Dossier Handeln
Erfolgsfaktor Liquidität – Welchen Einfluss das Handelsvolumen auf die Rendite haben kann
Handeln kostet Geld. Das können Sie an Ihrer Wertpapierabrechnung sehen: Deutlich sind Bankgebühren, Entgelte und Steuern ausgewiesen, die durch die Auftragsbearbeitung entstehen – die so genannten Transaktionskosten. Im Nebel verschwinden indirekte Transaktionskosten, die Anlegern durch den Mangel an Handelsvolumen entstehen. Aussagen wie: „Lass die Finger davon, diese Aktie ist viel zu illiquide“, warnen häufig vor einem Kauf. Doch was heißt das?
Zunächst eine Begriffsklärung: Liquidität beschreibt die Verfügbarkeit eines Wertpapiers und drückt sich in Kosten aus, die durch den Handel mit diesem Papier entstehen. Bildlich beschrieben ist Liquidität die Flüssigkeit, die in einem Markt den Prozess der Preisbildung geschmeidig hält.
Zur Erinnerung: Aktienkurse entstehen durch die Preisvorstellungen der Käufer und Verkäufer. Auf einem vollkommenen Marktplatz gibt es genügend Angebot und Nachfrage. Jede aufgegebene Wertpapierorder wird sofort ausgeführt, ohne dass die einzelne Order den Preis des Wertpapiers bewegt.
„Trockene“ Märkte – teures Handeln
Doch in der Realität gehorchen die Märkte nicht diesem theoretischen Konstrukt. Und der Mangel an Verfügbarkeit kostet Anleger auf zwei Arten bares Geld:
Zum einen verschiebt ein Kauf- oder Verkaufsangebot den Kurs auf einem illiquiden Markt zu Ungunsten des Anlegers. Das ist nichts anderes, als ein Autoverkäufer, der den Preis für ein Auto anhebt, weil er merkt, dass der Käufer genau dieses Auto haben will und in erkennbarer Nähe keine Konkurrenten dieselben Typen anbieten.
Zum anderen wird die Order auf einem illiquiden Marktplatz nicht sofort ausgeführt. Wenn man ein Papier verkaufen möchte, für das kein Gegenangebot vorliegt, kann man warten, bis sich ein Käufer findet. Doch je länger der Verkaufswunsch im Orderbuch steht, desto höher steigt das Risiko, dass der Kurs des Papiers fällt – aufgrund beispielsweise sich ändernder wirtschaftlicher oder unternehmensrelevanter Umstände. Dann können Verkäufer nicht mehr den ursprünglichen Preis erzielen, der bei Orderaufgabe noch gegolten hat.
Wollen Investoren jedoch sofort verkaufen, gehen sie das Risiko ein, einen schlechteren Preis zu bekommen. Der Grund: Händler, die das Wertpapier in ihren Bestand nehmen, tragen nun die Risiken. Haben sie alle Informationen, die den Preis des entsprechenden Wertpapiers bestimmen? Werden sie es an diesem Handelstag wieder los? Oder müssen sie es länger halten und gehen damit das Risiko eines Kursverlustes ein? Sie werden das Wertpapier nur unter einem gewissen Abschlag, der diese Risiken und Kosten abdeckt, in ihren Bestand nehmen.
Verglichen mit dem Autoverkauf heißt dies nichts anderes, als dass der Verkäufer sein Auto zum Listenpreis anbietet, in diesem Moment möchte es aber niemand haben. Nun kann der Verkäufer warten und riskiert einen Wertverlust. Oder er verkauft es an einen Händler. Dieser wird ihm natürlich einen Abschlag auf den Listenpreis geben, der von seinen erwarteten Chancen für den Weiterverkauf abhängt.
Dieser Abschlag drückt sich am Aktienmarkt in der Handelsspanne aus. Der theoretische faire Preis (beim Auto der Listenpreis) liegt in der Mitte zwischen Kauf- und Verkaufsangebot.
Die Liquidität eines Wertpapiers hängt von zwei Faktoren ab: Zum einen von der Anzahl der sich im Umlauf befindenden Wertpapiere (die Menge an vergleichbaren Autos desselben Typs), zum anderen von der Anzahl der Marktteilnehmer, die bereit sind, dieses Wertpapier zu kaufen oder zu verkaufen (also wie viele Autokäufer und Autohändler in einer Region auftreten).
Zusammengefasst I
Die Liquiditätskosten bestehen aus zwei Komponenten, den Kosten durch Informationsrisiken und Kosten der Bestandshaltung. Diese schlagen sich in der Handelspanne nieder, die in Form von Geld- und Brief-Quotes veröffentlicht wird.
Ein Markt ist umso liquider, je mehr Käufer und Verkäufer dort aktiv sind und je größer die verfügbare Anzahl Aktien eines gehandelten Wertpapier ist.
Illiquide Märkte erkennen
Wie lässt sich nun also beurteilen, wie liquide ein Wertpapier ist? Einen Eindruck der vorhandenen Liquidität bietet natürlich der Quote, das dazugehörige Volumen und die Spanne zwischen Geld und Brief. Einen weiteren wichtigen Anhaltspunkt bieten Handelsdaten wie gehandeltes Volumen, Anzahl von Preisfeststellungen, etc. Doch spiegelt die Handelsaktivität der Vergangenheit nicht notwendigerweise auch die Verfügbarkeit in der Zukunft wieder.
Ein Beispiel: Wollte eine Anlegerin Anfang Juli 2018 Aktien des SDAX-Werts TAKKT AG im Spezialistenhandel der Frankfurter Börse kaufen, dann wäre durchaus Angebot und Nachfrage im Orderbuch gewesen. Trotzdem: Sie hätte 9,89 Euro je Aktie zahlen müssen. Wer zum gleichen Termin verkaufen wollte, hätte 9,80 Euro für die Aktie bekommen. Der Abstand zwischen Geld- und Briefkurs betrug 0,9 Prozent oder 9 Cent. In einem vollkommenen Markt, in dem zu jeder Zeit verkauft werden kann, müsste der Preis der Aktie dem Mittel zwischen den beiden Preisen entsprechen. Der theoretische Marktwert beträgt in unserem Beispiel 9,845 Euro. Für einen Round-Trip (Kauf und Verkauf desselben Wertpapiers) zum gleichen Zeitpunkt würde die Investorin also 0,9 Prozent des investierten Geldes zahlen. Zum Vergleich: Ein solcher Round-Trip in Aktien der Commerzbank hätte die Anlegerin nur 0,08 Prozent gekostet.
Bei einem Geldeinsatz von 10.000 Euro wären für die Investorin bei beiden Aktien gleichermaßen direkte Transaktionsgebühren angefallen. Beim Kauf der Aktien von der TAKKT AG hätte sie eine Liquiditätsprämie und damit implizite Gebühren von 90 Euro gezahlt, bei der Commerzbank jedoch nur 8 Euro. Um die gleiche Bruttorendite bei diesem Investment zu erzielen, muss die Technologie-Aktie des Anlegers entsprechend mehr einbringen.
Diese einfache Rechnung gibt Investoren ein Instrument an die Hand, die Kosten ihrer Wertpapiertransaktionen abzuschätzen. Je höher die Umsätze in einem Markt, je liquider also, umso geringer sind diese Kosten.
Zusammengefasst II
Einen guten Anhaltspunkt zur Liquidität einer Aktie bieten Handelsdaten auf den Datenblättern der Wertpapiere: die absoluten Orderbuchumsätze, die Anzahl der Preisfeststellungen, aber auch die Größe des Spreads und natürlich das offene Xetra-Orderbuch.
Marktbreite und Markttiefe zählen
Die Differenz zwischen dem tatsächlich erzielten Kaufpreis und dem theoretischen Marktwert spiegelt also die Handelskosten in nicht vollkommen liquiden Märkten wider.
Doch diese Differenz erfasst nur eine Dimension der Verfügbarkeit. Sie betrachtet nur die Breite des Marktes. Bei den versteckten Transaktionskosten muss auch die Markttiefe einbezogen werden, das heißt die Preise, die für verschiedene Transaktionsvolumina gestellt werden. Bei großen Orders von institutionellen Investoren übersteigt die Nachfrage häufig das Volumen, für das Preise gestellt werden. Die Orders werden also gegen mehrere Limits auf der jeweils anderen Seite des Orderbuches ausgeführt, wobei sich mit jeder Ausführung der durchschnittliche Ausführungspreis für den Auftrag verschlechtert.
XLM – Messbecher für die Liquidität
Wieviel Kosten durch mangelnde Verfügbarkeit anfallen, misst das Xetra Liquiditätsmaß, kurz XLM. Es bestimmt die Liquidität anhand der unterschiedlichen Geld- und Briefkurse für verschiedene Transaktionsvolumina. Das XLM wird seit 2002 für alle auf Xetra gehandelten Wertpapiere aufgezeichnet und in Basispunkten angegeben, wobei 100 Basispunkte einem Prozent entsprechen. Es lassen sich also die versteckten, liquiditätsbedingten Transaktionskosten für jedes Handelsvolumen bestimmen.
Die liquidesten Instrumente, die Xetra-Most-Liquids, können täglich auf Basis des vorangegangenen Handelstages über die Internetseite abgerufen werden. Siemens führt im November 2014 die Liste der Most-Liquids an. Ein Round-Trip hätte in diesem Monat Anleger 3 Basispunkte (also lediglich 0,03 Prozent) der eingesetzten Summe gekostet.
© Juni 2019, Deutsche Börse AG