitere Kursrückgänge zu bremsen. Aber auch an der Oberseite gebe es keine Widerstände durch Verkäufe. Das weitere Geschehen hänge weiter von der geopolitischen Entwicklung ab, "wobei positive Überraschungen zu höheren Kursausschlägen nach oben führen würden als weitere (erwartete) negative Nachrichten zu Abschlägen."
2. März 2022. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Gab es bei unserer vergangenen Stimmungserhebung noch Zeichen der Hoffnung, dass sich die Lage im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine möglicherweise entspannen könnte, ist die Situation seither erheblich eskaliert. Einerseits hat sich die Invasion Russlands in der Ukraine in einem Maße verschärft, wie es wohl die meisten von uns sich vor ein paar Tagen noch nicht vorstellen konnten. Andererseits hat der Westen mit drakonischen Sanktionen reagiert. Vor diesem extrem angespannten geopolitischen Hintergrund nimmt es nicht Wunder, dass die Finanzmärkte derzeit alles andere als stabil erscheinen.
Im gleichen Zug wurden die Zinsprognosen der Händler aggressiv nach unten korrigiert, was einer dramatischen Wende gegenüber den Spekulationen auf drastische Leitzinserhöhungen, wie sie vornehmlich in den USA grassierten, gleichkommt. Seit unserer Stimmungserhebung vom vergangenen Mittwoch hat das Börsenbarometer eine Handelsbandbreite von mehr als 8 Prozent absolviert. Im Punktvergleich sprechen wir immer noch von einem DAX-Kursverlust von rund 7,1 Prozent – das ist das größte Minus seit dem Corona-Einbruch im März 2020.
Risikoaversion setzt sich durch
Die starke Risikoaversion vieler Akteure hat sich auch in der Stimmung der institutionellen Investoren mit mittelfristigem Handelshorizont niedergeschlagen: Der Börse Frankfurt Sentiment-Index verlor 21 Punkte und liegt nun auf einen neuen Stand von +3. Dabei ist bemerkenswert, dass viele Optimisten erwartungsgemäß nicht nur das Handtuch warfen, sondern sich am Ende in einer Größenordnung von 75 Prozent aller Wechselwilligen direkt auf die Seite der Pessimisten schlugen. Mit anderen Worten: Viele vormals bullishe Engagements wurden – vermutlich häufig mit höheren Verlusten – nicht nur glattgestellt, sondern auch noch um 180 Grad auf „bearish“ gedreht.
Paralysiert scheinen indes die Privatanleger zu sein, deren Börse Frankfurt Sentiment-Index sich trotz der hohen DAX-Verluste sogar um 2 Punkte auf einen neuen Stand von +6 befestigte. Allerdings geht dieser Anstieg nicht auf neue bullishe Engagements, sondern auf einen Rückgang in der Polarisierung zwischen Bullen und Bären zurück – letztere Gruppe hat sich etwas deutlicher als die der Optimisten reduziert. Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass die Optimisten offenbar bereit sind, weiter durchzuhalten; ihr Anteil ist mit 43 Prozent aller Befragten ausgesprochen hoch und stellt auch noch die Mehrheit.
Übergewichtung deutlich zurückgefahren
Mit der heutigen Befragung ergibt sich nur noch eine geringe Stimmungskluft zwischen privaten und institutionellen Investoren. Auch wenn der Börse Frankfurt Sentiment-Index beider Panels noch im positiven Bereich notiert, ist insbesondere unter der relativen Betrachtung auf Sicht von drei Monaten zu vermerken, dass sich die Sentiment-Indices mit der heutigen Befragung im negativen Bereich befinden. Allerdings längst nicht so stark, wie dies angesichts des massiven DAX-Verfalls möglicherweise angemessen wäre. Zieht man überdies noch in Betracht, dass sich die US-Aktien-Indices während des Berichtszeitraums erheblich besser als ihre Pendants in der Eurozone geschlagen haben, liegt der Schluss nahe, dass internationale Investoren während der vergangenen Tage ihre Übergewichtung in Aktien hierzulande deutlich zurückgefahren haben.
Per Saldo ist die Stimmung unter den heimischen Investoren nicht mehr so bedrohlich gut wie in der vergangenen Woche. Allerdings ist der Anteil der Pessimisten noch längst nicht hoch genug, um im Falle weiterer Kursrückgänge auf substantielle heimische Nachfrage setzen zu können. An der Oberseite würde eine Erholungsrallye auf wenig Widerstand seitens der von uns befragten Investoren treffen. So hängt das Kursgeschehen auch in den kommenden Tagen von der geopolitischen Entwicklung ab, wobei positive Überraschungen wahrscheinlich zu höheren Kursausschlägen nach oben führen würden als weitere (erwartete) negative Nachrichten zu Abschlägen.
2. März 2022, © Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de
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Bullish | Bearish | Neutral | |
Total | 38% | 35% | 27% |
ggü. letzter Erhebung | -12% | +9% | +3% |
DAX (Veränderung zu vergangener Erhebung): 13.750 (-1050 Pkt.)
Börse Frankfurt Sentiment-Index Institutionelle Anleger: +3 Punkte (Stand vergangene Erhebung: +24 Punkte)
Bullish | Bearish | Neutral | |
Total | 43% | 37% | 20% |
ggü. letzter Erhebung | -2% | -4% | +6% |
DAX (Veränderung zu vergangener Erhebung): 13.750 (-1050 Pkt.)
Börse Frankfurt Sentiment-Index Private Anleger: +6 Punkte (Stand vergangene Erhebung: +4 Punkte)
Der Börse Frankfurt Sentiment-Index bewegt sich zwischen -100 (totaler Pessimismus) und +100 (totaler Optimismus), der Übergang von positive in negative Werte markiert die neutrale Linie.
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